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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 26.05.2004 06:00

Utopia Campus Hönggerberg

Von Michelle Flückiger

Sicher haben Sie es schon vernommen, dass seit zwei Monaten vier wagemutige Studenten und eine Studentin um die tägliche Existenz an einem Ort kämpfen, der für die breite Bevölkerung der ETH Hönggerberg nur ein Arbeitsplatz ist (Ausnahmen soll es geben). Die freudige Nachricht: wir leben noch, und eigentlich gar nicht schlecht. Die anfänglichen Schwierigkeiten sind zwar noch längst nicht alle verschwunden – denn dass es hier oben keinen anständigen Lebensmittelladen gibt, die Post am Samstag nicht bedient wird und der Nachtbus niemals auch nur ein Rad hier in die Höhen von Zürich rollt, lässt sich nun mal nicht vertuschen – doch genau deswegen sind wir schliesslich hier.

Wie die meisten Experimente der ETH hat auch dieses einen Sinn, wenn sich das Ziel „Science City“ auch noch in weiter Ferne befindet. Zweck unseres Containerlebens (pardon, ich sollte nicht vom Container sprechen, sonst assoziieren Sie unser Heim noch mit „Big Brother“. Der Einfachheit halber werde ich den blauen Pavillon in Zukunft nur noch bP nennen) ist es herauszufinden, wie es sich auf dem Campus-in-spe lebt. Am eigenen Leib sollen wir erfahren, was notwendig ist, um hier oben eine mehr oder weniger anständige Existenz zu fristen und erkunden, welchen Reiz es hat, gleich am Arbeitsplatz zu wohnen.

Um in das Programm aufgenommen zu werden, mussten wir uns einer harten Selektion unterwerfen, schliesslich wollten die Versuchstiere sorgfältig ausgewählt sein, damit nach Beendigung des Freisetzungsexperiments auch repräsentative Daten zur Verfügung stehen. Als Gegenleistung winkten uns drei Monate kostenloses Logis und der Duft des Abenteuers.


zur Person

Den Dingen auf den Grund gehen: ein wichtiges Merkmal, das Michelle Flückiger auszeichnet. Die 22-jährige ETH-Chemiestudentin im 4. Semester ist die einzige Frau im studentischen Quintett, das in Vorwegnahme von Science City schon einmal sein Quartier auf dem Hönggerberg bezogen hat, probeweise für das laufende Semester. Campus-Feeling – davon könnte der Hönggerberg klar mehr vertragen, meint Michelle Flückiger: „Der Sommer gibt jeweils einen Vorgeschmack darauf“, sagt sie. „Denn dann machen jene Studis, die sich auf die Prüfungen vorbereiten, den Hönggerberg zum Lern-Camp.“ An sich kann sich die Wallisellerin mit ihren 37 Stunden Präsenzzeit und mindestens 18 Stunden Selbststudium nicht über Beschäftigungsmangel beklagen. Doch ihre Energie – siehe Wohnexperiment – reicht weiter: So berichtet sie als freie Journalistin regelmässig für eine Regionalzeitung über Kultur-Themen, und als leidenschaftliche Tänzerin trainiert sie intensiv Salsa. Als „Siedlerin“ erarbeitet sich Michelle Flückiger jetzt also einen Wissensvorsprung über das Campus-Dasein. Hat sie schon Erkenntnisse? „Dass ein Heimweg auch etwas Gutes sein kann.“ Er schaffe Abstand, den es für kreatives Forschen und Lernen eben auch braucht. „Denn es gibt auch ein Leben ausserhalb der ETH.“ Sie selbst scheint der lebende Beweis dafür zu sein.




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Michelle Flückiger, Chemiestudentin, Wohnexperimentatorin und "ETH Life"-Kolumnistin.

Abenteuer auf dem Hönggerberg? Klar, hier fühlt man noch den Puls der Natur oder den Takt des Busfahrplanes, je nach Betrachtungsweise. Alle drei Minuten braust einer am bP vorbei, beinahe so pünktlich, dass wir die Uhren danach richten könnten. Nach Mitternacht kehrt allerdings Ruhe ein.

Was wiederum den Heimweg der Nachtschwärmer vom Ausgang erschwert: Man hat die Wahl zwischen 20 Minuten Gehen mit mässiger Steigung von der Glaubtenstrasse her oder dem „Hardcore“-Anstieg, dafür nur zehn Minuten, vom Meierhofplatz hier hinauf. Allfällig schlingerndem Gang würden die scharfen Windungen der Gsteigstrasse wenigstens entgegenkommen. Eine Erweiterung des Nachtbusnetzes ist daher eine zwingende Voraussetzung, soll der Campus je über die Zahl von fünf Studierenden hinaus wachsen.

Wir haben das Problem auf unsere Weise gelöst. Spätestens nach drei Tagen hatte jedes WG-Mitglied sich einen Drahtesel beschafft. Ein Fahrrad neben dem anderen steht nun einsatzbereit in unserem „Hauseingang“. Der Vorteil: man kann sich gleich das Fitness-Abo sparen. Täglich einmal Meierhofplatz oder ETH-Zentrum und zurück reichen dem Gewichtstemmen oder dem nervösen Step Aerobic bei weitem das Wasser.

Doch bietet sich diese Lösung nur im Sommerhalbjahr an, denn für die Wintermonate müsste erst noch die Schneekette für den Fahrradpneu patentiert werden, ehe man diese Art von Mobilität ernsthaft in Erwägung ziehen könnte. Stellt sich also auch gleich die nächste Frage: Wie kommt man im Winter zu seiner körperlichen Ertüchtigung, die bekanntlich für die geistige Aktivität nur förderlich sein kann? Mein Vorschlag: Die ohnehin etwas verloren wirkenden Bassins zwischen den Fingern des HCI sollen in heisse Bäder umgebaut werden. Die dazu benötigte Wärme entnimmt man den unzähligen Computern, die an der ETH in Betrieb sind. So könnte wie in den Kurorten isländisch gebadet werden: heisses Wasser abwechselnd mit kaltem Schnee. Eine andere Möglichkeit wäre natürlich, eines der Becken mit Sand aufzufüllen und zu überdachen, so dass daraus ein Beachvolleyballfeld entstünde. Die dritte Variante wäre, die Fassaden für Kletterzwecke freizugeben. Schwierigkeitsgrad: technisch und glatt.

Seien wir ehrlich: Soll hier oben wirklich Campusleben entstehen, so muss auch Leben zugelassen werden. Mag Science City kommen oder nicht, etwas mehr Lebensfreude täte dem Hönggerberg schon heute nur gut.




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