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Rubrik: News
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Publiziert: 25.02.2004 06:00

Der Mythos der weiblichen Expo.02
Männer dominierten Expo.02-Gestaltung

(cm) Jacqueline Fendt, Pipilotti Rist und Nelly Wenger. Hört man die drei Namen, denkt man an die Expo.02. Bei dieser Assoziation stellt sich die Frage, wie weit der Einfluss der Frauen an der Landesausstellung ging. War er so gross, dass von einer weiblichen Expo gesprochen werden könnte? Das Thema interessierte auch Bernadette Fülscher. Die ETH-Architekturassistentin untersuchte Medienberichte und stellte Zahlen zusammen zur Rolle der Frauen an der Expo. Ihr Schluss daraus: Dass die Expo.02 explizit weiblich war, ist ein Mythos. Entsprechend der Titel des Kapitels, das sie zum Buch „Terraingewinn“ beisteuerte: „Der Mythos der weiblichen Expo.02 – Das Geschlechterverhältnis an der Schweizerischen Landesausstellung 2002“. Das Buch, das von Inge Beckel, einer ETH-Architektin, und Gisela Vollmer dieses Jahr herausgegeben wurde (1), befasst sich mit Aspekten zum Schaffen von Schweizer Architektinnen von der Saffa 1928 bis 2003.

Ursprünglich sei sie angefragt worden, ob sie über die an der Expo.02 beteiligten Architektinnen schreiben könne, erzählt Fülscher. Da sie ihre Doktorarbeit zum Thema „Inszenierung von Architektur und Kunst and der Expo.02“ verfasse, wäre das auch kein grösseres Problem gewesen. Als sich die ETH-Architektin die Anfrage genauer überlegte, kam sie jedoch zum Schluss, dass sie allgemeiner den Einfluss von Frauen auf die Ausstellung untersuchen wolle. Dabei sollte aber der Gestaltungsbereich immer noch im Zentrum stehen. Zudem reizte sie die Aufgabe, einen möglichen Mythos entlarven zu können.

Doch wie kam es überhaupt zum Mythos? Im ersten Teil ihres Aufsatzes zeigt Fülscher an Hand von Medienberichten auf, wie durch die grosse Präsenz der zu Beginn erwähnten Frauen in der Direktion das Bild der femininen Expo.02 entstand. Dabei bediente sich die Presse verschiedenen Geschlechter-Klischees. So wird die Künstlerin Pipilotti Rist als chaotisch und zu unrealistischen Ideen neigend dargestellt, Fendt wie auch Wenger entsprechend ihrer Position als harte Managerinnen. Fülscher weist aber auch darauf hin, wie Rist selbst gewisse Klischees förderte, sei es, indem sie die künstlerische Direktion als „Hebammendienst“ bezeichnete.

Würde man nur die beiden repräsentativen Stellen der Generaldirektion und der künstlerischen Leitung nehmen, welche seit dem Planungsbeginn der Expo.02 die meiste Zeit von Frauen besetzt wurden, dann könnte man von einer weiblichen Ausstellung sprechen. Diese Sichtweise erodiert aber schnell, wenn beispielsweise die architektonischen und szenografischen Unternehmen sowie Kunstschaffenden betrachtet werden, die wesentlich an der Gestaltung der Expo.02 beteiligt waren: Die Männer dominieren diese Szene mit einem Anteil von 75 Prozent. Dröselt man diese Zahl für die einzelnen Bereiche auf, so ist der Frauenanteil bei den Kunstschaffenden bei relativ hohen 30 Prozent, wohingegen die Frauen in Architektur und Szenografie nur mit 20 Prozent vertreten sind. Ganz schwach fällt die weibliche Präsenz bei der Gestaltung der Arteplages auf. Gerade mal 8 Prozent Frauen konnten sich dabei einbringen.


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Der Monolith: eines der wenigen Expo.02-Projekte, das mit seinem Schöpfer (Jean Nouvel) in Verbindung gebracht wurde. gross

Doch nicht nur bei der Gestaltung waren mehr Männer beteiligt, sondern auch innerhalb der Direktionen. Eine kurze Analyse der Angestelltenzahlen ergab beispielsweise, dass in der technischen Direktion 90 Prozent Männer arbeiteten – im Gegensatz zur künstlerischen Direktion mit 55 Prozent Männern.

Gibt es aber trotz der zahlenmässig schlechten Vertretung Projekte von Frauen, die an der Expo.02 auffielen? Fülscher kommt in ihrem Aufsatz zum Schluss, dass der Durchschnittsbesucher kaum über die verantwortlichen Personen informiert war. Damit drang kaum ins öffentliche Bewusstsein, dass hinter „Strangers in Paradise“ mit der berühmten Einkaufwägelchentour Ingrid Burgdorf und Barbara Burren standen, oder „Die Werft“ zur Sicherheitspolitik von Marie-Claude Bétrix und Audrey Tenaillon geschaffen wurde. Mit Namen verbunden wurden nur Projekte, die von bereits bekannten Stars wie Jean Nouvel und Harald Szeemann stammten. Von Starbonus profitierte auch eine Frau: „Wer bin ich“ wurde schnell als „Pavillon von Laurie Anderson“ bezeichnet, obwohl die Künstlerin nur Bild und Ton dazu beigesteuert hatte.

Angesprochen darauf, ob bei einer nächsten Landesausstellung auf eine höhere Beteiligung der Frauen gedrängt werden müsste, zögert Bernadette Fülscher. Als erstes gibt sie zu bedenken, dass für den von ihr genauer untersuchten Bereich der Gestaltung die Zahlen durchaus das Geschlechterverhältnis spiegeln, wie es üblicherweise in diesen Berufen vorkommt. Wenn es eine Veränderung bräuchte, dann müsste sie für die ETH-Architektin im Alltag geschehen. So müssten sich beispielsweise in den gestalterischen Berufen die Arbeitsbedingungen so ändern, dass vermehrt Teilzeitarbeit möglich wäre. Selbst wenn dann durch eine solche gesellschaftliche Veränderung sich plötzlich mehr Architektinnen und Szenografinnen an einer Landesausstellung beteiligten, wäre dies an der Gestaltung der Einzelprojekte selber aber kaum erkennbar. Denn diese lässt sich gemäss Fülscher nicht sinnvoll den Kategorien weiblich und männlich zuordnen. Hingegen würde bei einer explizit femininen Expo die Themenwahl etwas anders aussehen.


Fussnoten:
(1) „Terraingewinn“, Inge Beckel, Gisela Vollmer (Hg), eFeF-Verlag Bern/Wettingen 2004, ISBN 3-905561-58-1



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