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Rubrik: News "Hacker", Wissenschaftler und Politiker diskutierten in Zürich mit der Internet-Behörde ICANN Streit um die Macht im Internet |
Published: 05.02.2001 06:00 Modified: 05.02.2001 10:19 |
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Seit der spektakulären Online-Wahl von "Hacker" Andy Müller-Maguhn zum europäischen Direktor ist es still geworden um die Internet-Aufsichtsbehörde ICANN. Mit der undurchsichtigen Einführung neuer Adressendungen im 30 Milliarden-Dollar-Markt der Domain-Namen und mit der Organisation der nächsten Online-Wahlen war an der ICANN-Studienkreis-Tagung letztes Wochenende aber für genügend Diskussionsstoff gesorgt. Von Jakob Lindenmeyer (www.jakob.lindenmeyer.ch/) und Richard Brogle Aufgrund einer ausgefallenen Flugverbindung konnte die ehemalige ICANN (#kasten) -Vorsitzende Esther Dyson nicht selbst mit dem "Hacker" und ICANN-Direktor Andy Müller-Maguhn die Klingen kreuzen. Dafür kam an der von ETH-Angehörigen mitorganisierten Tagung ein spannender "Trialog" zwischen drei europäischen ICANN-Direktoren zustande. "Hacker" gegen "Sesselkleber"Gegen den "Oppositionellen" Müller-Maguhn stieg der holländische "Sesselkleber" Hans Kraajienbrink in den Ring, der wie Dyson nicht einsieht, warum ICANN (siehe Kasten (#kasten) ) ein Experiment für eine Online-Demokratie sein soll. Deshalb hat er seinen Direktorensitz auch gleich selbst verlängert. Der deutsche ICANN-Direktor und Siemens-Manager Helmut Schink schliesslich vertrat eine Position dazwischen und anerkannte durchaus auch politische Aufgaben der ICANN.
Für verbalen Zündstoff war gesorgt. Müller-Maguhn hatte schon in seiner Regierungserklärung den Zerstörern des "Kulturraums Internet", Juristen und anderen "Krawattis", den Kampf erklärt. Die ICANN verglich er mit dem Politbüro der DDR, weil statt diskutiert nur Beschlüsse verkündet würden. Bei der Überprüfung der undurchsichtigen Wahl von sieben neuen Adressendungen steckt Müller-Maguhn aber in einem Dilemma: "Der Entscheid sollte nochmals überprüft werden, allerdings nicht durch die US-Regierung, sondern durch eine unabhängige Instanz." Auch Schink plädiert für einen Abbau der US-Dominanz im ICANN-Mitarbeiterstab, der entscheidende Vorbereitungsarbeiten leiste. Ein Vertreter des deutschen Wirtschaftsministerium äusserte gar die Befürchtung, die Amerikaner könnten die Root-Server als Druckmittel für Wirtschaftssanktionen einsetzen.
Ein weiterer umstrittener Punkt sind die Finanzen. Die ICANN möchte am Geldsegen der länderspezifischen Registrierungsstellen teilhaben, muss aber erst noch Verträge mit diesen aushandeln. Das hindert sie nicht, bereits Rechnungen zu versenden (mehr dazu im ETH Life-Bericht "Wer kontrolliert das Internet?"). Auch Müller-Maguhn fordert mehr Geld für aktive Nutzergemeinden, und zwar von denjenigen, die Geld verdienen mit dem Internet: "Die ICANN muss quersubventionierend tätig werden." Als Sprecher des legendären Chaos Computer Clubs und von über 2000 Europeräern gewählter ICANN-Direktor sieht sich Müller-Maguhn als Vertreter der Internetnutzer: "Schliesslich sind die Hacker eine der ältesten Bewohnerschichten im Netz". Evolutionär überholtZur idealen Nutzervertretung gibt es allerdings noch andere Ansichten. Beispielsweise von Jörg Tauss, dem Internet-Spezialisten der deutschen SPD-Fraktion, der angeblich als erster Bundestagsabgeordneter eine E-Mail-Adresse besass. "Das Internet ist eine rein staatliche Veranstaltung und basiert auf einer staatlichen Infrastruktur", betont er und sieht daher die gewählten Regierungen als geeignete Vertreter der Internetnutzer. Wie die ICANN tut sich auch Tauss schwer mit Aussagen Müller-Maguhns wie "Regierungen sind evolutionär überholt." Abschliessend kritisierte eine Stimme aus dem Publikum: "Weil das Internet alle betrifft, haben alle was zu sagen." Die Wasserversorgung betreffe zwar auch alle, nur wolle dort kaum jemand mitdiskutieren.
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