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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 23.06.2004 06:00

Ameisen als Indikator für Wohnqualität

Von Michelle Flückiger

Kennen Sie Schrödingers Katze? Solange man nicht nachschaut, existiert das Tier in zwei möglichen Zustandsfunktionen, lebend und tot zugleich. Im bP (blauer Pavillon) sind wir Zeugen eines ähnlichen Experiments: solange wir nicht hinsehen, besteht die Chance, dass das nur notdürftig ausgespülte Joghurtglas nicht lebt. Schauen wir hin, stellen wir mit Schrecken fest: Doch, es lebt (Frau) oder mit Gleichmut: Aha, ein Joghurtglas (Mann). Es existieren sozusagen zwei Wahrnehmungszustände: der weibliche und der männliche.

Das Leben im bP hat also auch seine Nachteile. Gut, dass die Behausungen der zukünftigen Campusbewohner etwas solider als unser Sitzungscontainer geplant sind. Die schlecht schliessenden Türen und die Ritzen im Parkett, durch die man bis auf den Kies des Parkplatzes sehen kann, unterstützen nämlich nicht nur die Klimaanlage, sondern sind auch ideale Einlasspforten für Untermieter jeglicher Art: Spinnen, Mücken, Nachtfalter und vor allem: AMEISEN.

Besonders letztere beleben unsere Küche so fröhlich. Vom Kehrrichtsack führt ein richtiger Highway unters Spülbecken, wo die Säcke mit dem gesammelten Blech und Glas auf ihre Entsorgung warten. Die vier Ameisenfallen, die ich in einem Anfall von Ekel angeschafft hatte, scheinen die täglich wachsende Population der fleissigen Tierchen nicht im Geringsten zu stören. Im Gegenteil, der Highway kriegt täglich neue Zubringer...

Was tun? Drastische Hygieneregeln aufstellen! Aber wie sollen die durchgesetzt werden, wenn 4/5 der Belegschaft gar keinen Grund zum Handeln sieht? Relativität des Beobachters und des Beobachteten, ob Schrödinger sich jemals der Reichweite seiner Theorie bewusst geworden war?


zur Person

Den Dingen auf den Grund gehen: ein wichtiges Merkmal, das Michelle Flückiger auszeichnet. Die 22-jährige ETH-Chemiestudentin im 4. Semester ist die einzige Frau im studentischen Quintett, das in Vorwegnahme von Science City schon einmal sein Quartier auf dem Hönggerberg bezogen hat, probeweise für das laufende Semester. Campus-Feeling – davon könnte der Hönggerberg klar mehr vertragen, meint Michelle Flückiger: „Der Sommer gibt jeweils einen Vorgeschmack darauf“, sagt sie. „Denn dann machen jene Studis, die sich auf die Prüfungen vorbereiten, den Hönggerberg zum Lern-Camp.“ An sich kann sich die Wallisellerin mit ihren 37 Stunden Präsenzzeit und mindestens 18 Stunden Selbststudium nicht über Beschäftigungsmangel beklagen. Doch ihre Energie – siehe Wohnexperiment – reicht weiter: So berichtet sie als freie Journalistin regelmässig für eine Regionalzeitung über Kultur-Themen, und als leidenschaftliche Tänzerin trainiert sie intensiv Salsa. Als „Siedlerin“ erarbeitet sich Michelle Flückiger jetzt also einen Wissensvorsprung über das Campus-Dasein. Hat sie schon Erkenntnisse? „Dass ein Heimweg auch etwas Gutes sein kann.“ Er schaffe Abstand, den es für kreatives Forschen und Lernen eben auch braucht. „Denn es gibt auch ein Leben ausserhalb der ETH.“ Sie selbst scheint der lebende Beweis dafür zu sein.




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Michelle Flückiger, Chemiestudentin, "ETH Life"-Kolumnistin und nur noch für kurze Zeit Wohnexperimentatorin

Nicht nur in unserer WG fällt mir auf, wie unterschiedlich Menschen wahrnehmen. Ich erinnere mich an die Idee eines Architekten, der während einem Brainstorming für Science City den Vorschlag machte, aus Platzgründen die Campusbelegschaft unterirdisch hausen zu lassen... Aufschreien der anwesenden Studenten, begeistertes Funkeln in den Augen der restlichen Planer. Was lief da schief? Ist es die Studentenschaft, die fälschlicherweise glaubt, ein Recht auf Sonnenlicht und Sicht ins Freie zu haben oder vergessen gewisse Architekten, dass ihre Bauten nicht nur speziell und „noch-nie-dagewesen“ zu sein hätten, sondern auch einen gewissen Komfort garantieren und ihren Bewohnern ein Gefühl von Lebensqualität vermitteln sollten?

Stellen Sie sich vor, unser Container wäre unter Tage... meine Mitbewohner kämen immerhin auf dem Weg hinunter ins HG und zurück ans Licht (die Vorlesungen der Informatiker finden im Zentrum statt). Ich aber, als waschechte Hönggerberg-Studentin, hätte die Möglichkeit – auch dies ein Vorschlag für Science City – unterirdisch ins HCI zu wandern, dort in die alles natürliche Licht ausschliessenden Hörsäle zu sitzen, den Nachmittag im Labor zu verbringen, wo die Rollos automatisch auf Sonneinstrahlung hin runtergehen, um abends wieder unterirdisch in mein Höhlenloch zu kriechen. Anstelle der Ameisen würden dann wohl Schermäuse und Maulwürfe unser Heim beleben und hin und wieder ringelte sich ein Regenwurm im Spülbecken. Die Kartoffeln könnten wir gleich durch das Fenster hinein ernten, ebenso die Räben und Möhren. Den Mangel an Vitamin D liesse sich mittels hochenergetischer Strahlung in einem Labor schnell beheben und es wären sogar ideale Arbeitsbedingungen für Sonnenallergiker geschaffen worden. Jegliches Argument gegen das unterirdisch Wohnen liesse sich somit vom Tisch fegen.

Was sind wir nur für eine merkwürdige Gesellschaft? Wissen Sie was? Jetzt liebe ich die Ameisen geradezu, sie geben mir das Gefühl, dass noch nicht alles verloren ist. Solange sie zwischen meinen Zehen herumwuseln weiss ich, dass mein Wohnklima doch noch annähernd gesund vertretbar ist.




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