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Rubrik: News
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Publiziert: 23.08.2005 06:00

Unwetter in der Schweiz
Hochwasser so stark wie 1999?

Lang anhaltender Regen hat am Wochenende und zu Wochenbeginn dafür gesorgt, dass in weiten Teilen der Zentral- und Ostschweiz Flüsse und Seen über die Ufer getreten sind. Erinnerungen an die Flut von 1999 werden wach.

von Peter Rüegg

Seit Tagen regnet es. Bis das Übliche und Unvermeidliche passiert. Hänge rutschen, Schlamm, Dreck und Geröll begraben Strassen, Bahnlinien und Häuser. Flüsse reissen Brücken mit sich. Menschen und Tiere in den betroffenen Regionen leiden. Und wen es nicht direkt betrifft, versinkt angesichts des konstanten Regenschleiers im Trübsinn.

Sintflut im Berner Oberland und Entlebuch

Besonders hart getroffen hat das Unwetter diesmal das Emmental, das Berner Oberland und die Innerschweiz. Sonntagnacht starben im Entlebuch zwei Feuerwehrmänner, die bei einer Rettungsaktion von einem Hangrutsch erfasst und getötet wurden. An der Kleinen Emme zwischen Wolhusen und Emmen evakuierten die Behörden gegen 1500 Menschen.

Die Stadt Luzern stand teilweise unter Wasser. Auch im Kanton Obwalden wurde die Situation prekär. Der Pegel des Sarnersees erreichte beinahe den Rekordwert des Jahres 1999. Das Hochwasser unterbrach mehrere wichtige Strassen. Kaum ein Kanton aus der Ostschweiz, der nicht auch Hochwasserschäden, Erdrutsche und überhöhte Pegelstände von Flüssen und Seen meldete.

Erinnerungen an 1999 werden wach

Eine Frage, die sich bei solchen Unwettern stets stellt: Ist es schlimmer als das letzte Mal? Die Lage sei derzeit noch schwierig einzuschätzen, sagte ETH-Professor Paolo Burlando vom Institut für Hydromechanik und Wasserwirtschaft am Montag auf Anfrage von "ETH Life". Eine erste Auswertung von Niederschlgsdaten und Radarbildern zeigte dem Fachmann, dass es sich tatsächlich um ein seltenes Ereignis handelt; "wie selten, muss man noch berechnen", so Burlando. In den betroffenen Regionen prasselten in einem Tag rund die Hälfte bis zwei Drittel der durchschnittlichen August-Regenmengen in einem Tag vom Himmel. Die Regenintensität sei dagegen eher nicht so gross gewesen, nur mit einigen Spitzen über 12 mm pro Stunde, zum Beispiel in Luzern und im Napf. Aber der Regen hat lange gedauert und praktisch die ganze Region Zentralschweiz betroffen.

"Dieses Ereignis erinnert mich stark an das Unwetter von 1999 in der Schweiz und das von 2002 in Deutschland", sagt Burlando. Die Wettersituationen seien vergleichbar, mit feucht-warmer Luft, die sich aufgrund eines Tiefs über Frankreich über dem Golf von Genua entwickelt und mit feuchter Luft aus dem Mittelmeer bereichert hat, aus Nordosten in die Alpen gelangte und dauernde und kräftige Niederschläge verursachte.

Regen statt Schnee

„Es ist tatsächlich ein grosses Hochwasser“, bestätigt Christoph Hegg von der Abteilung Wasser-, Erd- und Felsbewegungen von der WSL. Um das Unwetter mit früheren Ereignissen zu vergleichen, sei es zu früh, da die Daten noch nicht detailliert ausgewertet worden seien. Aber auch ihn erinnere dieses Unwetter an das Hochwasser von 1999. Schon damals seien die Seen stark angestiegen, und Aare, Linthkanal sowie Bodensee traten über die Ufer. Teile von Bern, Thun und Rheinfelden wurden überflutet. Die Schäden beliefen sich auf 580 Mio. Franken.

Hegg teilt die Ansicht von Paolo Burlando, dass nur so viel Wasser zusammenkommt, wenn es lange über einem grossen Einzugsgebiet stark regnet. Der WSL-Forscher stützt sich auf die Messungen von Meteorologen, die in den besonders betroffenen Regionen wie Entlebuch und Emmental in 24 Stunden elf Zentimeter Niederschlag pro Quadratmeter registrierten. Auf der Alpennordseite werde es ab zehn Zentimetern kritisch. Auch habe es in grossen Höhen keinen Schnee gegeben, das Wasser sei deshalb rasch abgelaufen. „Das ist typisch für Sommerhochwasser“, so Hegg.


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Der Rhein bei Birsfelden ist wegen des Hochwassers für die Schifffahrt geschlossen. gross

Auch Paolo Burlando ist aufgefallen, dass die Temperaturen in grossen Höhen im Plusbereich lagen. "Selbst auf dem Weissfluhjoch bei Davos auf über 2700 Meter fiel Regen", fügt er an. Dieser Umstand, so Burlando, habe bewirkt, dass die betroffenen Einzugsgebiete zur Entstehung des Hochwassers beigetragen hätten.

Bilanz in ein paar Monaten

Wieviel das Unwetter kosten wird, weiss man erst in ein paar Monaten. WSL-Analysen der bisherigen Extremereignisse zeigen, dass sich die Schäden zwischen 1972 und 2002 auf rund 8,6 Milliarden Franken belaufen. 88 Menschen kamen in dieser Zeit ums Leben. Auch das neuste Unwetter werden die Forscher gut dokumentieren, auswerten und später wichtige Lehren daraus ziehen. Details werden ihnen bis in ein paar Monaten bekannt sein. Bis es soweit ist, muss allerdings noch viel, viel Wasser Aare, Reuss und Emme hinabfliessen.


HazNET: Vereintes Wissen gegen Naturkatastrophen

Die Erforschung von Naturkatastrophen hat an der ETH eine lange Tradition. Neu haben sich nun 14 Professuren aus fünf Departmenten zum sogenannten „HazNET“ (1) zusammengeschlossen. „Wir wollen uns noch viel stärker miteinander verlinken“, sagt Erdwissenschafts-Professor Simon Löw, der das Netzwerk koordniert. HazNET führt Spezialisten aus verschiedenen Fachrichtungen zusammen, die sich mit allen Aspekten von Naturgefahren auseindersetzen, etwa der integrierten Analyse von Risiken und Extremereignissen, wie das aktuelle Unwetter eines ist. Dabei geht es dem HazNET vor allem um die Grundlagenforschung. Engagieren will sich das Netzwerk auch in der Lehre und bietet unter anderem ab 2006 einen Master-Lehrgang in „Natural Hazards Engineering and Management” an.




Fussnoten:
(1) Witer führender Link zu HazNET: www.haznet.ethz.ch



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