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Rubrik: Montags-Porträts
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Publiziert: 04.12.2000 06:00

Ein Somali im Labor für Milchwissenschaft
Mit dem Kamel per Du

Zakaria Farah ist ein Pendler zwischen zwei unterschiedlichen Welten: er kommt aus Somalia, lebt aber seit bald vier Jahrzehnten in der Schweiz. Das Verbindende zwischen den gegensätzlichen Welten ist das Kamel. Damit ist er aufgewachsen, damit beschäftigt er sich intensiv als Lebensmittelchemiker.

Von Roman Klingler

Das Kamel ist in Zakaria Farahs Büro an der Schmelzbergstrasse omnipräsent: An der Wand hängen Fotos, auf denen der Somali mit Kamelen posiert, holzgeschnitzte Kamele stehen auf Schreibtisch und Bücherregal. Und auch sonst geben bunte Webteppiche und diverse afrikanische Memorabilien dem nüchternen Büro F23 im ebenso nüchternen Gebäude LFO eine persönliche Note, ja versprühen fast so etwas wie Gemütlichkeit.

Seit knapp 20 Jahren arbeitet Farah am Institut für Lebensmittelwissenschaften. Der promovierte Chemiker hat sich mit seinen Kollegen vom Labor für Milchwissenschaft zum Ziel gesetzt, Inhaltsstoffe und Struktur von Kamelmilch zu erforschen. Konkret sind sie einem Enzym auf der Spur, mit dessen Hilfe die Kamelmilch gerinnt.

Käse vom Kamel

Sobald dies möglich ist, kann aus Kamelmilch auch Kamelkäse hergestellt werden. Farah ist immer wieder in Afrika, hat auch mit Kamelfarmern gesprochen, um sicher zu stellen, dass diese auch eine weitere Verarbeitung ihrer Milch wollen. Denn mit der Technologie alleine ist es noch nicht getan. Vor Ort müssen Verfahren zur Milchabnahme und Kontrolle eingeführt, müssen Anlagen zur Milchverarbeitung erstellt werden.

Für afrikanische Länder mit grosser Kamelpopulation (Somalia, Kenia, Sudan) könnte dies die Existenzgrundlage der Nomaden verbessern. "In Somalia hat es mehr Kamele als Menschen", sagt Farah im Gespräch. Das ETH-Labor für Milchwissenschaft arbeitet mit Kamelfarmen in Somalia und Kenia zusammen. Aber nicht nur das "buckelige Wüstenschiff" beschäftigt ihn in der Grundlagenforschung. Farah ist an einem europäischen Forschungsprojekt beteiligt, das die Lagerungsfähigkeit von Yam verbessern soll. Yam ist eine Art afrikanische Kartoffel.

Wie sieht sich der Forscher an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Entwicklungszusammenarbeit selber? "Ich bin weder Forscher noch Entwicklungshelfer, sondern eine Kombination davon." Für ihn sei die Stelle an der ETH ein Glücksfall. Glücksfall deshalb, weil einerseits die Arbeitsbedingungen stimmten. Aber auch, weil hinter der wissenschaftlichen Tätigkeit immer ein konkreter Nutzen stehe. Farah: "Wir wollen nicht, dass die Nomaden Kamelkäse essen, sondern dass sie Käse verkaufen."

Zakaria Farah, Chemiker an der ETH
Zakaria Farah: auf Kamelfarm in Kenia 1977 gross


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Zakaria Farah, Chemiker an der ETH
Zakaria Farah: In Somalia hat es mehr Kamele als Menschen gross

Zwei Namen müssen genügen

Eigentlich ist der Name Zakaria Farah eine unstatthafte Vereinfachung. In Tat und Wahrheit heisst der Mann, dem ich gegenüber sitze, Zakaria Hagi Farah Ghessod Mohammed Hassan Herzi - um es einmal bei der Kurzform bewenden zu lassen. Im stark patriarchalisch geprägten Norden Somalias wird das Individuum bis heute noch über seine Stammeszugehörigkeit definiert. Das heisst, konkret über den Vater, Grossvater, Urgrossvater und so fort. Irgendwann nach 12 Namen stösst man zum Clan vor, nach 30 bis 40 Namen ist dann für jeden Somali klar, zu welchem Stamm er gehört.

Der Beamte der Berner Fremdenpolizei wollte damals, als Farah 1964 in die Schweiz kam, diese Geschichte allerdings nicht hören. Zwei Namen, einen Vor- und Nachnamen wollte er haben, basta. "Und seither heisse ich Zakaria Farah, nach meinem eigenen und dem Vornamen meines Vaters."(Hagi ist übrigens kein Name, sondern ein Titel). Jedes Mal, wenn er in Somalia ist, hängt er die "abgeschnittenen" Vornamen seiner männlichen Vorfahren an, "und alle wissen dann, wer ich bin."

Chemiker statt Mullah

Geboren wurde Farah in einem kleinen Dorf (Alula) am äussersten Zipfel des afrikanischen Horns. Sein Vater trieb Handel mit Schiffen, Weihrauch, Ziegen und Schafen. Aus Zakaria sollte einmal ein islamischer Theologe werden. Der Sohn wurde deshalb nach Kairo geschickt. Doch Zakaria sah sich nicht als zukünftigen Mullah, ihn zog es nach Europa.

Er erhielt ein Stipendium für die Tschechoslowakei, wohin einige seiner Kollegen gingen. "Doch mein Vater war dagegen, dass ich in ein kommunistisches Land gehe, ein Land ohne Gott." Eine zweite Chance tat sich auf: Farah erhielt ein Stipendium für die Schweiz. Das war 1964. Erste Station Freiburg, dann Chemiestudium in Bern, 1975 für fünf Jahre als Entwicklungsexperte in Brasilien, seit 1981 an der ETH.

Mehr als nur Foschungsgegenstand

In der Tradition seines Herkunftslandes liegt es auch, dass jeder Knabe zu seiner Geburt ein Kamel geschenkt bekommt. Normalerweise ein weibliches. Farahs Geburtsgeschenk hiess Haile, war ein weisses und (ausnahmsweise) männliches Kamel. Klein Zakaria verbrachte oft die Ferien auf dem Land, mitten unter Kamelen. Das Kamel war Gefährte, Transportmittel und Existenzgrundlage zugleich.

Sein Land hat Farah zwar vor bald 40 Jahren verlassen, die emotionale Bindung zum Kamel ist geblieben. Eigentlich eine privilegierte Situation. Nicht viele Forscher können von sich behaupten, dass sie mehr als nur die intellektuelle Neugierde mit dem Forschungsobjekt verbindet. Bei Farah ist dies sicher der Fall.




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