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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 22.08.2001 06:00

Gefährliches Wissen erfordert Kontrolle
Kann Machbares ungemacht bleiben?

von Dieter Imboden

Auf dem Bild in der NZZ vom 9. August sehen die drei wie Mitglieder einer Geschäftsleitung aus, welche sich ihrer unangenehmen Verantwortung bewusst sind, der Öffentlichkeit die Entlassung der Hälfte der Belegschaft zum Überleben der Firma mitteilen zu müssen. Severino Antinori mit finster entschlossener Miene, daneben seine Kollegen Michael Zavos und Brigitte Boisselier – sie haben anlässlich einer Tagung der National Academy of Sciences eben ihre Absicht kundgetan, einen Menschen klonen zu wollen, auch gegen den Widerstand der gesamten Wissenschaftswelt.

Ich kenne die drei nicht. Die Gesichter weckten weder besondere Antipathie noch das Gegenteil. Und doch lassen sie mich nicht los. Schon einige Tage liegt der Artikel auf meinem Schreibtisch. Immer wieder schaue ich das Bild an und suche nach einer Antwort: Was treibt die drei? Geld, Macht, Geltungssucht, das Gefühl, der liebe Gott zu sein – oder gar die Überzeugung, etwas Gutes für die Menschheit zu tun? Natürlich lehrt uns die Geschichte (leider), dass Wissenschaftler auch nur Menschen sind, und man für jede Tat und Untat, für jedes Gutachten und Gegengutachten Leute aus unserer Zunft findet, so wie jeder Krieg seine Waffenhändler (und gleichzeitig seine Rotkreuzhelfer) hat, jedes Geschäft seine Geldgeber... Wieso sich aufregen?

Trotzdem: Die Geschichte lässt mich nicht kalt. Ich will gar nicht erst auf die wissenschaftlichen Aspekte des Klonens zu sprechen kommen; darüber haben sich Berufenere bereits zu Wort gemeldet – fast ausschliesslich negativ, was das erwähnte Vorhaben anbetrifft. Was mich alarmiert, ist die Unverfrorenheit, mit der vor den Medien ein Vorhaben angekündigt wird, das in den meisten Ländern (soweit überhaupt schon gesetzliche Regelungen existieren) verboten wäre. Mir scheint, solche Taten zementieren in der Öffentlichkeit das undifferenzierte Bild, allen Mächtigen dieser Welt sei ohnehin nicht zu trauen, seien sie nun Politiker, Militärs, Wirtschaftsführer oder Wissenschaftler. Die Arroganz der Macht, der Kanonen, des Geldes oder des Wissens! Geht man deshalb auf die Strasse in Seattle, Davos oder Genua?

Immer häufiger sehen wir uns mit selbst geschaffenen (wissenschaftlichen, militiärischen, wirtschaftlichen) Möglichkeiten konfrontiert, welche unsere Fähigkeit, mit deren Folgen sinn- und verantwortungsvoll umzugehen, übersteigen. Immerhin haben Politik und Militär, so scheint mir, den Wissenschaftlern etwas voraus, weil sie, zumindest teilweise erfolgreich, einen Teil ihres Könnens unter Verschluss zu halten vermögen oder wenigstens geächtet haben. – Gibt es von Wissenschaftlern geschaffenes Wissen, auf dessen Anwendung auf die Dauer bewusst verzichtet wird? Oder gibt es gar Wissen, dem aus ethischen Gründen gar nie erst nachgespürt wird? Es scheint, dass das, was man tun kann, über kurz oder lang auch getan wird.


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dieter imboden
ETH-Umweltphysiker Dieter Imboden.

Wenn das die Lehre aus dem Fall ‚geklonter Mensch’ ist, dann könnte man zum voreiligen Schluss kommen, die Weichen müssten früher gestellt werden, nämlich schon bei der Schaffung des Wissens. Allerdings hätte das schmerzliche Einschränkungen bei der hochgepriesenen Forschungsfreiheit zur Folge, weil man als Forscher oft nicht weiss, was das Potential der Antworten auf gestellte Fragen dereinst sein könnte. Also bräuchte die Forscherwelt, wie bei den Militärs längstens üblich, eine Regelung über den Umgang mit gefährlichem Wissen, eine Art Genfer Konvention für die Forschung. Sollten wir, die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, nicht die Initiative dazu ergreifen, bevor irgend eine in der Öffentlichkeit losgetretene Lawine uns dazu zwingt – jene Öffentlichkeit übrigens, die wir in forschungspolitischen Reden gerne als Partner ansprechen. Darum scheinen sich die Antinoris & Co. wenig zu kümmern, aber wir sitzen mit ihnen sozusagen im selben Nest.


Zur Person

In die Rolle des Pioniers zu schlüpfen, ist Dieter Imboden, Professor für Umweltphysik an der ETH, gewohnt. Das war schon Anfang der siebziger Jahre so, als er als erster Physiker an die EAWAG (Eidg. Anstalt für Wasserversorung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz) berufen wurde. 1987 dann war er massgeblich an der Gründung des ETH-Studiengangs Umweltnaturwissenschaften beteiligt.

Bis vor zwei Jahren leitete der 57-jährige Wissenschaftler das Projekt 'novatlantis', Nachhaltigkeit im ETH-Bereich, und auch das Pilotprojekt ‘Die 2000 Watt-Gesellschaft’ geht auf seine Initiative zurück. Im vergangenen Semester war Dieter Imboden Gast am Collegium Helveticum. Dort machte er sich Gedanken über die heutige Rolle der Wissenschaftler. Sein Fazit: Will die Forschung im gesellschaftlichen Kontext Sinn machen, müsse neben ihr Wissenwollen ganz entschieden ihre Verantwortung treten.






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