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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen |
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First Impressions |
Von Gudela Grote Seit Anfang März bin ich in London, wo ich das Sommersemester verbringen werde. Gewählt habe ich London für mein Sabbatical als Stadt, als Teil von Grossbritannien und als Teil einer akademischen Kultur. Dies sind drei Blickwinkel, die mich alle gleichermassen faszinieren: Eine riesige Stadt, die doch aus vielen „Dörfern“ besteht; ein Land, das heftigst mit der Privatisierung auch der allerletzten Enklaven staatlicher Dienstleistung experimentiert; ein akademisches Umfeld, das ein Höchstmass an Leistungsdenken und Konkurrenz mit grosser Kooperationsbereitschaft verbindet. Leider wurden meine ethnographischen Erkundungen zunächst durch sehr fundamentale Schwierigkeiten behindert. So musste ich feststellen, dass trotz aller Globalisierung das Laden einer englischsprachigen Version eines Betriebssystems in einem in der Schweiz gekauften und mit sonst deutschsprachigen Versionen von Software bestückten Computer zum totalen Crash führt. Dieser erstaunliche Nationalstolz meines Computers hat dann erst einmal alles Arbeiten und Denken lahmgelegt.
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Ein wenig Dorf – so viele hübsche zwei- und dreistöckige Wohnhäuser so nahe an der Innenstadt gibt es wohl in keiner anderen Grossstadt , einiges an akademischer Offenheit – wo sonst wird man in einem ersten Gespräch mit einem bis anhin nicht persönlich bekannten Lehrstuhlinhaber zur nächsten „data session“, in der die neuesten Befunde intern diskutiert werden sollen, eingeladen, und einiges an Wundern der Privatisierung habe ich dennoch schon erlebt. Bahnpreise, die fast stundenweise ändern, und Fahrpläne in rauhen Mengen von jedem Unternehmen, das auch noch einen Zug nach irgendwo betreibt; Busse, die grundsätzlich zu den Hauptverkehrszeiten gar nicht oder so voll mit Passagieren verkehren, dass sie nirgendwo mehr halten, und natürlich die Telefonanbieter, die noch ein wenig verschachteltere Angebote machen als in der Schweiz. Dazu noch all die Angebote in den Läden für jeglichen Bedarf des Lebens, wo jeweils 3 für den Preis von 2 zu haben sind, obwohl man doch eigentlich nur ein Was-auch-immer haben wollte; Photos, die in vier Geschwindigkeiten entwickelt werden, wobei ein Film umsonst dazu geliefert wird, wenn man die beiden schnelleren Varianten wählt, da kann man doch gar nicht anders als die Bilder schnell haben wollen; und eine unübersehbare Menge an winzigen Läden, die alles unendlich teuer und genauso funktionsuntüchtig verkaufen, da alles schon so lange im Laden liegt, dass es längst vergessen hat, was es eigentlich tun können sollte, zum Beispiel kleben oder radieren oder Flecken entfernen. Erste Eindrücke – mehr und Ernsthafteres in meiner nächsten und letzten Kolumne. |
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