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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen |
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Prochain arręt: Lausanne (1) |
Von Michelle Flückiger Mobilität - ein Wort, das in den vergangen Monaten viele Gemüter in helle Aufregung versetzt hat. Ich will mich hier deshalb nicht auch noch über die Konsequenz ausbreiten, dass ein Mobilitätsstudium mit der Einführung des Bologna-Systems beinahe zu einem Ding der Unmöglichkeit verkommen ist. Dies taten und tun genügend andere. Lieber will ich Ihnen von meinen ganz persönlichen Erfahrungen erzählen, welche die Planung eines solchen Austauschsemesters mit sich bringt. Völlig leergeschrieben und das Hirn bis auf die hinterste Wissensfaser ausgewrungen kroch ich nach der letzten Prüfung einem erschöpften Marathonläufer gleich nach Hause, nichts nötiger habend als die nun über zehn Wochen vorenthaltene Ruhe und Entspannung. Stattdessen erwartete mich das Vergnügen des Umziehens. Im Gegensatz zu den anderen Mobilitätsstudenten erging es mir dabei aber noch richtig gut. Keine Fluggesellschaft, die mir Gepäcklimiten von 20 Kilogramm vorschrieb, keine Ein- und Ausreiseformalitäten - so weit, dass am „Röstigraben“ Pässe kontrolliert würden, sind wir ja noch nicht - und das Wichtigste: das Semester in Lausanne beginnt zeitgleich mit Zürich. Wenigstens diesbezüglich zeigt sich das Schweizerische Bildungssystem einheitlich. Meine Mitstudenten aus Zürich kamen dagegen alle zu spät, da die meisten europäischen Länder den Vorlesungsbetrieb früher wieder aufnehmen als die Schweiz. Nichts mit den verdienten Ferien.
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Fleiss vom ersten Tag an, schliesslich repräsentieren wir gemäss unserem Mobilitätsverantwortlichen die ETH im Ausland. Die Schulleitung erwartet entsprechende Leistungen. Was aber wenn wir in den eben abgelegten Examen durchgefallen wären? Dieser Fall wird gar nicht erst in Betracht gezogen. Es muss bestanden werden. Ansonsten trillert wohl die Studentenpfeife im internationalen Wellenbereich „bei Fuss“. „Coming back home“ wäre dann angesagt. Zugegeben, mir war ziemlich mulmig, als ich über diesen Aspekt informiert wurde (ist es jetzt noch), aber schliesslich überwog die Neugier auf Unbekanntes die Zweifel. Damit hatte ich mich definitiv für den Hindernislauf Mobilität angemeldet. Durchkämmen des Internets nach Studienplänen (die natür-lich nicht zu finden waren), die Suche nach einer Unterkunft („wir würden Sie gerne sehen, kommen Sie doch bitte mal vorbei“), Information aus uninformierten Zuständigen herauskitzeln („Bin neu im Amt“) sind nur einige der vielen Hürden, die es in diesem Parcours zu überwinden galt. Nun steht mein Zimmer bereit, sogar schon etwas möbliert und ist in der dreckigsten Wohngemein-schaft der ganzen Siedlung zu finden. „Salut, bienvenue dans le bordell!“ (2) Nette Begrüssung meines neuen WG-Mitbewohners. Grosse Augen machend versuchte ich krampfhaft meine grauen Zellen französischen Vokabeln aus längst vergangenen Zeiten hervorklauben zu lassen. „Il ne t’a rien dit?“ (3) Wer soll was gesagt haben? Wohl hatte ich mitbekommen, wie der Hausmeister nervös von einem Zimmer zum nächsten gerannt war, überall mit dem Finger die Sauberkeit überprüft hatte und gar meinen Mitbewohner dazu angehalten hatte, den Herd noch eiligst von seinen Fettflecken zu befreien, schliesslich sei „Mademoiselle avec sa mère“ (4) angekommen. Solange es keine Ameisen sind... und wenn es ausarten sollte, werde ich wohl zum "Concierge" gehen und ihm während einer entspannenden Massage mein Leid klagen. Nicht übel, was die Abwarte in der Westschweiz alles anbieten, besser wäre wohl aber ein Putzkurs. Doch um ehrlich zu sein, ich fühle mich bereits pudelwohl in meiner neuen WG. Und keine Angst, die Wohnzimmerlampe verbreitet nicht rotes sondern blaues Licht! |
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Fussnoten:
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