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Publiziert: 28.03.2006 06:00

Neue Ingenieure braucht das Land (Alexander Zehnder ETH-Life 15.03.06)

Von Kurt Signer, Abt. Betrieb

Zum Beitrag ETH Life vom 15.03.06: Neue Ingenieure braucht das Land von Alexander Zehnder

Die Sorgen unseres Herrn Präsidenten scheinen mir nicht unbegründet. Die Trennung von Lehre und Forschung, die seit einiger Zeit schon an der ETH herrscht, habe ich nicht nachvollziehen können. Muss doch der Ingenieur in seinem Alltag ständig forschen und sollte das in seiner Grundausbildung auch methodisch lernen. Ebenso habe ich nicht nachvollziehen können, wieso an den Fachhochschulen nur angewandte Forschung betrieben werden soll und keine Grundlagenforschung.

Der Rückzug der breit gelagerten Wahlvorlesungen – mit einem Paul Feyerabend und Adolf Muschg – war eine weitere traurige Einschränkung des Kulturbegriffes beim Ingenieur. Ich erinnere daran, dass der Architekt des Hauptgebäudes, Gottfried Semper, mühelos sowohl ein doppeltes Integral lösen wie auch die Polychromie der griechischen Tempel erklären konnte. Eine solche weitere Fassung des Ingenieurs als Kulturmensch steht einer starken fachlichen Konzentration und Einschränkung gegenüber.

Die widerstandlose Aufnahme des Bachelor- und Master- Titels an den Schweizer Hochschulen ist für einen eingefleischten Ingenieur nicht so einfach zu verkraften. Neben der etwas komischen weiblichen Form dieser Ausdrücke, die sicher auch gefordert werden wird, so z.B. die besonders sinnträchtige Anrede „Frau Bachelorin“, ist die Aufgabe des Berufstitels „Ingenieur“ für den Beruf degradierend. Zum Glück kann man bei der FEANI ( der europäischen Vereinigung der nationalen Ingenieure ) immer noch den Titel „Euroingenieur“ erwerben, wenn Ausbildung und Praxis diesem Titel entsprechen.

Karl Schmid, Rektor der ETH und ab 1969 Präsident des Schweizerischen Wissenschaftsrates, schrieb bereits 1975 in seinen „Standortbestimmungen“: „Dass die industrielle Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit im Zusammenhang steht mit der Qualität der schweizerischen Wissenschaft und Forschung, ist im Volk wenig bekannt“. Wenn Alexander Zehnder heute Sorgen für eine „nachhaltige Zukunft“ des Schweizer Ingenieurs hat und mehr unternehmerisches, mutiges und ingeniöses Unternehmertum fordert, so hat er sicher Recht. Wenn wir an Ingenieure wie Favre, den Ingenieurzimmermann Coray oder eben Gottfried Semper denken, die eine „grenzüberschreitende“ Tätigkeit in jeder Hinsicht suchten, fachlich und territorial, so scheint mir der heutige Schweizer Ingenieur, der ja nicht einmal mehr Ingenieur ist, sondern höchstens Master oder Bachelor, fachlich und kulturell sehr eingeschränkt. Wenn der Schweizer Ingenieur in der Welt wieder eine nachhaltige Chance haben will, muss er seine heutige Enge erweitern, kulturell, sprachlich, fachlich und menschlich. Damit nähern wir uns wieder dem Bild des Ingenieurs Ende des 19. Jahrhunderts: polytechnisch, polyglott und polykulturell, unternehmerisch und risikofreudig. Damals war der Aufbruch lediglich kontinental, heute ist es der Aufbruch in die Welt. Die Schweizer Industrie hat das schon längst begriffen, der Schweizer Ingenieur und seine Ausbildner sollten das so schnell wie möglich nachvollziehen.





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