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Rubrik: Campus Life
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Publiziert: 26.05.2006 06:00

Internationales Symposium zum Thema „Campus Design“
Campus der Zukunft

Als eine Konsequenz zur im Herbst erfolgten Präsentation des Masterplans für Science City organisierte das Institut für Städtebau der ETH letzte Woche ein internationales Symposium zum Thema „Campus Design“. Dabei wurden anhand weiterer Beispiele in Europa die ideelen Grundlagen sowie die planerischen Herausforderungen der Campusgestaltung für öffentliche und private Institiutionen erörtert.

Thomas De Rocchi

„Die grosse Herausforderung beim Bau eines neuen – und neuartigen – Campus liegt nicht darin, zusätzliche Gebäude zu entwerfen, sondern eine von allen Beteiligten gemeinsam getragene Vision zu entwickeln. Oder, um es in den Worten von Antoine de Saint-Exupéry auszudrücken: 'If you want to build a ship, don’t drum up people together to collect wood and don’t assign them tasks and work, but rather teach them to long for the endless immensity of the sea.’” Mit diesem Fazit eröffnete Gerhard Schmitt das Symposium auf dem Hönggerberg. Der ETH-Vizepräsident für Planung und Logistik und Initiator von Science City ermunterte die Anwesenden, sich einen Tag lang mit möglichen Formen und Inhalten des Campus der Zukunft auseinander zu setzen. Dabei kristallisierte sich bald die Frage heraus, was einen Campus überhaupt ausmacht, respektive welche Funktionen er erfüllen soll und kann.

Künftiger ETH-Campus und Stadtquartier: Science-City-Masterplan; Modell von ETH-Professor Kees Christiaanse. gross

Was ist ein Campus?

Dem lateinischen Wortsinn nach bedeutet Campus schlicht Feld. Im täglichen Gebrauch wird mit dem Ausdruck aber meist das amerikanische Modell eines auf relativ engem Raum konzentrierten Universitätsgeländes bezeichnet, auf dem neben Lehreinrichtungen auch Wohnungen für Studenten sowie sportliche und kulturelle Infrastruktur vorhanden sind. „Ideengeschichtlich gesehen, steht der Campus für das Zusammenleben Gleichgesinnter, bei gleichzeitiger Verteidigung gegen aussen“, erläuterte Andrea Deplazes, der Vorsteher des Departements Architektur der ETH Zürich. Durch entsprechende bauliche Massnahmen könne diese Elitenbildung noch verstärkt werden, um unerwünschte Ablenkungen auszuschliessen. Architektur zum Zweck der Erziehung. „Sehr kritisch betrachtet entspricht der Campus Foucaults realisierter Utopie der Abgrenzung“, so Deplazes weiter. „Das Individuum muss sich als zugehörig erweisen, um beherbergt zu werden.“

Zeichen der zunehmenden Bedeutung unternehmenseigener Bildungsstätten: "Mobile Life Campus", Auto-Uni Wolfsburg von VW (Bild: Henn Architekten). gross

Weg vom sprichwörtlichen Elfenbeinturm

Damit wird auch klar, weshalb im Rahmen von Science City nach einem anderen, modernen Konzept von Campus gesucht wurde. „Universitäten sind ihrem Wesen nach diplomatischen Vertretungen nicht unähnlich“, erklärte Dr. Edo Hofland, der niederländische Botschafter in der Schweiz. „Fragen der Sicherheit zwingen uns Diplomaten manchmal in den sprichwörtlichen Elfenbeinturm. Gerade deshalb ist es ausserordentlich wichtig, dass die konsularen, kulturellen und wirtschaftlichen Sektionen einer Vertretung für die Öffentlichkeit zugänglich sind.“


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Oszilliert zwischen privater Stadt und urbanem Campus: Novartis Campus Basel; Modell des Masterplans von ETH-Professor Vittorio Magnago Lampugnani (Bild: Novartis). gross

Dies entspricht der Philosophie von Science City, welche weg will vom 70er-Jahre Modell des abgelegenen monofunktionalen Wissenschaftszentrums, hin zu einem lebendigen und integrierten „Stadtquartier für Denkkultur“.

Die geplante Umsetzung dieses Konzeptes erläuterte Kees Christiaanse, ETH-Professor für Architektur und Städtebau und Verantwortlicher für den Science-City-Masterplan von. „Wir versuchen für den Campus auf dem Hönggerberg einen urbanen Kontext zu schaffen.“ Dabei denkt er weniger an physische Nähe zur Stadt – dafür käme wohl nur ein Umzug in Frage – sondern daran, den Campus als eigenständiges Viertel zu beleben, und damit eine Art Urbanität zu generieren. „Aus heutiger Sicht war es ein Fehler, den Campus vor den Toren der Stadt anzusiedeln. Aber die Stadt ist am Wachsen, und wir möchten sie gerne wieder mit der ETH zusammen bringen.“

Um dies zu erreichen, hat Christiaanse eine Liste mit Bedingungen aufgestellt, welche für den modernen Campus grundlegend seien. Darauf finden sich so unterschiedliche Punkte wie eine verstärkte Verbindung zu den Nachbarquartieren, verbesserte Anschlüsse an den öffentlichen Verkehr, die Mischnutzung von Gebäuden, ein Angebot an studentischen Wohnungen sowie Möglichkeiten zum öffentlichen Gebrauch von Universitäts-Infrastruktur oder die schon erwähnten sozialen und kulturellen Angebote, welche ein breiteres Publikum auf den Campus locken sollen.

Europäische Bestandesaufnahme

Einzelne dieser Aspekte wurden bereits im Rahmen der Erweiterung anderer Forschungseinrichtungen getestet. Die Bestandesaufnahme in Sachen Campus Design bildete daher einen Schwerpunkt im Programm des Symposiums. So konnte der niederländische „urban designer“ Edzo Bindels anhand der Erfahrung mit zwei seiner Projekte bestätigen, dass ein gutes Netz von Fussgänger- und Fahrradwegen massgeblich zur Anbindung des Campus an die Nachbarschaft beitragen kann. Allerdings sprach er sich gegen die Mischnutzung von Gebäuden und anstelle dessen für eher kleine, dafür in ihrem Verwendungsweck eindeutig identifizierbare Häuser aus.

Zu einem ähnlichen Resultat kam auch eine Benchmark-Studie des Zürcher Raumplaners Wilhelm Natrup, welcher europaweit verschiedene Forschungseinrichtungen verglichen hat. Insbesondere warnte er vor einer gemischten Nutzung von Gebäuden mit klassischem Wohnen und Arbeiten, da sich dies als problematisch herausgestellt habe. Die Ansiedlung von forschungsnahen (Abnehmer-) Firmen und Technologieunternehmen auf dem Campusgelände hätte sich hingegen bewährt, ebenso die gezielte Vermarktung mit einem Label wie „Technology Park“.

Private Stadt vs. urbaner Campus

Nebst derart praxisorientierten Diskussionsthemen liess das Programm des Symposiums aber auch das Abschweifen in philosophischere Sphären zu. So faszinierte der japanische Professor Riken Yamamoto die Teilnehmer mit seiner Vorliebe für offene Räume und präsentierte die Pläne seiner „most transparent university“, welche die Form des heute üblichen Unterrichts in geschlossenen Hörsälen radikal revolutionieren würde. Und auch Vittorio Magnago Lampugnani, ETH Professor für die Geschichte des Städtebaus, gewährte den Anwesenden Einblicke in seine Arbeit und zeigte am Beispiel des Basler Novartis Campus, wie schwierig es sein kann, Grenzen zu definieren. „Habe ich eine private Stadt gebaut, oder einen urbanen Campus?“ Eine klare Antwort konnte ihm niemand geben. Aber das ist vielleicht auch gut so, denn solange darüber nachgedacht wird, was ein Campus ist, oder was er sein soll, solange wird auch an der Entwicklung einer modernen Vision gearbeitet. Und dies bleibt, gemäss Gerhard Schmitt, der erste Schritt zu einem erfolgreichen Projekt.


Literaturhinweise:
Das Buch zum Symposium kann im Internet bestellt werden unter: www.campusdesign.ethz.ch



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