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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 12.01.2005 06:00

Dauerbrenner befristete Stellen

Von Raimund Bühner

Die Befristung von Arbeitsverhältnissen, speziell des Mittelbaus, gehört wohl zu den am kontroversesten diskutierten Themen im gesamten Hochschulbereich, so auch an der ETH. Hiervon wissen gleichermassen Betroffene, Vorgesetzte und auf der anderen Seite Personalabteilungen sowie Schulleitungen zu berichten. Schon seit einiger Zeit wurde auch oder gerade an einer der führenden Hochschulen wie der ETH immer wieder von schicksalshaften Fällen berichtet, die nach Ansicht von Mitarbeitenden sowie Vorgesetzten und Personalverantwortlichen in den jeweiligen Instituten oder Organisationseinheiten Opfer strikter gesetzlicher Forderungen wurden.

Laut Bundespersonalgesetz (Art. 9, Abs. 2) darf ein befristetes Arbeitsverhältnis nicht die Vertragsdauer von fünf Jahren überschreiten, andernfalls gilt es als unbefristet. Dem Wortlaut zur Folge stehen damit alle Angestellten der ETH, die länger als fünf Jahre befristet beschäftigt sind, im unbefristeten Arbeitsverhältnis. Diese träfe in Tat und Wahrheit beispielsweise für einen Grossteil der doktorierten und habilitierten Kollegen und Kolleginnen zu, wenn nicht der Bundesrat für bestimmte Berufskategorien Ausnahmen vorgesehen hätte. Auf Betreiben des ETH-Rates beschloss der Bundesrat durch Zustimmung zur Personalverordnung des ETH-Bereiches für den wissenschaftlichen Mittelbau einschneidende Ausnahmebestimmungen: So können nach Art. 20 der genannten Personalverordnung Assistierende und Oberassistierende maximal sechs (1) und wissenschaftliche MitarbeiterInnen mit Lehr- und Forschungsaufgaben maximal neun Jahre befristet angestellt werden.

Diese Regelung mag einerseits dazu beitragen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beispielsweise über den Rahmen einer Promotion hinaus die Möglichkeit zur Weiterqualifikation zu geben. Andererseits resultieren mit der zeitlichen Ausschöpfung solcher Anstellungsverhältnisse genau dann erhebliche Probleme, wenn die jeweiligen Forschungs- oder Lehrgebiete nicht über eine angemessene Zahl unbefristeter Stellen verfügen. Ein Ausweichen in die freie Wirtschaft kommt nach mehrjähriger Hochschullaufbahn-orientierter Tätigkeit kaum noch in Frage.


Zum Autor

Raimund Bühner stammt aus Nordrhein-Westfalen und ist promovierter Materialwissenschaftler. 1998 kam er in die Schweiz, wo zunächst am Paul-Scherrer-Institut sein werkstoffkundliches Know-how auf dem Gebiet der Strahltriebwerkstechnik für neue kerntechnische Entwicklungen gefragt war. Vor fünf Jahren wechselte Bühner als wissenschaftlicher Mitarbeiter an die ETH. Hier, am Institut für Mechanische Systeme (D-MAVT), hat er sich als Spezialist für moderne Klebetechnik etabliert; ein Wissenssegment, für welches die Industrie vom Fahrzeug- bis zum Flugzeugbau grosses Interesse hegt. Eine Partnerschaft mit regem Austausch verbindet Raimund Bühner zum Beispiel mit der Edel-Marke Porsche, privat allerdings ist der Stadt-Zürich-Bewohner bekennender ÖV-Benutzer. Unser Kolumnist ist Mitglied der ETH-Personalkommission sowie Präsident des VPOD der Sektion Eidgenössisches Personal Zürich. Sieht er sich als bissiger Gewerkschaftler? „Mir liegt die Argumentation näher als das Säbelrasseln“, so Bühner. Gerade bei den Rechten des Personals etwa sieht er für die Schweiz im Vergleich mit seinem Herkunftsland schon Nachholbedarf: „Mitwirkung wird hier generell gern gesehen – Mitbestimmung hingegen gar nicht.“




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Raimund Bühner, wissenschaftlicher Mitarbeiter am ETH-Institut für mechanische Systeme und "ETH Life"-Kolumnist.

Dem steht vielfach das Alter und die sich zuspitzende prekäre Arbeitsmarktlage für hochqualifizierte Wissenschaftler entgegen. Letztlich kann nur der von Glück reden, dem es gelingt, eine Professorenstelle zu ergattern. Hierzu gehören aber maximal nur drei Prozent des Mittelbaus. Kein Berufsstand, geschweige denn Arbeitgeber, kann es sich leisten, 97 % seiner Angehörigen - die noch dazu den weitaus grössten Teil der prioritär wissenschaftlichen Arbeiten erledigen - nach einer so langen Ausbildungs- und Qualifizierungsphase nach Hause zu schicken.

Auch der gut gemeinte, aber sparpolitisch kaum vertretbare Vorschlag, mehr Professorenstellen zu schaffen, bietet selbst bei einer Verdoppelung bestehender Besetzungen keine Abhilfe. Ein spärlicher Teil Mittelbauangehöriger würde dann auf Kosten der vielen, die das Nachsehen hätten, unverhältnismässig profitieren. Zu leicht wird vergessen, dass hinter den oben angeführten Zahlen und Erwägungen menschliche und familiäre Schicksale stehen, welche die Verfasser und Ausführenden der oben zitierten Regelwerke und Leitvisionen nicht sehen oder nicht sehen wollen.

Dafür müssen sich in letzter Zeit um so mehr die Sozialpartner und Personalverbände mit den Konsequenzen dieser Politik befassen. Sie versuchen, Lösungen zu erarbeiten und konkrete Hilfestellungen zu bieten. Dabei steht neben der Beratung und Vertretung von Mitarbeitenden gegenüber Personalverantwortlichen zukünftig vermehrt das Prüfen befristeter Arbeitsverhältnisse auf Entfristung sowie generelles Ausschöpfen der rechtlichen Möglichkeiten im Vordergrund. Auch die Verpflichtung der Hochschule, hinsichtlich Weiterbeschäftigung der Mitarbeitenden durch Massnahmen der Arbeitszeitgestaltung bzw. zumutbare Stellenumsetzung spielt hier hinein (vgl. Art. 21 der ETH-Personalverordnung).

Guter Rat zur Wahrnehmung der Rechte in diesem durch viele Einzelverordnungen und Ausnahmen gekennzeichneten Gebiet muss nicht teuer sein. Ein Engagement in Personalverbänden bzw. Gewerkschaften und sei es "nur" durch eine Mitgliedschaft hat sich für den Einzelnen bisher immer ausgezahlt; schon alleine wegen des bei einigen Organisationen enthaltenen Rechtsschutzes, aber auch für die Allgemeinheit, denn von einem rechtlich wie fachlich stark positionierten Mittelbau profitieren alle, wie Institutionen im In- und Ausland mit starkem Mittelbauanteil gerade in den letzten Jahren durch besondere wissenschaftliche Leistungen unter Beweis stellten.


Fussnoten:
(1) Das bedeutet: AssistentInnen- und OberassistentInnenstatus zusammen genommen 12 Jahre.



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