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Rubrik: Campus Life
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Publiziert: 19.05.2004 06:00

Der Mittelbau der ETH - projektbezogene Anstellungen werfen Probleme auf
Baustelle Mittelbau

Die Mittelbeschaffung ist für die Professuren seit der Autonomie der ETH zu einer der schwierigsten Aufgaben geworden. Eine der Auswirkungen der heute scharf kalkulierten Mittel scheint die befristete, projektbezogene Anstellung von wissenschaftlichen Mitarbeitenden und Mittelbau-Angehörigen zu sein - eine Problematik, die Fragen aufwirft.

Von Regina Schwendener

Im Jahr 2003 sind laut ETH-Statistik in den Departementen etwa 31 Prozent der Stellen von Oberassistierenden, wissenschaftlichen Mitarbeitenden und Assistierenden durch Drittmittel finanziert, der Rest über Grundauftragsmittel des Departementes oder über Zusatzfinanzierung der Schulleitung (ebenfalls ETH-Mittel), ist vom ETH-Controlling zu erfahren. Rund 5000 der etwa 8000 Personen sind heute an der ETH befristet angestellt.

Es gibt nicht immer Probleme

Es gibt für die wissenschaftlichen Mitarbeitenden eine Verordnung, welche die maximale Dauer ihrer Anstellung an der ETH regelt. Bestimmungen, die früher nicht so strikt eingehalten wurden, so Personalchef Piero Cereghetti. Unterschreibe man eine befristete Anstellung, wisse man im allgemeinen, was das bedeute. Und der Personalchef deutlich: «Die ETH Zürich legt grossen Wert auf das Prinzip der rotierenden Stellenbesetzungen im Wissenschaftsbereich, das es ermöglicht, jungen, motivierten Wissenschaftern und Wissenschafterinnen an der ETH ein Sprungbrett für eine erfolgreiche Karriere zu bieten, und es gleichzeitig erlaubt, im immer rascher sich verändernden Lehr- und Forschungsbetrieb flexibel zu agieren.» Und abgesehen davon sei es nicht so, dass bei Emeritierungen immer Probleme entstünden. Bei rund 20 Emeritierungen im Jahr würde die Personalabteilung 10 von ihnen nicht spüren. Und wenn nötig, trete ein Sozialplan in Aktion.

Probleme ernst nehmen

Und trotzdem muss sich die Ombudsstelle der ETH in letzter Zeit vermehrt mit Hilfe suchenden Mittelbau-Angehörigen beschäftigen müssen. Ombudsmann Professor Hans Eppenberger stellt fest: «Es gibt an der ETH Leute, welche ihre Arbeitgeberin zu ihrer Familie zählten, sich mit ihr identifizierten. Jetzt schickt man sie weg und mit ihnen in der Regel auch viel Know-how.» Er frage sich, ob es wirklich richtig ist, immer wieder bei Null anzufangen und auf Verordnungen zu pochen. Es werde immer wichtiger, bei Besetzungen von Professuren auch der Sozialkompetenz des Anwärters oder der Anwärterin einen angemessenen Stellenwert beizumessen, meint Eppenberger.

Nur etwa drei Prozent der Mittelbau-Angehörigen gelingt es, eine Professorenstelle zu erhalten. Die wissenschaftlichen Mitarbeitenden, Oberassistierenden und Privatdozenten werden innerhalb der ETH von vielen als die Stütze der Hochschule sowohl für die Forschung als auch für die Lehre angesehen. Trotzdem erhalten sie immer weniger Unterstützung. «Die massivsten Probleme tauchen meistens mit der Emeritierung eines Professors oder einer Professorin auf, welche die Verantwortung für ihre meist jüngeren wissenschaftlichen Mitarbeitenden nicht wahrgenommen haben», sagt ETH-Zellbiologie-Professor Theo Wallimann und bemerkt: «Oft werden gute Mitarbeitende mit der Aussicht oder dem Versprechen für eine feste Anstellung über längere Zeit hingehalten, bis sie dann zu alt oder zu spezialisiert sind, um anderswo noch eine Stelle zu finden.» Er macht auch auf einen beunruhigenden Trend aufmerksam, indem er feststellt, dass im Rahmen der allgemeinen Sparanstrengungen der Mittelbau langsam, aber sicher eliminiert werde.

«Billiger» Ersatz?

«In Zukunft wird es an unseren Hochschul-Forschungsstätten neben befristet Angestellten, meist 'billigere' ausländische Postdocs, praktisch nur mehr Professoren und Studierende, sprich 'sehr billige' Doktorierende, geben, da es faktisch keine unbefristeten 'teureren' Mittelbaustellen mehr gibt», ist Wallimann überzeugt. Es seien aber meistens diese unbefristeten Mittelbaustellen, die früher mit langjährigen, hochqualifizierten Forschenden besetzt werden konnten. Sie hätten für die methodologische Kontinuität und zum Forschungserfolg einer Professur wesentlich beigetragen. Dies bestätige sich, wenn man die Forschungsgruppen der jüngsten schweizerischen Nobelpreisträger anschaue.

Die vor einiger Zeit vom Nationalfonds geförderten Nachwuchsprofessuren seien ein guter Ansatz gewesen, hätten aber in vielen Fällen in eine Sackgasse geführt, weil anschliessend an die Vergabe dieser befristeten Förderungsprofessuren die entsprechenden festen Professorenstellen an den Hochschulen fehlten. Wenn der Nachwuchs gefördert werden soll, dann sollte das mit transparenten Karriere-Aussichten und klaren «Merit-System-Kriterien», wie Anzahl und Qualität der wissenschaftlichen Publikationen, Fähigkeit zur Drittmittelbeschaffung, Qualität der Lehre oder Anzahl erfolgreich betreuter Diplom- und Doktorarbeiten und anderem mehr verbunden sein, so Wallimann.


Adieu Know-how - Beispiel K.P.

K.P. ist ein erfolgreicher Naturwissenschaftler, der in den USA mehrere Jahre an einem der renommiertesten Labors als Postdoc arbeitete. Er hatte sich 1989 entschlossen eine Stelle als Postdoc an der ETH anzunehmen, weil ihm das dort angebotene Forschungsgebiet und die Hochschule zusagten. Nach einem weiteren Jahr Postdoc, wurde er zum Gruppenleiter in der Stellung eines Oberassistenten befristet angestellt. Er vertraute darauf, dass mündliche Aussagen für eine weitere Verwendung an der ETH Gültigkeit haben. Sieben Doktorierende schlossen unter K.P. erfolgreich ab, einer sogar mit der ETH-Medaille. Der Vorgesetzte von K.P. wurde emeritiert und der Oberassistent rechnete sich aufgrund der Versprechungen, seiner Qualifizierung und seines speziellen Fachgebiets nach der Evaluation des Instituts Chancen aus, bleiben zu können. Er sah sich zudem auch nach anderen Alternativen um, welche aber an seinem Alter scheiterten. Nachdem er sich noch mit der Leitung eines EU-Projektes, das er für die ETH akquirierte und leitend bearbeitete, für drei Jahre «über Wasser hielt», kam nach 14 Jahren an der ETH das totale Aus. Im Alter von 52 musste K. P. die ETH mit einer Abfindung verlassen, aber ohne Aussicht auf eine weitere berufliche Zukunft.




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Die Angehörigen des Mittelbaus sind eine wichtige Stütze in Forschung und Lehre. "Bauchweh" erzeugt ihnen jedoch, wenn sie befristete Anstellungen und Karriere unter einen Hut bringen wollen. gross

Lösungen suchen

Die Akademische Vereinigung des Mittelbaus an der ETH Zürich (AVETH) sehe es als notwendig an, neben einer überwiegenden Anzahl an befristeten Qualifikationsstellen auch unbefristete Anstellungsverhältnisse im Mittelbau anzubieten, so die Co-Präsidenten Klaus Haller und Paolo Losio. Nur dadurch könne Know-how gehalten werden, falls Geräte nicht nur für wenige Jahre sondern längerfristig genutzt werden. Hiervon würden gerade Doktorierende und Postdocs profitieren. Ebenso gäbe es langfristig angelegte Forschungsvorhaben, die nicht sinnvoll von befristet Angestellten alleine ausgefüllt werden können, sondern personelle Kontinuität erfordern. Klaus Haller: «Unbefristet Angestellten ist natürlich beim allfälligen Weggang eines Professors oder einer Professorin nicht zu kündigen, sondern es ist ETH-intern eine Lösung zu finden. Solchen Problemsituationen kann die Schulleitung bereits präventiv begegnen, indem unbefristet Anzustellende nicht wesentlich jünger als der anstellende Professor oder die anstellende Professorin sind.»

Titel an der EPF Lausanne

An der EPF Lausanne hat die Schwester der AVETH, die ACIDE (Association du Corps intermediaire de l'EPFL) die Initiative zur Förderung des Mittelbaus ergriffen und der Direktion der Schule einen Karriereplan unterbreitet. Vorstandsmitglied Jean-Louis Staehli erklärt den Zweck: «Die Laufbahn der wissenschaftlichen Mitarbeitenden an der EPF Lausanne soll eine Strukturierung erhalten, indem neue akademische Titel eingeführt werden, welche der Tätigkeit dieser Mitarbeitenden entsprechen. Diese Titel werden auf Grund eines vom Mitarbeitenden selbst beantragten «peer review»-Verfahrens zugeteilt und wir hoffen, dass dies den Mittelbau auch stimulieren wird.» Andereseits sollen mit diesen Titeln die vom akademischen Mittelbau erbrachten Leistungen anerkannt werden. So soll zum Beispiel jemand, der heute als "wissenschaftlicher Adjunkt" ähnliche Leistungen wie ein Professor erbringt, mindestens Titularprofessor werden können. An der ETH Lausanne gebe es viel mehr Lehrbeauftragte, welche nicht Professoren sind, als Professoren, ergänzt Staehli.

Sozialkompetenz gefragt

Auf das Anstellungsproblem angesprochen antwortet Staehli: «An der EPF Lausanne können befristet angestellte wissenschaftliche Mitarbeitende höchstens vier Jahre arbeiten. Spätestens dann muss entschieden werden, ob das Anstellungsverhältnis aufgelöst oder in ein unbefristetes Verhältis überführt werden soll. Mit dieser von der ACIDE vorgeschlagenen Regelung soll verhindert werden, dass die Mitarbeitenden erst in einem Alter entlassen werden, wenn eine neue aussichtsreiche Karriere ausserhalb einer akademischen Institution kaum mehr möglich ist.» Zudem würden die Forschungsgruppen zu einem Minimum an Planung gezwungen. An der EPF Lausanne habe es früher Leute gegeben, die bis 20 Jahre auf einem jährlich zu erneuernden Arbeitsvertrag sassen. «Nach unserer Ansicht ist es aber unfair, jemanden während neun Jahren mit einem befristeten Verhältnis arbeiten zu lassen und ihn so um den begrenzten Kündigungsschutz, den ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bietet, zu prellen, und um ihn dann in einem relativ fortgeschrittenen Alter auf die Strasse stellen zu können.» Andererseits gehe die ETH, wenn sie jemandem ein unbegrenztes Anstellungsverhältnis anbietet, kein hohes Risiko mehr ein, wenn später die Stelle gestrichen werden muss, weil ein Forschungsprojekt beendet ist oder weil der Vorgesetzte in den Ruhestand geht.

Tenure Track - ein Weg

Es sei auch an der ETH Lausanne eine Tendenz vorhanden, die Anzahl der Mittelbauangehörigen mit unbegrenztem Anstellungsverhältnis zu verringern, so Stäheli weiter. Es sei dringend nötig, die Anzahl der Professuren der stetig wachsenden Anzahl der Studenten anzupassen. Da die finanziellen Mittel des Bundes auch in Zukunft höchstens nur wenig wachsen werden, ziehe man es zur Zeit vor, anstelle von unbefristeten Arbeitsverhältnissen Tenure-Track-Assistenz-Professuren zu schaffen, für die sich ja auch Angehörige des Mittelbaus bewerben können. Damit werde der relative Anteil der Professoren in der Gesamtheit der wissenschaftlich Tätigen wachsen, und tendenziell werden die Forschungsgruppen kleiner. Aber der ACIDE glaubt, wie Staehli sagt, nicht, dass man auf die unbefristet angestellten wissenschaftlichen Mitarbeitenden wird verzichten können.

Es gibt keinen Mittelweg

«In der Tat läuft ohne einen leistungsfähigen Mittelbau an einer Hochschule sehr wenig bis gar nichts. Dass man nicht darüber spricht, hat wohl den gleichen Grund wie im Militär, wo die Unteroffiziere auch nichts gelten», so ETH-Nobelpreisträger Richard Ernst launig. Das Problem unseres Mittelbaus sei, dass wir ein Zwittersystem zwischen dem deutschen Institutssystem mit dem Professor und Geheimrat als allgewaltigen Chef haben, der eine Hierarchie von angestellten „Mittelbauern" führt, und dem amerikanischen System mit einer grossen Zahl von Professoren, die Kleinstgruppen führen, aber ohne Festangestellte. Ernst: «Wir versuchen, die Vorteile beider Systeme zu kombinieren, vergessen aber gerne die grundlegende Inkompatibilität beider Systeme. Wir glauben, das deutsche System überwunden zu haben, sind aber noch weit entfernt vom amerikanischen.» Konsequenterweise müsste der fest angestellte, eigenständige Mittelbau ganz abgeschafft und dafür die Professorenzahl verdreifacht werden, meint der Nobelpreisträger. «Natürlich würden die Mittel nicht verdreifacht, was heissen würde, dass im Durchschnitt pro Professor weniger Mittel zur Verfügung stehen würden.» Und Ernst weiter: «Das Mittelbau-Problem kann nur gelöst werden, wenn wir uns konsequent für das alte deutsche System mit Mittelbau-Positionen oder für das amerikanische mit viel mehr Professuren entscheiden. Es gibt keinen Mittelweg!»




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