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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 09.04.2003 06:00

Zeitverschwendung

Von Barbara Orland

Schreiben Sie möglichst persönlich, und gerne die ETH betreffend! So lautete die Anfrage. Die Offerte, für einige Monate Kolumnistin von ETH-Life zu werden, will gut genutzt sein. Also befragte ich mich, was gefällt mir an meinem Lebensabschnitts-Arbeitgeber, was hingegen findet meine Kritik? Könnte von allgemeinem Interesse sein, dass im jüngst begonnenen Semester die Online-Lehre der Technikgeschichte überwältigenden Zuspruch unter den ETH-Studierenden findet? Gibt es etwas dringlicheres, was öffentlich besprochen werden sollte? Soll ich zur Universität im Krieg Stellung nehmen? Oder lieber zu den Engpässen im ETH-Budget?

Nein, das Semester ist noch zu frisch - während der Krieg schon wieder zu lange dauert. Helvetische Finanzmiseren sind Klagen auf hohem Niveau, und Kommentare ohne Sachverstand werden sowieso zu viele unaufgefordert abgegeben. Ich will nicht die Zeit meiner Leser (und meine eigene) damit verschwenden, mehr oder weniger geistreich die Geschäfte des Alltages zu kommentieren. Von der Gegenwart mich abwendend stelle ich mir lieber die Frage, was würde ich gerne an der ETH erleben? Was könnte als Bereicherung nicht schaden? Wen hätte ich gerne noch kennengelernt? Als Historikerin mit notorischem Blick in die Vergangenheit kommt mir sofort ein Name in den Sinn, und das Bedauern, nicht zwischen 1980 und 1990 an der ETH gewesen zu sein.


Zur Person

Sie betreibe die Geschichte der Technik als "historische Konfliktforschung", sagt Barbara Orland, seit 1999 Oberassistentin am ETH-Institut für Geschichte. Zuvor lehrte und forschte sie vor allem an der TU Berlin und der Ruhr-Universität Bochum sowie am Deutschen Museum München. Zur Technikgeschichte kam sie über ihre Doktorarbeit zur Sozial- und Technikgeschichte der Wäscherei seit dem 18. Jahrhundert. So weit gefasst ihre Interessen sind: sie kreisen alle um das Thema "Technisierung des Privaten durch Medizin- und Biowissenschaften". - Was macht die Technik denn so konfliktträchtig? Neue Technologien bringen oft das Werte- und Wahrnehmungsgefüge ins Wanken, sagt Barbara Orland - man nehme bloss die heutige Stammzell- und Klondiskussion mit ihren unabsehbaren Weiterungen.




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Barbara Orland, Oberassistentin am ETH-Institut für Geschichte

In dieser Dekade lehrte Paul Feyerabend jeweils im Herbstsemester in Berkeley und im Sommersemester an der ETH Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsphilosophie. Am 11. Februar 1994 ist Feyerabend im Alter von 70 Jahren einem Krebsleiden erlegen. Ich habe ihn nie gehört, doch einige seiner populärsten Publikationen „Wider den Methodenzwang" (1975), "Erkenntnis für freie Menschen" (1977), oder "Irrwege der Vernunft" (1991), stehen auch in meinem Bücherregal. Nun weiss ich, wozu mir diese Kolumne dienen soll.

Es liegt mir völlig fern, in den nächsten Monaten ein umfassendes Portrait dieses „Anarchisten im Professorengewand“ zu zeichnen. Noch viel weniger soll die Kolumne dazu dienen, eine Einführung in die Wissenschaftsphilosophie des Paul Feyerabend zu geben. Eingedenk der Feyerabendschen Ermunterung, sich - egal auf welchem Gebiet - seines eigenen Verstandes ohne Rücksicht auf die Normen der herrschenden Meinung zu bedienen, werde ich diese Kolumne vielmehr für eine Feyerabend-Lektüre zum Feierabend nutzen. Ganz nach Belieben sollen die Texte des Enfant terrible der Philosophie dann als Stichwortgeber für meine eigenen Überlegungen herhalten.

Feyerabend hat seiner Autobiographie mit kokettem Understatement den Titel „Zeitverschwendung“ gegeben. Die Lektüre seiner Schriften verdient gewiss nicht diesen Titel. Ob die Kolumne am Ende eine solche war, bleibt abzuwarten.




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