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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 18.04.2001 06:00

"Verwaltung" - alles andere als ineffizient
Die im Dunkeln

Je unvollkommener also der Mensch, desto dringlicher der Griff zu neuen, das Heil versprechenden Konzepten. Die aktuelle Effizienzhysterie lässt allerdings statt schlanker Abläufe nicht selten einen Scherbenhaufen zurück: zerschlagene, über Jahrzehnte gewachsene Strukturen, die kaum oder viel schwerer - und teurer - zu ersetzen sind als angenommen. Ein Plädoyer für die stillen Dienstleister im Hintergrund, ohne die auch ein Betrieb wie die ETH nicht funktionieren würde.

Von Arnd Bätzner

Wer sich die Bestsellerlisten des Buchhandels ansieht, erkennt die Tendenz schnell: Ratgeber liegen im Trend. Und innerhalb dieser keineswegs homogenen Gruppe ist es die Subkategorie der Themen, die sich mit dem Menschen und seinem Verhalten befassen, die mit Abstand den grössten Zuspruch der Käufer finden. Dabei scheinen Ansatz und Art der jeweils umwälzend neuen Betrachtungen ebenso schnell zu wechseln wie die Farbe des Covers der Bücher, was wiederum in seltsamem Kontrast zum im Grunde stets perpetuierten Kanon der behandelten zwei oder drei Grundfragen steht. Und doch: Der alte Wein in neuen Schläuchen mundet.

Das Phänomen ist nicht nur auf das "grand public"-Segment der Titel beschränkt, sondern lässt sich auch im Wissenschaftlichen dingfest machen: Unsere Freunde von der Hochschule St. Gallen spötteln gern in der ihnen eigenen, feinen Selbstironie darüber, dass bei Abschluss ihres Studiums die gerade in Mode befindlichen Managementfibeln nach unumstösslicher zyklischer Regel die zu Beginn verwendeten abgelöst haben, so dass nicht nur ganze Stapel von Semesterarbeiten, sondern vor allem deren Inhalt weitestgehend zur Makulatur verkommen sind.

Während die neuen Sichtweisen der Unternehmens- und Menschenführung, als Theorien verpackt, wellengleich über die Häupter der Wissbegierigen in Hörsaalholzbänken und Teppichetagen hereinschwappen, bleibt von den abebbenden Vorgängern meist ein etwas schaler Nachgeschmack zurück. Outsourcing, New Public Management, Shareholder Value oder Megafusionen sind nicht mehr ganz so hippe Vokabeln, seit die Zulieferer im Streik, Firma und Aktien im Sinkflug sind oder der Vorstandsvorsitzende sich verplapperte und den "merger of equals" als schnöde Einkaufstour outete, wobei das Gegenüber im Beichtstuhl leider bei der Financial Times in Brot und Arbeit stand.

Je unvollkommener also der Mensch, desto dringlicher der Griff zum Buch, eine Rosskur jagt die nächste. Und dann gibt es noch jenen Bereich der sich lange, im weitesten Sinne unter dem Begriff "Verwaltung" zusammengefasst, im Verzicht auf solcherlei Spiel von Seiten der "Effizienten" allgemein und flächendeckend als Hort lähmender Innovationsfeindlichkeit beschimpfen lassen musste.

Während draussen flotte Floskeln wie "nur eine schnelle Entscheidung ist eine gute Entscheidung" als universalgültig erklärt wurden und in ihrem Kielwasser Verhaltensmuster wie das des "Machers" als Prototypen einer neuen gesellschaftlichen Elite definierten, bestätigten drinnen einzelne Ausnahmen wie die des sprichwörtlich faulen Neun-bis-Vier-Anwesenden die Regel einer sich Schritt für Schritt den Erfordernissen der Zeit anpassenden Institution, die oft nur weniger laut, nicht aber weniger innovationsfreudig auftrat.

Ins Wanken geriet dieser grundsätzlich effiziente Mechanismus meist nur dann, wenn die "dernier cri"-Bücher herumgereicht und die Türen so weit aufgerissen wurden, dass die erwähnten Wellen etwas zu stark hineinschwappten. Meist stand dann am Ende statt der raunenden Bewunderung der "Privaten" ein mitleidiges Lächeln, da letztere im auslaufenden Zyklus gerade die Schwächen der jeweiligen Lehrmeinung hatten erfahren müssen und sich bereits elaborierteren Ansätzen zugewandt hatten.


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VSETH Prds Bdtzner
VSETH-Präsident Arnd Bätzner

Zurück blieben, und da kehrt sich die Posse ins Ärgernis, meist zerschlagene, über Jahre und Jahrzehnte gewachsene Strukturen, deren Effizienz und deren Kostenoptimierung keine noch so feine ISO-9001-Zertifizierung auch nur ansatzweise erfassen kann. Persönliche Beziehungen, die genaue, aus Beobachtung gereifte Kenntnis der Stärken und Schwächen des Anderen und das präzise Wissen um die Art, in welchem Mass eine Dienstleistung geschneidert werden muss, kann kein externer, im Auftragsverhältnis stehender Anbieter je erfüllen. Ein Abschied von alten Gewohnheiten ist dabei kein Grund, vor allfälligen Reformen zurückzuscheuen, wohl aber ein drohender Verlust an Know-How und vor allem: an Kosteneffizienz.

Die ETH verfügt heute unter anderem über eine eigene Schreinerei, über eine eigene Webzeitung, über einen weitverzweigten technischen Dienst, über einen eigenen Internetprovider, über eine eigene Autovermietung, über ein eigenes Fernsehstudio. Über eine eigenen Computer-Reparaturstelle verfügt sie seit einem Jahr nicht mehr; um in Punkto Nutzerzufriedenheit und auch finanziell Bilanz zu ziehen, ist es noch zu früh.

Bis vor kurzem stand hinter einigen dieser Dienstleistungen, als Backup quasi, noch die gesamte logistische Kraft der Schweizerischen Armee. Auch deren Wegfall, bedingt durch Globalbudget und Teilautonomie innerhalb der Bundesverwaltung, wird sich erst nach und nach bemerkbar machen. Viele der in den letzten Jahren eingeführten Neuerungen haben sich bewährt, viele andere stehen zur Zeit auf dem Prüfstand. Eine Korrektur ist oft nur noch mit hohem Aufwand oder ganz unmöglich. Diejenigen, die auch am Freitagabend noch einen Beamer herausgeben, die im Winter morgens um halb sechs die Strassen vom Schnee reinigen oder die logistischen Dienstleistungen rund um die Raumbelegungspläne erbringen, sind voller Ideen für mögliche Optimierungen in dem, was seit Jahren ihr Handwerk ist, und bringen dies oft mit grossem Einsatz in Planungsprozesse ein. Nur müssen sie gefragt und gehört werden, vorher, während und nach den Veränderungen.

Auch die ETH verdankt einen wesentlichen Teil ihres angenehmen alltäglichen Betriebsklimas denen, die Tag für Tag im Schatten der grossen wissenschaftlichen Erfolge Zulieferdienste aller Art leisten, manchmal unerkannt, oft unbewusst. Dass von ihnen und ihrem Einsatz häufig das ganze Funktionieren einer Unternehmung abhängt, ist in der Managementliteratur übrigens seit Jahren eine Konstante. Denn man sieht nur die im Licht....


Zur Person

Arnd Bätzner wurde in Bonn/Deutschland geboren und ist im französischen Jura aufgewachsen. Er hat am Konservatorium in Genf Klavier studiert und bereitet sich zurzeit auf das Diplom in Hochenergiephysik an der ETH vor. Bätzner ist seit Herbst 1998 Präsident des Verbandes der Studierenden der ETH (VSETH).






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