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Rubrik: Interview der Woche
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Publiziert: 22.12.2000 06:00

Rück- und Ausblick mit ETH-Rektor Konrad Osterwalder
"Ein Bachelor ist nicht ein Bachelor"

Mit den eingeleiteten Massnahmen im D-GESS hat die ETH ein Bekenntnis abgelegt für die Geisteswissenschaften, meint Konrad Osterwalder im Jahresendgespräch mit ETH Life. "Ein Bachelor ist nicht ein Bachelor", sagt der Rektor weiter, und macht damit klar, dass auch der neue ETH-Studiengang ein Gütezeichen sein wird.

Von Roman Klingler

Im Winzer-Jargon, war 2000 für Sie ein schlechter, durchschnittlicher oder guter Jahrgang?

Für mich ist das abgelaufene Jahr ganz eindeutig ein überdurchschnittlicher Jahrgang gewesen, die Oechslegrade sind weit über 100. Wenn wir das, was wir eingebracht haben, noch gut keltern, dann gibt es einen guten Wein.

Und was konkret macht die hohen Oechslegrade aus?

Es herrschte im vergangenen Jahr eine grosse Dynamik an unserer Schule, nicht einfach um der Aktion willen, sondern man packte Probleme an, die schon lange anstanden.

Was war der grösste Aufsteller für Sie?

Das Projekt mit dem Departement für Geistes-, Sozial- und Staatswissenschaften (D-GESS), das gut angelaufen ist. Es verlangt viel von den Fachdepartementen wie auch vom D-GESS selber. Es wird von überall her unterstützt.

Meinen Sie damit den neuen interdisziplinären Doktortitel?

Nicht nur, das Projekt D-GESS besteht aus verschiedenen Bausteinen. Zum einen geht es darum, Sozial- und Geisteswissenschaften obligatorisch in alle Fachstudiengänge einzubauen. Das ist passiert.

Zweitens geht es um die neue Doktoratsverordnung, die seit kurzem in Kraft ist. Allerdings mit der kleinen Enttäuschung, dass wir den neuen interdisziplinären Titel nicht einführen konnten.

Drittens werden wir zwei "prime time" Zeitfenster für GESS-Vorlesungen festlegen, untertags, damit diese Vorlesungen für die Studierenden noch attraktiver werden.

Ist das als Bekenntnis für die Geisteswissenschaften zu verstehen, dass Sie das Umbauprojekt D-GESS als Ihr Highlight bezeichnen?

Sicher ist es ein Bekenntnis zur Tatsache, dass ein Ingenieur oder eine Naturwissenschafterin in der heutigen Welt ein ungebrochenes Verhältnis zu den Sozial- und Geisteswissenschaften haben muss.

Was hat Sie am meisten enttäuscht?

Es gab keine wirklich grossen Enttäuschungen. Etwas enttäuscht bin schon über die Ablehnung des neuen Doktortitels (Dr.sc) durch den ETH-Rat, ich hatte wirklich nicht damit gerechnet.

Konrad Osterwalder
Rektor K. Osterwalder: "Etwas enttäuscht bin ich schon über die Ablehnung des neuen Doktortitels." gross

Apropos, wann kommt dieser Titel?

Die Verordnung wurde ja trotzdem schon in Kraft gesetzt. Jetzt müssen wir uns mit Lausanne koordinieren, und dann dem ETH-Rat einen neuen Vorschlag unterbreiten. Er hat uns eine Zeitlimite von Juni nächsten Jahres gesetzt. Das kommt also relativ rasch.

Beschlossene Sache ist ja auch, dass ab 2001/2002 ein Bachelor- und Masterstudiengang an der ETH eingeführt werden soll. Was sagen Sie denen, die eine Nivellierung der Ausbildungsqualität befürchten?

Es ist überhaupt noch nicht beschlossene Sache. Die Schulleitung steht zwar geschlossen hinter dem Projekt, aber es müssen noch verschiedene Entscheide gefällt werden, die zum Teil ausserhalb des Kompetenzbereiches der Schulleitung liegen.

Wir haben im Moment ein Pilotprojekt für den Studiengang Elektrotechnik, wo die Vorschläge in Vernehmlassung sind. Da braucht es einen Grundsatzentscheid des ETH-Rates, damit wir neue Titel überhaupt verleihen dürfen.

Was die Nivellierung betrifft, habe ich nicht die geringsten Bedenken. Vielleicht haben gewisse Politiker das Gefühl, mit einem Bachelor von irgendwo könne man ohne weiteres in ein Masterprogramm von irgendwo einsteigen. Aber davon kann keine Rede sein. Ich sage bei dieser Gelegenheit jeweils: "a bachelor is not a bachelor", das heisst es kommt sehr wohl darauf an, wo man den Bachelor gemacht hat und was er beinhaltet.


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Konrad Osterwalder
Rektor K. Osterwalder:"Es kommt sehr wohl darauf an, wo man den Bachelor gemacht hat und was er beinhaltet." gross

Wie lange wird der Bachelor- respektive Master gehen?

Wir haben uns schon auf gesamtschweizerischer Ebene in der Hochschulrektorenkonferenz Gedanken gemacht, wie das Ganze aussehen könnte. Was die Dauer betrifft, so geht man für den Bachelor von drei Jahren aus, für das Master-Programm von ein bis zwei Jahren. Das ist übrigens in Uebereinstimmung mit dem, was die Bologna-Erklärung verlangt.

Was halten Sie von der Idee, ein Praktikum fest in die Studienpläne einzubauen?

Es gibt ja schon verschiedene Studiengänge, die ein solches Praktikum als Obligatorium kennen, vor allen in den Ingenieurwissenschaften. Es ist aber nicht für alle Studiengänge gleich wichtig, und ich fände es falsch, wenn wir ein Praktikum nun für alle Studiengänge vorschreiben würden.

Haben Sie eine Erklärung für die geringe Nachfrage von ETH-Studierenden nach einem Auslandpraktikum?

Es gibt verschiedene Gründe dafür. Erstens sind unsere Studiengänge sehr straff organisiert und -, unsere Studierende wissen und schätzen es,- ein Qualitätszeichen unserer Schule sind die kurzen Studienzeiten. Wenn man nun einen Auslandaufenthalt ins Studium einbaut, hat man Bedenken, dass man dadurch ein Semester verliert.

Zweitens werden nicht in allen Departementen die im Ausland erbrachten Studien- und Lernleistungen gleich grosszügig angerechnet. Unsere Regel ist die, dass die Studien an einer ausländischen Gastuniversität mit einem Mobilitätsberater abgesprochen werden, bevor der oder die Studierende ins Ausland geht. Da wird festgelegt, was alles angerechnet wird und wie. Nicht alle Departemente handhaben das gleich grosszügig.

Drittens haben wir in Europa noch keine Harmonisierung der akademischen Kalender. Gerade vor dem dritten Studienjahr, das sich für ein Gaststudium anbietet, machen unsere Studierende das zweite Vordiplom. Das heisst, sie sind bis Ende Oktober in den Prüfungen. Und dann haben in vielen Universitäten im Ausland die Semester längst begonnen.

Bleiben vermehrte Auslandstudien also Wunschdenken?

Ich glaube, dass die Anzahl Studierender, die einen Teil ihrer Studien im Ausland absolvieren, sehr rasch zunehmen wird. Es hängt eben auch vom Arbeitsmarkt ab. Wenn man feststellt bei der Jobsuche, dass Auslanderfahrung ein ernsthaftes Kriterium ist für die Arbeitgeber, dann werden die Leute automatisch vermehrt ins Ausland gehen.

Sie leisten ja eigentlich die harte Knochenarbeit, der Glamour fällt oft auf andere ab. Wurmt Sie das nie?

Nein, überhaupt nicht. Mich freut es, wenn ich sehe, dass eine Idee, die ich mitentwickelt habe, erfolgreich umgesetzt wird. Der Rest ist mir egal.

Wie verbringen die Festtage?

Ich habe eine lange Leseliste, dann sollte ich noch einige Sachen schreiben. Ich hoffe, dass mir zwischendurch noch Zeit bleibt, über gewisse Dinge nachzudenken, für die ich im täglichen "Alltags-Gstrütt" keine Zeit habe.

Und welches sind diese Probleme?

Es soll ein neuer Artikel in die Verfassung kommen, der den universitären Bereich neu regelt, das heisst dem Bund neue Kompetenzen gibt. Ich glaube, das ist ein Problem, über das man gut nachdenken muss. Ich werde das tun, auch wenn meine Meinung nicht speziell gefragt ist, und dazu habe ich mir auch die nötige Literatur beschafft.

Das tönt nicht sehr besinnlich?

Das ist Be-Sinnen auf gewisse Probleme

Welche grossen Brocken stehen für 2001 an?

Es ist einerseits die weitere Umsetzung des Projektes im D-GESS. Dann wird die Einführung des Bachelor- und Master bald einmal sehr aktuell. Ein revidiertes ETH-Gesetz ist in der Pipeline und die Zusammenarbeit mit der Uni Zürich soll in verschiedenen Bereichen noch einmal gewaltig ausgebaut werden.




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