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Rubrik: News
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Publiziert: 03.06.2004 06:00

Roland Ris sprach zum Abschied über Dichtung, Ästhetik und Spiritualität
Adieu à la poésie

(ae) Zwischen „Adieu à la poésie“ und „A Dieu la poésie?“ schuf Roland Ris, Professor für deutsche Sprache und Literatur an der ETH Zürich, vorgestern noch einmal Raum für Lyrik. Nach 28 Jahren nahm er im voll besetzten Auditorium Maximum Abschied vom Berufsleben. Seine Eingangsthese: „Literatur, die sich nicht in fremden Sprachen umsieht, ist eine Literatur, die erstarrt.“, öffnete den Raum für das Folgende.

„Poesie lässt sich nicht vertreiben.“

Lebendig bleibe Poesie, solange es Leute gebe, die sich mit ihr beschäftigen. Heute sei die Poesie jedoch auf dem Rückzug, stellte Ris fest. Trotzdem: „Poesie lässt sich nicht so einfach vertreiben.“ Der Dichter Peter Horst Neumann von der Universität Erlangen-Nürnberg sei ein lebendes Beispiel dafür. Dieser las dann gleich selbst einige seiner Gedichte, unter ihnen „Auf dem Piz Lunghin“. Das Gedicht beschreibt diesen Berg durch das Erleben seiner Besteigung und endet schliesslich beinahe philosophisch. Poesie sei Ausdruck der inneren Wirklichkeit, sei Wahrnehmung und Erkennen, schloss der Hauptredner die Lesung.

„Die Lyrik tendiert zum Licht“

Klang und Rhythmus eines Gedichts lösten in uns Empfindungen aus, viel mehr als der Diskurs, bemerkte Ris sodann: „Ein Gedicht ist ein Resonanzkörper, in dem jedes Teil mit dem anderen in Schwingung gerät“. Doch was passiert in der Lyrik? Was lösen Klänge in uns aus? Es scheint, dass wir auf jeden Text – wie auf Musik – körperlich reagieren. Als Illustration spielte Ris den Beginn der Schöpfung von Joseph Haydn ein. „In dieser Musik haben wir wirklich den Eindruck, dass Licht entsteht – auch in uns.“


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Er sprach über die Wirkung der Lyrik auf den Menschen: Roland Ris bei seinem Abschied von der ETH Zürich. gross

Auch Poesie könne in uns Licht erzeugen, führte Ris den Gedanken weiter. Licht habe in vielen lyrischen Kulturen eine wichtige Rolle gespielt, so auch in der indischen Ästhetik. Dort werde gesagt: „Eine ästhetische Erfahrung ist ein Teilhaben an der höchsten Realität – dem Licht.“ Ris folgerte daraus, dass Ästhetik und Spiritualität untrennbar verwoben seien. Er geht aber noch weiter: „Die Sprache hat in sich Anteil an dieser höchsten Realität.“ Die gesprochenen Mantras zum Beispiel liessen den Menschen Gott erleben.

„A Dieu la poésie?“

„Mit diesem neuen Sprachverständnis, diesem Hintergrund können wir die modernen europäischen Gedichte besser verstehen.“, spannte Ris den Bogen zurück nach Europa. Zum Beispiel die Initiation „Mattina“ des italienischen Dichters Giuseppe Ungaretti: „M'illumino / d'immenso“, die kaum übersetzbar ist. Oder Robert Walser, der sagte: „Jedes Gedicht ist eine Art Gebet.“ Und Ris fragte zum Abschluss: „Löst sich die Poesie in Gott auf? A Dieu la poésie?“




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