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Rubrik: Interview der Woche
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Publiziert: 16.02.2001 06:00

Mario Molinas Überzeugungsarbeit in Mexiko-Stadt
Endlich die Vulkane wieder sehen

Mario Molinas und Adrian Fernandez arbeiten zusammen an der Verbesserung der Luftqualität in Mexiko-Stadt. Der erste ist Nobelpreisträger in Chemie und der zweite Generaldirektor im nationalen Institut für Ökologie von Mexiko. Beide waren Konferenzteilnehmer an der letzten AGS-Tagung, die von der ETH mitorganisiert wurde.

Von Richard Brogle

Herr Molina, als Jugendlicher haben Sie die Schweiz als Austauschschüler kennen gelernt. Woran erinnern Sie sich noch?

Ich ging etwa eineinhalb Jahre in St. Gallen zur Schule. Mit Deutsch hatte ich am Anfang einige Mühe. Hingegen habe ich mich bereits mit elf Jahren sehr für Naturwissenschaften interessiert - ganz im Gegensatz zu meinen Kollegen in Mexiko. Daher hoffte ich, in Europa Gleichgesinnte zu finden. Aber meine Schweizer Kollegen waren genau so wenig an Naturwissenschaften interessiert wie meine mexikanischen Freunde. Ich war also etwas enttäuscht. Aber sonst habe ich schöne Erinnerungen an die Schweiz.

Herr Fernandez, sie arbeiten zusammen mit Professor Molina an einem Forschungsprojekt zur Verbesserung der Luftqualität in Mexiko-Stadt. Wer ist verantwortlich für die Luftverschmutzung?

Rund 70 Prozent stammen vom Verkehr. So produzieren die Privatautos, die rund 100'000 Stadtbusse und die rund 100'000 Taxis zusammen mehr als 80 Prozent der Substanzen, die für die Ozonbildung verantwortlich sind. Die Luftverschmutzung durch Partikel hingegen wird in erster Linie durch Dieselfahzeuge wie Busse und Lastwagen verursacht. Es kommt also darauf an, welche Art von Verschmutzung wir betrachten.

Herr Molina, was kann man gegen die Luftverschmutzung tun?

Es gibt verschiedene Ansätze. Eine Möglichkeit ist die gezielte Förderung des öffentlichen Verkehrs, um die Leute zum Umsteigen zu bewegen. Es gibt in Mexiko beispielsweise erst wenige Strassen mit speziellen Spuren für den öffentlichen Verkehr. Dies müsste ausgebaut werden.

Wichtig sind auch die Abgasvorschriften, die nur umgesetzt werden können, wenn sie von der Bevölkerung unterstützt werden. Die Regierung hat bereits wichtige Massnahmen eingeleitet. Es gibt aber Vorschriften, die nicht umgesetzt werden konnten, da die Öffentlichkeit nicht mitzog. Verlangen wir etwa eine Gebühr für das Befahren des Zentrums, so trifft dies die ärmsten Bevölkerungsschichten am stärksten.

Fernandez: Rauchen ist viel gefdhrlicher als die Luft in Mexiko.
Fernandez: Rauchen ist viel gefährlicher als die Luft in Mexiko-Stadt. gross

Herr Fernandez, wie kann Ihnen Professor Molina helfen?

Professor Molina geniesst in der Bevölkerung ein sehr hohes Ansehen. Er kann uns helfen, die Bevölkerung von der Notwendigkeit der Massnahmen zu überzeugen.

Prof. Molina: Ich muss der Bevölkerung klarmachen, dass es keine magische Lösung gibt. Manche denken, dass die Regierung ein Benzin herstellen kann, das alle Probleme löst. Dem ist nicht so. Alle müssen ihren Beitrag leisten; jeder und jede muss das eigene Auto zum Beispiel ordnungsgemäss warten.


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Molina: Manche denken, dass die Regierung ein Benzin haerstellen kann, das alle Probleme lvst.
Molina: Manche denken, dass die Regierung ein Benzin herstellen kann, das alle Probleme löst. gross

Herr Molina, wie viele Menschen sterben in Mexiko-Stadt an den Folgen der Luftverschmutzung?

Schwierig zu sagen. Aber wir kennen einige Zusammenhänge. Wenn wir beispielsweise die Luftverschmutzung durch Partikel um zehn Prozent verringern, so reduziert sich die Anzahl der Toten um einige Tausend. Dabei handelt es sich meist um ältere Personen.

Klar ist aber, das viele Menschen infolge der Luftverschmutzung erkranken und dass die Folgen für die Gesundheit schwerwiegend sind. Es gibt eine eindeutige Korrelation zwischen dem Grad der Luftverschmutzung und der Anzahl der Krankenhausbesuche. Das ist natürlich wesentlich weniger spektakulär als Tote, trotzdem ist es alarmierend.

Hr. Fernandez: Wenn ich hier kurz einhaken darf. Manchmal höre ich, dass Atmen in Mexiko-Stadt mit dem Rauchen von zwei Päckchen Zigaretten pro Tag gleichzusetzen sei. Das ist eine schöne Anekdote, die aber falsch ist. Rauchen brigt eine viel grössere Krebsgefahr.

Herr Fernandez, bis in die Vierzigerjahre war Mexiko-Stadt für seine gute Luft und die spektakuläre Sicht auf die verschneiten Vulkane berühmt. Wann werden die Bewohner von Mexiko-Stadt die Vulkane wieder sehen?

Die Situation hat sich schon wesentlich verbessert. Aber wir sind heute immer noch überrascht, wenn wir an einem der rund 20 bis 40 Tage im Jahr die Vulkane sehen. Die Luftverschmutzung muss aber weiter gesenkt werden. Wir betreiben dazu eine aggressive und nachhaltige Politik mit grossen finanziellen Aufwendungen. Wir werden trotzdem nicht jeden Tag die Vulkane sehen, aber die Sicht auf die Vulkane wird besser werden.

Herr Fernandez, gibt es Hoffnung?

Ja. Anfang der sechziger Jahre litten die Einwohner der kalifornische Mulde in den USA unter extremer Luftverschmutzung. Die Situation war wesentlich schlimmer als heute in Mexiko-Stadt. Nach der Investition von Milliarden von Dollar, der Einführung von strengsten Abgasvorschriften und Jahrzehnten Kampf hat sich die Luft verbessert. Und noch immer gibt es an jedem vierten Tag Smog. So wird es auch in Mexiko-Stadt sein. Die Luftverschmutzung kann nicht ganz zum Verschwinden gebracht werden, aber die Tage mit sauberer Luft werden deutlich steigen. Es wird aber auch in Mexiko-Stadt Jahrzehnte dauern.


Zu den Personen
Prof. Mario Molina

ist 1943 in Mexiko geboren und hat Chemieingenieurwesen studiert. 1995 hat er für die Aufklärung des Ozonabbaus (Stichwort: Ozonloch) in den oberen Schichten der Atmosphäre den Chemie-Nobelpreis erhalten. Seit 1989 ist er Professor am Massachusetts Institute of Technologie (MIT).

Adrian Fernandez

ist Generaldirektor für Management und Umweltinformation im nationalen Institut für Ökologie von Mexiko. Er arbeitet zusammen mit Mario Molina in einem Forschungsprogramm zur Verbesserung der Luftqualität.




Literaturhinweise:
Eine amüsante, kurze Autobiographie des bescheidenen Nobelpreisträgers Mario Molina: www.nobel.se/chemistry/laureates/1995/molina-autobio.html
Institut für Ökologie von Mexiko: www.ine.gob.mx
Mario Molinas Homepage am Massachusetts Institute of Technologie (MIT): http://eaps.mit.edu/molina



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