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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen Olivenkranz und Muskelpillen |
Published: 01.09.2004 06:00 Modified: 02.09.2004 16:31 |
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Von Kaspar Egger Bei den Bildern aus Athen wurden bei mir Erinnerungen an Erlebnisse wach, welche mich geprägt haben. Als Nationaltrainer der Mittelstreckenläufer konnte ich in Los Angeles 1984 erstmals in dieser Funktion am grossen Fest der sportlichen Weltspitze teilnehmen. Es war die Zeit von Markus Ryffel, Peter Wirz und Pierre Délèze. Wir freuten uns über die Erfolge, ärgerten uns über den unnötigen Sturz von Pierre Délèze. 20 Jahre später - wir haben vor kurzem das Jubiläum der Silbermedaille von Markus Ryffel gefeiert - das grosse Spektakel im griechischen Athen, im Ursprungsland der Olympischen Spiele. Noch grösser, noch spektakulärer, noch gigantischer; aber auch deutlich belastet von äusseren und inneren Turbulenzen: ein Riesenaufgebot an Sicherheitskräften gegen mögliche Terrorangriffe und ein (hoffentlich erfolgreicher) Beginn des konsequenten Kampfes gegen das Doping. Wurden die Spiele glücklicherweise von kriegerischen Ereignissen verschont (in der Antike „ruhten“ jeweils während den olympischen Spielen die Kriege…), scheinen die koordinierten, engmaschigen Dopingkontrollen zu greifen - vor, während und nach den Wettkämpfen. „Wir sind nicht mehr meilenweit hinter den Dopingsündern her, sondern nur noch Meter!“, konnte der oberste Dopingfahnder der Welt, der Kanadier Richard Pound, stolz verkünden und erklärt sich dadurch als Gegner der Meinung, dass Doping frei gegeben werden sollte. Das ist gut so. Ich wehre mich vehement gegen die Idee der Befürworter einer allgemeinen Zugänglichkeit von unerlaubten leistungsfördernden Mitteln. Durch mangelnde und ungenügende Kontrollen, durch die schlechten Nachweismethoden und die lasche Bestrafung von Dopingsündern hat sich bis vor kurzem der Sport - und hier vor allem der Spitzensport - selber in einen Sumpf manövriert, aus dem zu entkommen es sehr schwierig sein wird. Deshalb stehe ich ein für rigorose und flächendeckende Kontrollen und Bestrafung der ertappten Athletinnen und Athleten. Sport darf nicht als menschliches Versuchslabor dienen. Besonders auch nicht der Spitzensport, das bestbeleuchtete Schaufenster des Sports. Das hätte fatale Folgen für die Zukunft. Einerseits für die Gesundheit der Betroffenen, andererseits für die vielen positiven Werte des Sports. Wie können Eltern ihre Kinder mit gutem Gewissen für den Wettkampfsport ermuntern und dabei unterstützen, wenn Spitzenleistungen nur mit unerlaubten Mitteln erreicht werden können? Auch im Breitensport, wo viele Wettkampfsport betreiben, hätte dies ohne Zweifel grosse Auswirkungen. Hier sind jetzt schon viele Nachahmungstäter zu finden. Das Gegenteil muss unser Ziel sein: Mit vermehrten Anstrengungen, durch Information und Prävention muss erreicht werden, dass es sich nicht lohnt, zu unfairen leistungsfördernden Mitteln zu greifen. Höchstleistungen gehören zur heutigen Zeit und in unsere Gesellschaft - im Sport, in der Kultur, aber auch in Lehre und Forschung. Es ist das gute Recht jedes Menschen, sich voll und ganz auf das Erreichen von Spitzenleistungen zu konzentrieren. Das ist nicht nur wünschenswert, sondern erforderlich, um als ganzes weiterzukommen. Im Sport ist dies besonders offensichtlich. Hier werden die damit verbundenen Eigenschaften wie der Umgang mit Sieg und Niederlage, Konzentration auf ein Ziel, Leistungswille, realistische Einschätzung, Fairness sowie Teamgedanke (ausgeprägter noch als in einer Kaderschmiede) gefordert und geschult. Wer sich auf dem Spielfeld des Sports tummelt - sei es Spitzensport oder Breitensport - hat sich den gültigen, selbstauferlegten Regeln zu unterziehen. Da liegt, im Gegensatz zu vielen andern Bereichen im Leben, die grosse Chance des Sports.
Wenn dieses Ziel annähernd erreicht wird - der Grossteil aller Athletinnen und Athleten hält sich bereits jetzt an die Regeln - haben Olympische Spiele auch in Zukunft ihre Berechtigung. Das alle vier Jahre stattfindende Treffen der sportlichen Spitze der Welt fasziniert zu Recht Millionen von Menschen. Dass in diesem Zusammenhang Fragen der Sicherheit, der finanziellen Belastung eines Landes und des stark überladenen Programms der Spiele intensiv diskutiert werden müssen, steht ausser Zweifel. Ob sich mit Peking als Austragungsort der nächsten Spiele diese Fragen schlüssig beantworten lassen, wage ich jedoch zu bezweifeln. Es ging eben schon in der Antike nicht nur um einen Olivenzweig, auch in Los Angeles nicht, trotz meinen positiven Erinnerungen, und auch nicht in Athen - trotz der schönen aufgenommenen Tradition der Olivenkränze für die Bestklassierten…
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