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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 05.09.2001 06:00

Philips sponsert MRI-Kompetenzzentrum Professur und 6,5 Millionen
Sponsoring für scharfe Bilder

Der holländische Elektronik-Konzern Philips sponsert dem heute an der ETH gegründeten Kompetenzzentrum für MRI-Methodologie, an dem auch die Uni beteiligt ist, eine Professur und Tomographen im Gesamtwert von 6,5 Millionen Franken. Der für seinen Scan-Beschleuniger mehrfach preisgekrönte ETH-Physiker Klaas Prüssmann erläutert die Bedeutung der neuen Technologie für den medizinischen Fortschritt.

Von Jakob Lindenmeyer

"Dank den neuen Scannern wird man künftig Krankheiten früher erkennen und genauere Diagnosen stellen können", freut sich Klaas Prüssmann vom Institut für Biomedizinische Technik über die beiden von Philips Medical Systems gesponserten Tomographen (auf englisch: Scanner). Genau dies ist eines der Ziele des heute gegründeten Kompetenzzentrums für Magnetresonanz-Tomographie (Magnetic Resonance Imaging, MRI): Die Entwicklung neuer MRI-Verfahren für wenig belastende, aber hoch informative medizinische Untersuchungen.

Kopf
Links: Anatomisches MR-Bild: Fotorealistischer Einblick ins Gehirn. Rechts: funktionelles MR-Bild: Durch Zungenbewegungen aktivierte Hirnregion. Details durch Draufklicken. gross

Sponsoring zweier halber Professuren

Die beiden neuen Tomographen sind jedoch nur die eine Seite des Philips-Sponsorings im Gesamtwert von 6,5 Millionen Franken. Beachtlich sind insbesondere auch die zwei neuen Assistenz-Professuren über je fünf Jahre, die je zur Hälfte von Philips und von den beiden Zürcher Hochschulen finanziert werden. Die in der Elektrotechnik angesiedelte "Professur für MRI-Technologie" befasst sich primär mit den methodischen Grundlagen der Tomographie. Im Gegensatz dazu liegt die organisatorisch der Medizin zugeordnete "Professur für MRI in Neurowissenschaften" stärker bei der praktischen Anwendung der Tomographie in der aufstrebenden Hirnforschung.

Spielzeug für Akademiker?

Was treibt den Elektronik-Konzern dazu, Millionen in die Hochschulforschung zu buttern? Philips lanciere das Sponsoring sicher auch aus ökonomischen Gründen, ist Prüssmann überzeugt. "Allerdings nicht weil wir an der ETH billiger arbeiten, sondern weil wir mehr spielen können." Der ETH-Forscher als grosser Gamer? "Philips erwartet im akademischen Umfeld der ETH Ideen, die sie in ihrem Industrie-Alltag mit eher kurzfristigen Businessplänen nicht haben", vermutet Prüssmann.

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"Bequeme" Röhre dank Kompaktmagnet: Der neue 3-Tesla Magnetresonanz-Tomograph von Uni und ETH. gross

Kompaktmagnet verhindert Platzangst

Das Kernstück des neuen MRI-Kompetenzzentrums unter Leitung von Professor Peter Bösiger ist eine Weltpremiere: Erstmals steht ein leistungsstarker 3-Tesla Tomograph mit Kompaktmagnet zur Verfügung. Was daran so sensationell sein soll, erklärt der 32-jährige ETH-Physiker Prüssmann mit wenigen Worten: "Je höher die magnetische Feldstärke, desto schärfer werden die Bilder vom Innern des Körpers." Professor Wüthrich vom ETH-Institut für Biophysik habe sogar ein 17-Tesla Magnetfeld, weiss Prüssmann. "Aber dort kann man nur knapp ein Reagenzglas reinstecken." Auch die 3-Tesla Scanner für Menschen waren bisher erschreckend enge und lange Röhren, sodass fettleibige Patienten richtiggehend reingequetscht werden mussten. "Sogar ich selbst kriege Platzangst in diesen alten Geräten", gesteht Prüssmann. "Doch dank dem Kompaktmagneten liegt man bei uns jetzt viel bequemer!"


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Mann mit grosser Röhre: Der ETH-Physiker Klaas Prüssmann vor dem weltweit ersten 3-Tesla Tomographen mit Kompaktmagnet. gross

Sind Magnetfelder gefährlich?

Könnte die verdoppelte Feldstärke nicht Langzeitschäden bewirken? "Bisher hat noch kein Experiment eine Gefährlichkeit von Magnetfeldern nachgewiesen", versichert Prüssmann. Bei Patienten sei der Nutzen in jedem Fall grösser als das potentielle Risiko. An der Ohio State University werden Menschen gar einem Magnetfeld von acht Tesla ausgesetzt. Bei diesen Feldstärken beschleicht sogar den jahrelangen MRI-Forscher Prüssmann ein mulmiges Gefühl: "Ich selbst würde da ungern reinliegen, solange man noch wenig Erfahrung damit hat."

Preise für Scan-Beschleuniger

Neben einer hohen Feldstärke ist die Scan-Geschwindigkeit ein weiterer entscheidender Faktor für die Anwendung der Tomographie in vielen Bereichen der Medizin. Um beispielsweise das Herz abzubilden, muss ein Scan rascher als ein Herzschlag ablaufen. Die Methode dazu entwickelte der Physiker Prüssmann während seiner vierjährigen Doktorarbeit an der ETH: "Wir beschleunigen das Scannen durch den gleichzeitigen Einsatz vieler Empfangsantennen." Dafür wird ihm heute zusammen mit seinem Kollegen Markus Weiger der mit 20'000 Euro dotierte Philips Innovation Award 2001 verliehen.

Preise zuhauf

Dank seiner revolutionären Entwicklung hat Prüssmann in den letzten Jahren noch zahlreiche weitere Preise eingeheimst, zusammen mit seinen Kollegen Weiger und Bösiger beispielsweise den mit 15'000 Dollar dotierten Günther Laukien Preis. Kommt als nächstes der Nobelpreis? "Da habe ich eher schlechtere Chancen", winkt Prüssmann ab, "denn für MR-Forschung wurden bereits zwei Nobelpreise vergeben und beide an Schweizer; dadurch ist dieses Gebiet wohl bereits abgehakt." (Anmerkung: Der letzte MR-Nobelpreis ging übrigens 1991 an den emeritierten ETH-Professor Richard Ernst.) (1) Wenn schon nicht der Nobelpreis, dann winkt vielleicht immerhin noch eine ETH-Medaille für die erfolgreiche Doktorarbeit.

Personal-Nachschub

Die heutige Gründung des neuen MRI-Kompetenzzentrums wird umrahmt von einem dreitägigen wissenschaftlichen Symposium mit internationaler Beteiligung. "Ich hab dabei nur den Studenten-Wettbewerb organisiert", meint Prüssmann bescheiden. Dort wird der beste der 48 Vorträge mit einem handsignierten Buch von Nobelpreisträger Richard Ernst belohnt. Höhepunkte sind neben den Vorträgen und Poster-Sessions insbesondere die "Get-Together-Party" und eine von Philips gesponserte Schiffsreise auf dem Zürichsee. "Die Seefahrt hat ein ehemaliger Mitarbeiter von uns organisiert, der nun bei Philips arbeitet", kommentiert Prüssmann und enthüllt damit auch gleich einen weiteren Nutzen des Industrie-Sponsorings: Den Personal-Nachschub.

Das heute beginnende MRI-Symposium ist öffentlich. Ein detailliertes Programm findet sich auf der Website der MRI-Gruppe. (2) Interessierte sind eingeladen, sich noch anzumelden.

Dass das Symposium ausgerechnet in Zürich stattfinde, sei wichtig für den regionalen Austausch, meint Prüssmann, denn sonst gucke alles immer nur in Richtung USA. "Es ist aber auch wichtig, dass man sich regional kennt und kooperiert und nicht immer gleich alles radikal globalisiert." Der neue 3-Tesla-Scanner ist ein gutes Mittel dazu. Bereits laufen Forschungszusammenarbeiten mit Psychologen der Uni Zürich und Hirnforschern aus Bern.

Wasserflasche statt Ethik-Kommission

Kooperationen mit "Praktikern" der MRI-Technologie erachtet der "Methodiker" Prüssmann als äusserst wichtig, denn: "Nur für unsere methodische Forschung wäre die neue Röhre unter ihrem Wert genutzt." Experimente mit freiwilligen Probanden benötigen aber oft die Zustimmung der Ethik-Kommission. Doch Prüssmann kann sich teilweise mit einem Trick aushelfen: Für einige Experimente steckt er einfach eine Wasserflasche in die Röhre. "Beim Scannen sehen wir sowieso nur das Wasser - genauer: den Wasserstoff. Darum ist die Wasserflasche ein ideales Test-Objekt."

Nicht nur in die Röhre gucken

Hat Klaas Prüssmann schon Pläne wie er die vielen Preisgelder einsetzen wird? Ein neuer Scanner? Eine eigene Spin-Off-Firma? "Vom heute verliehenen Philips Innovation Award kaufe ich mir erst mal ein gutes Cello", antwortet er und zeigt so einen Teil seiner persönlichen Seite. Er spiele nämlich im Zürcher Sinfonie-Orchester "Notabene" (3) und da hätten sie zur Untermalung der Pferdedressur demnächst ein Konzert an den Internationalen Pferdesporttagen im Zürcher Oberland. Auch erfolgreiche Physiker haben eben hin und wieder ein Leben ausserhalb der Forschung.


Literaturhinweise:
ETH Life-Bericht über amüsante Anwendungen der Tomographie in der Hirnforschung: "Blick ins Hirn": www.ethlife.ethz.ch/tages/show/fMRISchulbesuch.html

Fussnoten:
(1) Der MR-Nobelpreisträger und emeritierte ETH-Professor Richard Ernst: www.ethz.ch/overview/nobelprize/people/r-ernst-de.html
(2) Website der MRI-Gruppe und Infos zum Symposium und zur heutigen Eröffnung des Kompetenzzentrums: www.mr.ethz.ch
(3) Website des Zürcher Sinfonie-Orchester "Notabene": communities.msn.ch/sinfonieorchesternotabene/



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