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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen |
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Im leeren Theater |
Von Philip Ursprung Semesterferien! Die Abgabe ist vorbei. Die Schlusskritiken sind fertig. Es ist interessant, in diesen Tagen durch die Flure des HIL-Gebäudes zu gehen. Denn dieser bald dreissigjährige Organismus zeigt nun sein wahres Wesen: Er ist eine riesige Bühne. Sobald die Akteure abgetreten sind, erscheint diese viel zu gross. Die Architektur sieht aus wie eine obsolet gewordene Kulisse. Die Flure dehnen sich endlos, die Wände sind kahl, die Treppenhäuser leer. Plötzlich scheinen überall Kabel von den Decken zu hängen, als ob das Gebäude sich nach den Strapazen der letzten Wochen erschöpft gehen liesse. Keine Rauchwolken verdecken mehr die Sicht auf die Rauchverbots-Schilder. Die Zeichensäle, die eben noch an ein "Sizilianisches Hospital" (Kurt W. Forster) erinnerten, sind verwaist. Der Beamer mit den Veranstaltungshinweisen, der seit einiger Zeit die vertrauten Anschläge und Plakate ersetzt hat, wirft ein leeres Bild an die Wand. Und selbst die Cafeteria, wo vor kurzem ein babylonisches Sprachengewirr wie auf einem Flughafen herrschte, ist wieder in der Hand der Verwaltung.
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Das ohnehin spartanische Angebot ist nun auf diejenigen Notrationen reduziert, die von der NASA einst für hibernierende Besatzungen jahrelanger Weltraumfahrten entwickelt wurden. Nur in den sogenannten Baracken, den Provisorien ausserhalb des HILs, die, wie die meisten Provisorien, noch in hundert Jahren dort stehen werden, geht das Theater weiter. Wer wie ich für längere Zeit sein Büro dort hatte, weiss, dass aus rätselhaften Gründen während der Semesterferien die Baracken nicht aufgeräumt werden. Vielleicht möchte man die Säle dort wie einen Tatort konservieren, um beweisen zu können, dass gearbeitet wurde. Vielleicht möchte man die Studierenden dazu erziehen, die angeknabberten Pizzen, die umgekippten Pappbecher und die Lachen aus Kunstharz selber zu entsorgen. Ich war jeweils während der Semesterferien Zeuge, wie Modelle nach der Abgabe weiterleben. Feine Schichten von Schimmelpilz überziehen sie, ätzende Flüssigkeiten verformen und verfärben sie solange, bis sie jene spezielle Aura der Zersetzung ausströmen, die daran erinnert, dass auch Architektur nicht für die Ewigkeit gebaut ist. |
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Die ETH-Life-Kolumnisten äussern ihre persönliche Meinung. Diese muss nicht mit der Haltung der Redaktion übereinstimmen. | |||||||
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