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Rubrik: Campus Life
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Publiziert: 15.09.2006 06:00

Preisverleihung des Marcel-Benoist-Preis 2006 an Timothy Richmond
Forscher mit Leib und Seele

Tim Richmond ist der Preisträger des Marcel-Benoist-Preises 2006, dem wohl prestigeträchtigsten Wissenschaftspreis der Schweiz. Der Amerikaner, der seit 1987 an der ETH Professor für Röntgenkristallographie von biologischen Makromolekülen ist, hat mit der Aufklärung der Nukleosomen-Struktur einen fundamentalen Beitrag geleistet zum Verständnis über den Aufbau der Erbsubstanz DNS.

Interview: Peter Rüegg

Was ist seit der Ankündigung, dass Sie den Marcel-Benoist-Preis 2006 gewonnen haben, geschehen? Viele Anfragen und Interviews?

Nein, ich habe nicht so viele Interviews geben müssen. Die meisten habe ich bereits vor der Ankündigung gegeben.

Und im Institut oder zu Hause? Gab es keine Feiern?

Nein. Am vergangenen Wochenende kam meine Frau. Sie lebt in Heidelberg, dort ist sie Direktorin des Max-Planck-Instituts für medizinische Forschung. Wir feierten ein wenig, genossen ein feines Nachtessen. Ich rief meine Kinder in den USA an. Sie waren über die Nachricht sehr erfreut. Ein „thank you“ an meine Kollegen im Institut kommt später.

Ihre Freude scheint eher verhalten zu sein.

Natürlich ist es wundervoll, einen Preis zu gewinnen. Ich erwähnte das auch am Presse-Mittagessen mit Pascal Couchepin (1). Den Jeantet-Preis gewann ich zusammen mit zwei Kollegen, also feierten wir zusammen. Als Einzelperson einen Preis zu erhalten, das bin ich nicht gewohnt.

Aber Sie haben einige Preise in Ihrer Karriere gewonnen…

Ja, mit dem Marcel-Benoist-Preis sind es vier.

Ist denn dieser Preis für Sie noch etwas Spezielles?

Ja, das ist er, vor allem weil ich in der Schweiz arbeite und lebe, obwohl ich noch nicht Schweizer bin. Einer meiner früheren Kollegen, der mehrere Preise gewann, kommentierte es wie folgt - und ich fühle ähnlich: Ich bin mit Leib und Seele Forscher. Als solcher möchte man beachtet werden und seinen Platz unter den Wissenschaftlern einnehmen. Dieser Preis bringt mich in die Ränge der Wissenschaftler, die in der Schweiz auf hohem Niveau forschen. Das schätze ich sehr. Dieser Rang war auch nicht einfach zu erreichen. Deshalb ist dieser Preis eine schöne Belohnung.

Sie sagten bei der Preis-Ankündigung, Sie unternähmen gerne Trekking- und Berg-Touren. Nach einer langen Trekking-Tour klingt auch Ihre Forschung über das Nukleosom.

Jemand sagte mir, dass dies der Grund sei, warum ich das Bergsteigen mag. Obwohl es nicht genau dasselbe ist. Beim Bergsteigen erklimmt man einen Gipfel. In der Wissenschaft gibt es diesen nicht, vielleicht einen Pass oder einen Bergsattel, auf dem man steht und Energie tankt, um weiter aufzusteigen. Wissenschaft ist eine nie endende Tour. Etwa im Sinne einer Wegmarke ist es deshalb schön, wenn man von Zeit zu Zeit Anerkennung erntet. Man weiss zwar selbst, was man erreicht hat, was man hineingesteckt hat. Unabhängig davon, welchen Preis man gewinnt. Befriedigend ist es auch, wenn die eigenen Erkenntnisse in die Lehrbücher einfliessen, selbst wenn der eigene Name nicht dabei steht.

Was fasziniert Sie am Nukleosom?

Es ist mehr als faszinierend, es ist fundamental. Jeder weiss: DNS ist fundamental. Das ist sie, keine Frage, aber das Nukleosom ist der nächste Schritt nach der DNS - so sieht die DNS in höheren Organismen aus. Wir müssen diese Struktur genau kennen, wenn wir zukünftige Technologien und Medikamente entwickeln wollen. Zu Beginn hiess es: die Struktur des Nukleosoms aufzuklären ist einfach unmöglich. Die Technik ist noch nicht so weit. Nicht, dass ich die hoch auflösenden Röntgenstrahlen oder Synchrotron-Lichtquellen erfunden hätte. Ich habe aber dazu beigetragen aufzuzeigen, wie man diese Techniken für solche Zwecke anwendet. Und ich habe deutlich gemacht, was ich brauche, so dass andere Leute diese Geräte bauen konnten.


Marcel-Benoist-Preisträger 2006 Timothy Richmond mit einem Modell des Nukleosoms. gross

Welches waren die wichtigen Schritte bei der Aufklärung der Strukur des Nukleosoms?

Die Struktur des Nukleosomes tauchte wie aus einer Wolke auf. Zuerst betrug die Auflösung 20 Angström, da wussten wir nur, dass sich die DNS um ein paar Proteine schlingt. Bei 7 Angström beginnt man, die Proteine und die Merkmale der DNS - etwa Furchen - zu sehen. Mit Kristallen konnten wir später kleine Atom-Gruppen wie die Basen der DNS erkennen. Auch das war noch nicht genau genug. Am Ende sahen wir bei 2 Angström alle Atome und Ionen an der DNS. Insbesondere auch alle Wassermoleküle, die an DNS-Protein-Schnittstellen gebunden sind.

Gab es Momente, in denen Sie diese wissenschaftliche Trekking-Tour abbrechen wollten?

Es gab rauhe Zeiten. Als ich in Cambridge begann, hatte ich eine junge Familie und fragte mich, ob ich sie als Wissenschaftler würde ernähren können. Ich war jedoch zuversichtlich, dass ich über das notwendige Rüstzeug verfügte hinsichtlich Laborarbeit, in der Informatik sowie in der angewandten Mathematik. Ich sagte mir: Ich kann das schaffen. Ein kritischer Moment war, als wir für die Strukturaufklärung unbedingt höhere Auflösung brauchten, damals, als ich an die ETH wechselte. Ich dachte zwar nicht ans Aufhören, aber es beschäftigte mich. Als wir aber „dran“ waren, dachte ich nicht mehr darüber nach. Es gab auch eine Zeit, als mich der SNF ein wenig zurückband. Alle zwei bis drei Jahre, so die allgemeine Auffassung, sollte man ein „Cell“- oder „Nature“-Paper veröffentlichen. Das ist möglich, wenn man an „heissen“ Biochemie-Themen arbeitet. Komplexere Probleme brauchen hingegen mehr Zeit. Ich hatte aber zum Glück die richtige Unterstützung an der ETH.

Gab es Dinge, die Sie nicht herausbekommen haben, die Sie gerne herausfinden wollten?

Wir kämpfen noch immer mit Histon H1, einem sehr wichtigen Protein des Chromatins. Wir arbeiten daran seit Jahren und haben noch keine gute Struktur bestimmen können. Wir sahen früher nur einen ungefähren Klumpen. Ich will die Details kennen. Vielleicht schaffen wir es im nächsten Jahr, denn wir haben neue Kristalle. Eine weitere Herausforderung ist es, die Struktur der nächsthöheren Organisationsstufen der Nukleosomen, etwa von Tetra-Nukleosomen oder der Chromatin-Faser, bei hoher Auflösung aufzuklären.

Am Freitag findet an der ETH die Preisverleihung statt, und der Bundesrat sagte, dass man damit auch junge Leute ansprechen soll. Was würden Sie dem Nachwuchs sagen?

Wenn du denkst, dass dir etwas wirklich zusagt, dann suche dir etwas aus, woran du interessiert bist, das deinen Fähigkeiten und Neigungen entspricht, und arbeite daran vier, fünf Jahre als Doktorand. Fokussiere dich auf die Materie, auf die du dich einlässt. Du hast an der ETH alle Möglichkeiten und Ressourcen, die du brauchst. Versuche etwas Bedeutendes zu tun und schaue, ob du Fortschritte erzielst. Schaue, wo du Erfüllung findest. Am Ende dieser Zeit entscheide, ob Wissenschaft etwas für dich ist – du kannst dann auch einen zweiten Versuch als Post-Doc machen. Oder du entscheidest Dich, in die Industrie zu wechseln oder du wirst Lehrer. Engagiere dich, tauche ein in die Erfahrung und fordere dich selbst heraus. Am wichtigsten ist: Sei mit vollem Herz und Verstand dabei!


Literaturhinweise:
Website der Gruppe Richmond: www.mol.biol.ethz.ch/groups/richmond

Fussnoten:
(1) vgl. ETH Life-Bericht "Lohn für Beharrlichkeit": www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/richmondbenoist.html



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