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Rubrik: Campus Life
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Publiziert: 04.07.2003 06:00

Prototypen-Präsentation des ETH Innovations-Projekts
Der See als Laufsteg

Einmal über den Zürichsee laufen statt schwimmen – möglich machen dies die Pedalo-Prototypen von ETH-Studierenden im diesjährigen Innovations-Projekt. Zum Semesterschluss wurden sie zusammen mit selbstentwickelten Reinigungsgeräten an einer Publikumsmesse der Öffentlichkeit vorgestellt.

Von Jakob Lindenmeyer

„Innovativ im Wasser“ betitelte das TV-Jugendmagazin „Oops!“ ihre Sendung über die von „Tüftlern an der ETH entwickelten Pedalos“. Sie sind das Produkt eines der beliebtesten Fächer im Maschinenbau-Studium: Dem Innovations-Projekt. Der 22-jährige Maschinenbau-Student Reto Jost ist TV-Sprecher der Gruppe "Barracuda-Pedalo" (1). Vor der Kamera des Schweizer Fernsehens zeigt er sich positiv überrascht von der Jungfern-Fahrt seines Pedalos vor zwei Wochen: "Das Ding wär zwar fast abgesoffen auf einer Seite, dafür fährt es extrem schnell!" Dass auch das Schweizer Fernsehen beim Stapellauf seines „Barracuda-Pedalos“ mit dabei ist, freut Student Jost besonders. Der Zusatzaufwand für die Kamera habe sich definitiv gelohnt, auch wenn sein Team dazu die morgendliche Vorlesung in Regelungstechnik schwänzen musste. "Die ist sowieso nicht besonders spannend - viel zu theoretisch", kommentiert ein Team-Kollege.

Bis zum Bauchnabel im Zürichsee

Da geht es in der nachmittäglichen Lektion von „Produkt-Entwicklung“ schon wesentlich praktischer zu. In Badehosen und mit Schraubenzieher und Schraubschlüssel bewaffnet flicken die Teams bis zum Bauchnabel im warmen Zürichsee stehend an ihren Prototypen herum (siehe Bild unten). Kein Wunder sind heute fast alle am See, ausser einigen wenigen, die sich trotz des stahlblauen Himmels und der brennenden Sonne für die Kollegen die Regelungstechnik-Infos „reinziehen“ müssen.

Das Schweizer Fernsehen begleitete die Jungfernfahrt des "Barracuda-Pedalos". gross

Die Gefahr, dass die Studierenden ihre Zeit und Motivation nur noch in die Produktion ihres Prototypen stecken, ist dem Leiter des Innovations-Projekts durchaus bewusst. Darum empfiehlt Professor Markus Meier vom Zentrum für Produkt-Entwicklung den Studierenden denn auch „aufs Dringlichste, neben dem motivierenden Einsatz und Lernerfolg im Innovations-Projekt die weiteren Fächer des Studiums nicht zu vernachlässigen und diese sowie deren Übungen regelmässig zu besuchen.“

Von der Theorie zur Praxis

Das Innovations-Projekt (2) ist projektorientiertes Lernen, das den Studierenden erleichtern soll, den Stoff des Fachs „Produkt-Entwicklung“ von der Theorie in die Praxis umzusetzen. Während eines Jahres durchlaufen die 180 Studierenden alle Prozesse der Entwicklung eines Produkts, wie Ideenfindung, Marktanalyse, Konstruktion, Engineering, sowie Herstellung und Montage des Prototypen. Nach Rettungsschlitten, Kinderwagen und Rasenmäher (3) wurde das diesjährige Thema offener gehalten. Die Studierenden sollten den Prototypen eines neuen Sport-, Rehabilitations- oder Reinigungsgeräts entwickeln. Die meisten Teams entschieden sich für die Entwicklung eines Reinigungs- oder Sportgeräts. Passend zum rekordheissen Juni spezialisierten sich einige Teams auf Wassersportgeräte wie Pedalos.

Enorme Motivation

Als grossen Vorteil dieser Lernmethode sieht Markus Meier primär die enorme Motivation der Studierenden für die eigene Projektarbeit. Im Team können sie insbesondere die Sozialkompetenz gezielt entwickeln. Zusätzlich findet auch eine starke Vernetzung mit anderen Universitäts- und Fachhochschul-Kulturen statt: Studierende der Wirtschafts-Uni HSG beraten die ETH-Teams zu Marketing und Businessplan, während Industrial-Design-Studierende der Kunsthochschule HGKZ das Design der Prototypen optimieren. Auch Lehrlingswerkstätten von Industriebetrieben werden mit einbezogen und unterstützen die Teams bei der Produktion der Prototypen.

Diese hochschulübergreifende Zusammenarbeit funktionierte auch im „Katwalk“-Team (4), das sich für den Bau eines Pedalos entschieden hatte. Michael Meier vom „Katwalk“-Team erklärt: „Auch wir haben drei Wirtschafts-Studis in unserem Team. Die machten hauptsächlich so Zeugs wie Businessplan oder Marketing, während wir von der ETH mehr die eigentliche Arbeit am Prototypen leisten." Ein weiterer Meier stimmt zu. Meier heissen hier eigentlich ziemlich alle im „Katwalk“-Team, denn die Gruppen wurden alphabetisch unterteilt.


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Entwicklerin Heidi Hautala auf ihrem „Katwalk“: „Das Ding ist nicht nur schwierig zu steuern, sondern auch anstrengend und ermüdend.“ gross

Mehr Praxis als in Finnland

Eine jedoch fällt auf im „Katwalk“-Team unter all den angehenden Schweizer Ingenieuren namens Meier: Heidi Hautala, 22-jährig, Hochdeutsch sprechend und einzige Frau im Team (siehe Foto oben). Die weissblonde Austauschstudentin aus Finnland freut sich über die praktischen Seiten ihres Maschinenbau-Studiums: "In Finnland haben wir zwar auch solche Projekte gemacht, allerdings sind wir nie über Konzepte und Papierskizzen hinausgekommen."

Etwas vorsichtiger als ihre männlichen Kollegen besteigt die Finnin den auf den Zürichseewellen schwankenden Prototypen und rennt los, hinaus aus dem Hafen Tiefenbrunnen in den Zürichsee. "Beim Einstieg hatte ich schon etwas Angst davor, das Pedalo würde aufgrund des hohen Wellengangs kippen und sinken", verrät Hautala nach ihrer ersten Fahrt. Doch jetzt fühle sie sich sicherer, wenn es auch noch einiges zu verbessern gäbe: "Wenn die Gischt auf das Laufband spritzt, wird das Ganze sehr rutschig." Allerdings sei dies schwierig zu beheben, da sie extra das Laufband-Material aus dem Kraftraum übernommen hätten - nur habe man dort eben nicht mit hohen Wellen zu rechnen. Ausserdem sei der „Katwalk“ schwierig zu steuern und zudem sehr anstrengend und ermüdend.

Wacklig und schwer

"Es braucht halt schon etwas viel Kraft in Armen und Waden", bestätigt ihr 21-jähriger Team-Kollege Stephan Meyer. Er schlägt darum vor, die Reibung in den Kegelrad-Getrieben, über die das Laufband auf die Welle umgelenkt wird noch stärker zu reduzieren. Auch gegen das Ausrutschen hat er Massnahmen: "Mit Abdeckungen aus Plexiglas könnten wir das Spritzwasser bekämpfen". Zudem sei die Befestigung der Rümpfe noch zu wacklig und die Gesamtkonstruktion zu schwer: "Wir müssen unser Pedalo noch stabiler fixieren und trotzdem einiges an Material und Gewicht einsparen", erklärt Meyer das Dilemma.

Ausserdem hätten sie nun bereits 19'000 Franken an Material in ihren Prototypen investiert, rechnet ein weiterer Meier vor. Die Arbeit des Teams noch nicht mit einberechnet. Wie allen andern, stellte die ETH auch dem „Katwalk“-Team einen Startkredit von 3'000 Franken als Grundstock zur Verfügung. Alle weiteren Mittel mussten die Teams durch eigenes Fundraising hereinholen - kein leichtes Unterfangen in der aktuellen Rezession.

„Stutz“ dank Vitamin B

Das Echo der Schweizer Maschinenindustrie auf die Fundraising-Anfragen der ETH-Studis war unterschiedlich: Während das „Katwalk“-Team etwa von der Lehrlingswerkstatt der SAir-Technics Material im Wert von 6'000 Franken gesponsert bekam, beliess es der Gasturbinen-Gigant Alstom bei einem Sponsoring von 200 Franken. Andere Teams hatten bei Alstom allerdings mehr Erfolg: "Die kriegten voll 1'000 Stutz! Aber die hatten eben auch Vitamin B", ärgert sich ein weiterer Meier aus dem „Katwalk“-Team.

Passend zum Semesterschluss: Der Pedalo-Prototyp "AQA" eignet sich auch für ein Nickerchen auf dem Zürisee. gross

Neben dem fehlenden Spritzschutz und dem rutschigen Laufband scheint auch die Vertäuung des "Katwalk"-Pedalos noch nicht ganz ausgereift zu sein. Für das TV-Gruppenbild aller Entwickler-Teams musste daher der Autor als menschliche Boje herhalten. Dabei rutschte er auf der von glitschigen Algen überwachsenen Bootsrampe aus und landete zwischen all den Pedalo-Prototypen im Zürichsee :-(


Pedalos heimsten Preise ein

Zum Semesterschluss präsentierten alle zwölf Teams ihre Prototypen an einer Publikumsmesse in der Haupthalle des ETH-Hauptgebäudes. Besucherinnen und Besucher hatten die Möglichkeit, die innovativsten Prototypen mit Preisen im Gesamtwert von über 3'000 Franken auszuzeichnen. Die oben beschriebenen Entwickler gewannen mit ihrem "Katwalk"-Pedalo den ersten Publikumspreis und belegten den zweiten Platz des CAx/PDM-Preises. Letzteren gewannen die Entwickler des "Barracuda"-Pedalos. Den mit zusätzlichen 1'000 Franken dotierten Geberitpreis für Innovationsgehalt gewann das Team "Swimtastic Floyd".




Fussnoten:
(1) Website des Teams "Barracuda-Pedalo": www.barracuda-pedalo.ch.vu
(2) Website des Innovations-Projekts: http://129.132.168.35:8000/login.jsp
(3) ETH Life-Bericht über die Präsentation der ETH Rasenmäher-Prototypen: "Schnipp-schnapp Gras ab": www.ethlife.ethz.ch/articles/news/show/0,1046,0-5-1129,00.html
(4) Website des Teams "Katwalk": www.katwalk.ch.vu



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