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Rubrik: Forum
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Publiziert: 23.02.2001 17:00

NULL Frauen
Male and/or female test persons?

Von Frank Degenhardt

Liebe Frau von Salis,

ich arbeite bei einer dieser furchtbaren Pharma-Firmen, denen es angeblich zu umstaendlich ist, neue Medikamente auch an Frauen zu testen. Ich moechte Sie einlanden, ein wissenschaftliches Experiment durchzufuehren, um die von Ihnen verbreitete Hypothese zu testen.

Bitte versuchen Sie es einmal selbst: Suchen Sie per Inserat Testpersonen beiderlei Geschlechts, fuer Tests mit einem neu entwickelten, bislang in der Schweiz nicht zugelassenen Medikament.

Meine Prognose: Es werden sich genau NULL Frauen melden.

Ich werde mich allerdings hueten, daraus eine aehnlich simple Hypothese zusammenzuschustern, und zum Beispiel behaupten, Frauen seien an zuverlaessig getesteten Medikamenten im Besonderen und medizinisch-pharmazeutischem Fortschritt im Allgemeinen eben grundsaetzlich nicht interessiert.

Vielleicht moechten Sie sich ja selbst gerne einmal fuer solche Tests zur Verfuegung stellen?

Mit freundlichem Gruss,

Frank Degenhardt

Christina Jahn, jahn@tech.chem.ethz.ch schrieb folgendes

am Freitag 23. Feb. 2001, 16:30 Uhr

Lieber Herr Degenhardt,

Ich möchte gerne zwei Kommentare zu Ihrem Leserbrief loswerden.

1. Sie prognostizieren lediglich, wie sich Frauen verhalten werden, wenn sie angefragt würden. Daraus schliesse ich, dass Sie überhaupt nie einen Versuch unternommen haben, Frauen als Probandinnen zu finden. Aus einer Prognose eine Hypothese "zusammenzuschustern" halte ich tatsächlich für etwas gewagt und bin froh, dass Sie dies nicht tun.

2. Sie kommentieren Frau von Salis Brief in einer Art und Weise, als gehe es lediglich um eine Freiwilligkeit der medizinischen Forschung und Zulassungspraxis, ob Medikamente an Männern UND Frauen getestet werden. Und als müssten die Tests abhängig von den sich findenden Probanden durchgeführt werden. Das wirklich skandalöse (und in den USA offensichtlich längst nicht mehr zulässige) ist doch, dass wir Medikamente zulassen, von denen wir nicht wissen, ob sie nicht vielleicht doch für die Hälfte der Menschen unbekannte Nebenwirkungen haben. Warum gibt es in der Schweiz nicht längst die Pflicht, Medikamente an einer breiteren Bevölkerungsgruppe zu testen?

3. Ich stelle mich gerne als Probandin zu Verfügung und hätte dies auch schon längst getan, wenn ich Anzeigen gefunden hätte, die auch Frauen suchen (ganz selten ist dies an der UNI Zürich oder der ETH der Fall, nach meiner Erfahrung aber in maximal 5% der Versuche und in der Regel geht es dort um eher physikalische Tests).

Mit freundlichen Grüssen

Christina Jahn

Caroline Stein schrieb folgendes

am Freitag 23. Feb. 2001, 15:23 Uhr

Ich war erfreut den Artikel von Frau von Salis zu lesen, denn mir ist auch schon aufgefallen, dass bei medizinischen Versuchen oft nur männliche Personen gesucht werden.

Die Begründung, Männer hätten einen stabileren Hormonspiegel, mag ja aufs erste ganz plausibel klingen. Aber sollten die Frauen nicht gerade deswegen, weil sie unterschiedlicher auf die Medikamente reagieren, unbedingt in die Untersuchungen miteinbezogen werden?

Mir erscheint eine Untersuchung, die ausschliesslich mit männlichen Probanden durchgeführt wurde, etwa gleich aussagekräftig, wie eine Statistik, bei der diejenigen Werte, die dem Verfasser nicht ins Konzept passen, herausgestrichen wurden! Ich denke, dass es mit etwas gutem Willen durchaus möglich sein sollte, auch die Frauen in medizinische Untersuchungen einzubeziehen.

Die Bedenken die Herr Degenhardt in seinem Feedback äussert, kann ich nicht ganz teilen, und ich frage mich, ob er selbst schon die Erfahrung gemacht hat, oder ob das einfach eine aus der Luft gegriffene Hypothese ist. Es könnte durchaus sein, dass das Echo der Frauen geringer wäre, als es bei den Männern ist. Aber vielleicht sollte man es überhaupt erst versuchen! Welche Frau meldet sich schliesslich auf ein Inserat, in dem steht, dass nur Männer gesucht werden???

Caroline Stein

Marina Battaglia, mabattag@student.ethz.ch schrieb folgendes

am Freitag 23. Feb. 2001, 14:48 Uhr

Ich kann Frau von Salis nur voll zustimmen. Was das Feedback von Herrn Degenhardt betrifft: ich habe schon oft Flyers von Pharmafirmen oder der Uni Zürich am ETH Anschlagbrett gesehen, die mich interessiert hätten. Aber als Frau braucht man gar nicht weiter zu lesen, weil unter den Bedingungen zur Teilnahme mit Sicherheit etwas wie "nur männliche Teilnehmer steht". Folglich lese ich entsprechende Infos gar nicht mehr, auch wenn ich durchaus nicht abgeneigt wäre, einmal an einer solchen Studie teilzunehmen. Ich weiss ja nicht, wie es anderen Frauen geht...

Marina Battaglia

Hanno Würbel, hanno.wuerbel@inw.agrl.ethz.ch, Nutztierwissenschaften, schrieb folgendes

am Sonntag 25. Feb. 2001, 19:19 Uhr

Prof. Katharina von Salis made an important point by questioning common practice to restrict drug testing to a non-representative sub-population (young, healthy men) of future consumers. A similar flaw applies to most animal experiments. For example, in order to study the function of a specific receptor in the brain, the gene for that receptor may be knocked out and the effect on behaviour assessed in a sample of mice - usually young, healthy males.

However, it is not only the standard sex and age of the animals that is worrying when such a general question is approached. It is also that the animals usually share an identical genetic background (genetic standardization) and have been reared under identical environmental conditions (environmental standardization). Although the concept of standardization is fundamentally at odds with biological thinking, it has become a hallmark of good laboratory practice in animal experimentation. It serves to reduce variation within and between study populations in order to increase reproducibility of results.

But: do we really want to spend huge sums of research money for findings that reproduce well, but only within a specific brand of genetically homogeneous animals that have lived through a standardized sequence of environmental events?

It came as a shock for the scientific community when three scientists published a paper in Science two years ago, reporting that one and the same experiment produced fundamentally different results in three different labs, although they had standardized everything that can possibly be standardized across labs (Crabbe et al. 1999). The question may therefore be raised: how many experiments that are conducted at ETH have the potential to produce truely informative results? Well, to speak with Prof. von Salis: who wants to know?

Literature:

Crabbe et al. 1999. Genetics of Mouse Behavior: Interactions with Laboratory Environment. Science 284, 1670-1672.

Hanno Würbel





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