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Publiziert: 13.09.2002 20:58

BUWAL-Entscheid zurückgewiesen
Leuenberger stützt ETH-Beschwerde

Der Rekurs der ETH Zürich gegen die Ablehnung ihres Freisetzungsversuchs von gentechnisch verändertem Weizen durch das BUWAL wird gutgeheissen. Dieser "rein juristische" Entscheid von Bundesrat Mortitz Leuenberger löste bei den betroffenen Forschern Erleichterung aus.

Von Christoph Meier und Norbert Staub

Das betreffende Bundesamt habe den Fehler gemacht, die Arbeiten der zuständigen Kommissionen in den Wind zu schlagen, sagte der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK). Er betonte , dass das Gesuch nach geltendem Recht beurteilt werden müsse. Das BUWAL habe aber einen negativen Beweis von den Projektleitern der ETH verlangt, wonach jegliches Risiko ausgeschlossen werden könne. Da aber das BUWAL keine triftigen Gründe gegen die befürwortende Argumentation insbesondere der Eidgenössischen Fachkommission für biologische Sicherheit (EFBS) vorbringen könne, wolle das UVEK mit seinem Entscheid auch die Kommission stärken.

Meteoritenrisiko könnte zu Verzögerung führen

Gemäss dem UVEK sind sämtliche Einwände des BUWAL gegen das ETH-Gesuch - die Charakterisierung des eingeführten kp4-Gen sei ungenügend, die Gefährdung der Umwelt durch das kp4-Gen und die durch Pollenflug könne nicht ausgeschlossen werden sowie dass keine Antibiotikaresistenz-Markergene verwendet werden dürften - zurückzuweisen. Damit geht das Gesuch zurück an das BUWAL. Das Bundesamt hat dem Gesuchsteller überdies 10'000 Franken Entschädigung zu entrichten. Leuenberger sagte, dass er hoffe, dass das Gesuch innerhalb der gesetzlichen Frist von 90 Tagen behandelt werde. Natürlich könne es zu Verzögerungen kommen, etwa wenn das BUWAL als Bewilligungsinstanz verlange, dass die Schutzzelte für den Gentechweizen Meteoriteneinschlägen widerstehen müssten.

Letzte Instanz Bundesgericht

Die Juristen des UVEK stellten klar, dass gegen den jetzt gefällten Entscheid kein ideelles Verbandsbeschwerderecht geltend gemacht werden könne. So könne zum Beispiel Greenpeace den Entscheid des UVEK nicht anfechten. Eine Beschwerde könnten gemäss Bundesrat Leuenberger höchstens zum Beispiel eine „Vereinigung weizenproduzierender Jungbauern gegen Antibiotikaresistenzgene“ einreichen. Voraussetzung dafür sei, dass deren Mitglieder in der Umgebung des Versuchsortes wohnen, präzisierte Leuenbergers juristischer Berater. Letzte Entscheidungs-Instanz wäre das Bundesgericht.

Der jetzt gefällte Entscheid sei kein politischer, hielt Leuenberger fest. Er könne nicht als ein Signal zur Stärkung des Forschungsplatzes Schweiz oder als das Gegenteil betrachtet werden. Das UVEK sei in diesem Fall einfach die Rechtsinstanz gewesen. Als solche habe das UVEK geltendes Recht durchzusetzen und könne nicht sagen: „Höchstwahrscheinlich kommt dereinst ein anderes Recht, wir wenden jetzt einmal das kommende Recht an.“

Mehr Rechtssicherheit in der Gentech-Forschung

„Die ETH ist erleichtert über diesen Vertrauensbeweis in die ETH und in das Verantwortungsbewusstsein ihrer Forscherinnen und Forscher“, kommentierte Ulrich Suter, ETH-Vizepräsident für Forschung, am Freitag an einer Medienkonferenz an der ETH die Genehmigung des Rekurses. Damit habe auch die Rechtssicherheit im Bereich Forschung mit Gentechnologie wieder an Boden gewonnen. Zufrieden zeigten sich auch der Gesuchsteller Christof Sautter und Wilhelm Gruissem, ETH-Professor für Pflanzenbiotechnologie. Sautter sagte, der Entscheid sei ein Zeichen, dass Freisetzungsversuche in der Schweiz unter „strengen, aber erfüllbaren Bedingungen“ durchgeführt werden können. Das sei für die künftige Planung von vergleichbaren Experimenten zentral. Nach sechs Jahren - davon drei Jahre Verzögerung - könne sein Projekt nun endlich abgeschlossen werden.


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Drei Jahre gewartet: Der ETH-Pflanzenforscher Christof Sautter (l.) und Ulrich Suter, ETH-Vizepräsident für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen, sind erleichtert über den UVEK-Entscheid. gross

Auch der gesellschaftliche Anspruch nach Biosicherheits-Forschung könne mit dem Versuch erfüllt werden. Denn zu 50 bis 75 Prozent sei er solchen Fragen gewidmet, hielt Sautter fest. Wilhelm Gruissem, der aus Belgien über Telefon zur Pressekonferenz zugeschaltet war, hob hervor, dass Bundesrat Leuenberger den Empfehlungen der EFBS besonderes Gewicht beimisst. Stefan Kohler, Jurist mit ETH-Abschluss und Berater der ETH in dieser Sache, sagte, dass das BUWAL laut Begründungsschrift den Versuch nicht mehr in Frage stellen dürfe. Es sei lediglich befugt, aus den bereits formulierten Auflagen die geeigneten auszuwählen.

Antibiotika-Resistenz: niedrige Toleranzschwelle

Zufall oder nicht: die Annahme des ETH-Rekurses fällt in ein Klima hitziger Diskussion um die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Forschung mit Gentechnologie und um die gesellschaftliche Akzeptanz von Gentechnologie in der Schweiz überhaupt. Anfang Oktober wird der Nationalrat über die bereits von der kleinen Kammer und zwei vorberatenden Kommissionen berarbeitete GenLex-Vorlage beraten(1). Zur Diskussion steht dabei auch ein Verbot von Antibiotika-Resistenzgenen für Freisetzungen von Gentech-Pflanzen zu Forschungszwecken. Der fragliche Versuch enthält ein Antiobiotika-Resistenzgen, wie es zum Zeitpunkt der Konzipierung des Versuchs vor sechs Jahren wissenschaftlicher Usus war.

Christof Sautter machte einmal mehr darauf aufmerksam, dass es nicht die geringste wissenschaftliche Evidenz für eine Gefährdung der Umwelt durch ein solches Gen gebe - ganz zu schweigen davon, dass auf den vorgesehenen acht Quadratmetern Anbaufläche bereits mit Milliarden von natürlich vorkommenden Antibiotika-resistenten Bakterien zu rechnen sei. Dennoch scheint die derzeitige gesellschaftliche Toleranzschwelle beim Thema Antibiotikaresistenz äusserst niedrig zu sein. Ob es also jetzt nicht klüger wäre, mit dem Versuch noch zuzuwarten, bis die GenLex in Kraft sei und Rechtssicherheit bestehe, wollte ein Medienvertreter wissen. „Es besteht Rechtssicherheit", so Sautter dazu. Zudem drohe das Experiment zu veralten. Ausser der Qualität zähle in der Forschung eben auch das Tempo, und wenn in naher Zukunft jemand anderes dazu publiziere, sei es eben aus mit diesem Versuch. Wilhelm Gruissem ergänzte, dass die bereits bestehenden und vom Gesuchsteller eingehaltenen scharfen Sicherheitsauflagen genügend Rechtssicherheit verschaffen.


Gemischte Reaktionen
Auf Kritik stiess der UVEK-Entscheid bei Greenpeace, bei der Stiftung für Konsumentenschutz, der Kleinbauern-Vereinigung und der Vereinigung Schweizer Biolandbau-Organisationen. Tenor der Reaktionen war, dass Experimente ins Labor und nicht aufs Feld gehörten und dass hier gegen den Willen der Konsumenten geforscht werde. Der Bauernverband und der WWF hingegen akzeptieren den Beschluss. Begrüsst wird er von InterNutrition, dem Schweizerischen Arbeitskreis für Forschung und Ernährung.



Fussnoten:
(1) Vergleiche dazu den ETH Life-Bericht "ETH im GenLex-Disput"



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