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Rubrik: Interview der Woche
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Publiziert: 15.12.2000 06:00

Auslanderfahrung als Plus bei Stellenbewerbung
Praktikum als Obligatorium

Wer bei Novartis in der Forschung arbeiten will, muss ein Praktikum im Ausland vorweisen können. Für den zuständigen Mann bei Novartis Pharma AG in Basel, René Zbinden, ist klar: die Schweizer Hochschulen sollten nach dem angelsächsischen Modell das Praktikum zum festen Bestandteil der Studienpläne machen.

Von Roman Klingler

Was bringt es Studierenden, vor Abschluss des Studiums ein Praktikum zu machen?

Erstens erweitert es den Horizont eines jeden Studenten, er sieht in die Praxis rein. Aus Sicht einer international tätigen Unternehmung finden wir es wichtig, dass interkulturelle Beziehungen möglichst früh gelernt und gepflegt werden.

Auf jeden Fall ist es ein Pluspunkt bei einer späteren Bewerbung. Bei Novartis beispielsweise ist ein Auslandpraktikum ein Muss für eine Anstellung in der Forschung. Die Hürde bei uns in der Forschung ist relativ hoch.

Und was bringt es dem Unternehmen?

Einerseits tragen Praktikanten den Namen unserer Firma in die Welt hinraus. Anderseits ist es für uns eine gute Rekrutierungsbasis. Die Leute fühlen sich während des Praktikums unbeobachtet und wir können natürlich schon mal gute Leute so vormerken.

Wie kommen Sie zu Ihren Praktikanten?

Zum Teil über Professoren und Hochschulen, mit denen wir im direkten Kontakt stehen. Zum Teil auch über spontane Bewerbungen von Studierenden. Dann arbeiten wir ja mit der IAESTE (1) zusammen, indem wir rund zehn Prozent der Plätze der IAESTE abgeben.

Und wie gehen Sie konkret vor?

Im November klären wir jeweils bei unseren Linienverantwortlichen ihren Bedarf ab. So wissen wir, wie viele Stellen wir wo offerieren können. Das offene Platzangebot geht dann unter anderem eben an die IAESTE, die ihrerseits geeignete Leute auswählt und uns vermittelt. Bis März, April haben wir dann die "definitiven Bestellungen" für die Praktikumsplätze.

Woher kommen die Praktikanten?

Nur ein kleiner Teil kommt aus der Schweiz. Wenn Schweizer Studenten sich melden, dann wollen sie zwei, drei oder vier Wochen zu uns kommen. Das ist zu kurz. Gerade in den Bereichen Forschung und Entwicklung braucht es eine gewisse Zeit, damit man sich zurechtfindet. Andere Länder, allen voran die angelsächsischen Länder, sehen in ihren Studiumsplänen ein Praktikum vor. Studierende machen dort zwei Jahre Uni, dann folgt ein Jahr Praktikum, worauf sie noch einmal für zwei Jahren zurück an die Uni gehen.

Dieses System ist für uns natürlich ideal, darum haben wir auch die meisten Praktikanten aus englischsprachigen Ländern, es gibt aber auch eine grössere Anzahl Studierender aus Europa, vor allem aus Deutschland und Frankreich, die in Basel ein Praktikum absolvieren.

Warum interessieren sich so wenig Schweizer Studierende für Ausland-Praktika?

Wir stellen fest, die Schweizer Studierenden würden gerne nach Amerika oder England gehen. Plätze, die beispielsweise in Asien oder in Südamerika frei wären, ziehen offenbar weniger. Die Schweizer Studierenden sind in dieser Hinsicht etwas gar wählerisch. Zu Unrecht, denn die Bereicherung ist jedenfalls da. Einmal sich mit einer anderen als der zentraleuropäischen Sicht auseinanderzusetzen, kann nur gut tun.


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Forschung bei Novartis
Auslandpraktikum: eine Voraussetzung, wer bei Novartis in der Forschung arbeiten will.

Haben Sie auch ETH-Studierende in Basel?

Nur vereinzelt, es waren schon Studierende der Informatik bei uns. Oft scheitert es eben an der Kürze des Praktikums, das diese wünschen.

Was zahlen Sie den Praktikanten?

Wir zahlen Ihnen eine Entschädigung von 1800 Franken, dann kommt noch eine Zimmerentschädigung von 400 Franken dazu.

... also billige Arbeitskräfte für Novartis?

Nein, das ist nicht unser Ziel. Bei der Anstellungspraxis unterscheiden wir klar zwischen Ausbildungsplätzen und Arbeitsstellen. Das Praktikum hat klar Ausbildungscharakter.

Wenn Sie marktgerecht sein wollten, dann müssten Sie den Informatikern deutlich mehr zahlen?

Nein, das wollen wir nicht mehr. Wir haben das zwar in der Vergangenheit bei den Informatikern mal gemacht, aber dies schnell wieder abgeschafft. Schliesslich geht es um eine Ausbildungsstelle, es ist keine Arbeitsstelle, das soll man nicht vermischen. Und deshalb sollen der Informatiker, der Pharmazeut oder der Mediziner das Gleiche bekommen. Alle sind ja in etwa im gleichen Alter.

Was würden Sie der Schweiz empfehlen aufgrund ihrer Erfahrungen?

Ein Appell an die Schweizer Hochschulen, Auslandpraktika zu unterstützen und zu fördern. Ja ich gehe noch weiter, ich finde, die Studienpläne in der Schweiz müssten analog zum angelsächsischen Modell das Auslandpraktikum als festen Bestandteil des Studiums vorsehen.

Wie entlassen Sie die Praktikanten?

Wir geben Ihnen zu Beginn einen Fragebogen ab, den Sie uns am Ende des Praktikums abgeben und darauf Ihre Beurteilung vornehmen. Dazu gibt es ein kurzes Gespräch bei uns in den Räumen der Human Resources. Wenn es negativen Sachen gibt, was selten vorkommt, dann wollen wir diese sofort klären. Es kann nicht in unserem Sinn sein, Leute mit negativen Gefühlen aus dem Praktikum zu entlassen.


Bis 3000 Anfragen

René Zbinden ist Manager der Human Resources bei der Novartis Pharma AG. Er ist zuständig für die jährlich 250 bis 300 zu vergebenden Praktikumsplätze im Raum Basel. Anfragen gehen zwischen 2000 und 3000 ein. Das heisst, nur jeder 10. Interessent bekommt auch einen Platz. Die Mindestdauer des Praktikums liegt bei drei Monaten, maximal dauert es ein Jahr. Berücksichtigt werden Studierende, die mindestens fünf bis sechs Semester hinter sich haben. Novartis ist Partner der IAESTE




Literaturhinweise:
Informationen zu Praktika im Ausland unter: http://www.iaeste.ch
siehe auch Artikel Zu viele Hürden

Fussnoten:
(1) IAESTE (International Association for the Exchange of Students for Technical Experience)



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