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Rubrik: News
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Publiziert: 11.10.2005 06:00

"Life Science Zurich"-Tagung für Medienschaffende zur Pflanzen-Gentechnologie
Dialog zwischen Medien und Forschung

(Li) Letzten Mittwoch lud die von Uni und ETH getragene Organisation "Life Science Zurich" (1) Medienschaffende und Forscher aus den Biowissenschaften zu einem Dialog über die Gentechnologie bei Pflanzen. Den Grund für die Veranstaltung bildete die "Gentechfrei-Initiative", (2) über die am 27. November abgestimmt wird. Sie fordert ein fünfjähriges Moratorium für die Gentechnologie in der Schweizer Landwirtschaft.

Keine Freude über Initiative

Kaum verwunderlich, dass die Initiative an der von Forschern organisierten Tagung nicht allzu gut wegkam; beispielsweise in der Präsentation von Stefan Kohler, der als Anwalt den Freisetzungsversuch der ETH bis vor Bundesgericht verteidigte. Kohler findet das in der Initiative geforderte fünfjährige Gentech-Moratorium deshalb unsinnig, weil das gegenwärtige Bewilligungsverfahren für Freisetzungen ähnlich lange dauere, momentan sowieso keine Gesuche hängig seien und eine Gentech-Inverkehrbringung in der Schweiz innert der nächsten fünf Jahre daher praktisch ausgeschlossen sei. Zudem kollidiere die Initiative mit völkerrechtlichen Verträgen, beispielsweise demjenigen mit der WTO oder dem Cartagena-Protokoll.

Im ersten Teil der Tagung wurden jedoch nicht nur die juristischen Schwachpunkte der Initiative beleuchtet. Die Medienschaffenden erhielten durch die Uni-Professoren Michael Hengartner und Ulrich Grossniklaus auch eine Einführung in die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Gentechnologie. In einem Praxis-Block konnten die Journalisten per Abstrich der Wangenschleimhaut ihre eigene DNA isolieren und sichtbar machen.

Selektive und reaktive Berichterstattung

Als Höhepunkt der halbtägigen Veranstaltung folgte im zweiten Teil eine Diskussion über den Informationsfluss zwischen Wissenschaft und Medien, vertreten einerseits durch den ETH-Forscher Christoph Sautter und anderseits durch den NZZ-Journalisten Matthias Ninck. Eingeleitet wurde sie durch eine theoretische Einführung des Publizistik-Professors Heinz Bonfadelli, der über die Mechanismen der Medien dozierte. "Die Medien berichten hoch selektiv und reaktiv und bevorzugen primär aktuelle Ereignisse wie BSE oder die Infektionskrankheit SARS", begann Bonfadelli.

„Personalisierung, Emotionalisierung, Dramatisierung“,

charakterisierte Bonfadelli die Medienlogik in drei Stichworten. Die grüne Gentechnologie in der Schweizer Landwirtschaft sei ein gutes Beispiel, um dies zu beobachten. Die negative Konnotation in der Bevölkerung sei für Medien viel interessanter, als etwa medizinische Anwendungen der Gentechnologie, die weitgehend unbestritten seien. Gegenüber den anwesenden Forschern betonte Bonfadelli die Vorliebe der Medien für eine kurze und klare Haltung.

Kurz und trotzdem korrekt

Dies konnte der ETH-Pflanzenwissenschaftler Christoph Sautter im Rückblick auf den Medienrummel um sein Freisetzungs-Experiment während der letzten fünf Jahre (3) nur bestätigen. Ein TV-Journalist der Tagesschau habe ihn nach einer detaillierten Einführung in sein Experiment einmal höflich darauf hingewiesen: "Das ist ja alles wahnsinnig spannend, was sie da erzählen, aber ich habe nur 15 Sekunden für Sie." Genau dies ist für Sautter denn auch der schwierigste Knackpunkt aus der Perspektive der betroffenen Wissenschaftler: Die eigene Forschung stark verkürzt wiederzugeben und trotzdem korrekt zu bleiben.


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Forscher und Medienschaffender im Dialog: ETH-Pflanzenwissenschaftler Christoph Sautter (links) und NZZ-Journalist Mathias Ninck auf dem Podium der Tagung. (Foto: A. Ritter) gross

"Journalistischer Schwerverbrecher"

Der ETH-Alumnus und heutige Wissenschaftsjournalist Mathias Ninck hat nach seiner eigenen Darstellung heute bei gewissen Forschern keinen guten Ruf. "Das begann mit meinem ersten Tagi-Artikel über die Forscher-Demo vor der Genschutz-Initiative, den ich unter dem Titel 'Die Forscher am Boden' veröffentlichte", erzählte Ninck. Allein für diesen Artikel erhielt er 65 Leserbriefe mit Inhalten teilweise unter der Gürtellinie. Danach sei er von den Forschern nur noch als "journalistischer Schwerverbrecher" behandelt worden. Er habe sich durch diesen Artikel richtiggehend verhasst gemacht bei den Forschern, und das habe die Kommunikation gehemmt, analysierte Ninck selbstkritisch. Doch ein längeres Interview mit Christoph Sautter öffnete Ninck die Augen für die Sorgen und Nöte der „Gegenseite“. Durch die Gespräche mit Sautter habe er erfahren, wie frustriert ein engagierter Forscher sein könne, wenn er mit seinem Projekt stecken bleibe.

Dass engagierte Forscher geeignetere Kommunikatoren seien, diese Erfahrung machte auch der Wissenschaftsjournalist der Wochenzeitung WoZ, der an der Tagung teilnahm. "Auf den Podien wirkte Christoph Sautter sehr verbittert; das änderte sich aber im persönlichen Gespräch", so Marcel Hänggi. Doch die professionalisierte Kommunikation beispielsweise der Corporate Communications der ETH habe bei ihm sofort Abwehr-Reaktionen ausgelöst.

Kurs-Besuch statt Redaktions-Aufenthalt

"Was können wir denn verbessern?", wollte eine Forscherin von den anwesenden Medienvertretern wissen. Kenntnisse über die Grundmechanismen der Medien und über den taktischen Umgang mit Journalisten seien von grossem Vorteil, riet Mathias Ninck, und der Publizistikwissenschaftler Bonfadelli nickte zustimmend. Doch dass sich Forscher diese Kenntnisse über einen Aufenthalt auf einer Redaktion holen, hält Ninck aufgrund des chronischen Zeitmangels in den Redaktionsbüros hingegen kaum für realistisch. Bonfadelli nutzte die Frage für einen Hinweis auf den von seinem Institut angebotenen Kommunikations-Kurs - für Forscher. Bei einem abschliessenden Apéro kamen sich Wissenschaftler und Journalisten etwas näher und konnten beispielsweise auch darüber diskutieren, warum Erstere Letzteren für einen Einblick kostenlos ihre Labortüren öffnen, während sie selbst einen teuren Kurs besuchen sollen, um die Journalisten zu verstehen.


Fussnoten:
(1) Homepage von "Life Science Zurich": www.lifesciencezurich.ch
(2) Eine Auswahl von "ETH Life"-Artikeln über die "Gentechfrei"-Initiative: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/gen.html, www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/gensuissemorat.html, www.google.com/u/ETHLife?q=gentechfrei&hl=de&x=0&y=0
(3) Eine Auswahl von "ETH Life"-Artikeln über das ETH Freisetzungs-Experiment von Christoph Sautter: www.google.com/u/ETHLife?q=sautter&x=0&y=0



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