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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 02.07.2002 06:00

Neue Vorkristallisation von Schokolade
Die Schokoladenseite der ETH

Die Schweiz und die Schokolade - das ist eine Liebesbeziehung. Die Qualität der süssen Verführung resultiert aber aus viel Entwicklungsarbeit. ETH-Forscher tragen dazu bei, das die Schweiz weiterhin industriell qualitativ hochstehende Schokolade unter verbesserten Produktionsbedingungen herstellen kann. Ein bereits entwickelter Impfvorkristallisator und die Entwicklung eines neuen Temperiersystems bezeugen dies.

Von Christoph Meier

"Schokolade esse ich wahnsinnig gerne; man muss mich davon fernhalten", gesteht Erich Windhab, ETH-Professor am Institut für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften (1). Doch von der Produktion von Schokolade hält er sich nicht fern. Gemeinsam mit vier Schweizer Schokoladenherstellern hat er einen Impfvorkristallisator entwickelt, den die Firma Bühler erst kürzlich an der Fachmesse "Interpack" der Weltöffentlichkeit präsentierte. Zudem bewilligte Ende Mai die Kommission für Technologie und Innovation (KTI) ein Folgeprojekt von Windhab, das die Kühlprozesse bei der Schokoladenherstellung optimieren soll.

Mit Vorkristallisation aus der Tradition ausgeschert

Eine Neuerung bei der Schokoladenherstellung (vgl. Kasten) zeigt sich schon im Wort "Impfvorkristallisator": Denn entgegen der herkömmlichen Produktionsweise stellt dieses Gerät zuerst eine Kristallsuspension mit massgeschneiderten Kristallkeimen aus Kakaobutter her, mit der dann die Schokoladenmasse vor dem Giessvorgang angeimpft wird. Somit muss nicht mehr die ganze Schokoladenmasse den zeitintensiven Keimbildungsprozess durchlaufen. Zudem kann die Kristallsuspension in verschiedene Schokoladenlinien parallel eingespeist werden. Das neue Verfahren erlaubt es auch, die Menge einer bestimmten Kristallform der Kakaobutter klar zu definieren. Windhab konnte zeigen, dass verschiedene instabile polymorphe Kristallformen sich durch die Scherkräfte im Impfvorkristallisator dazu bringen lassen, in die gewünschte höchststabile Form namens Beta-VI überzugehen.

Erich Windhab
Ein Schokoladengeniesser, der auch auf die Produktion Einfluss nimmt: ETH-Professor Erich Windhab. gross

Weder wachsig noch weich

Damit aber der Impfvorkristallisator überhaupt zur Anwendung kommt, war es zudem nötig zu demonstrieren, dass die Kakaobutterkristallform Beta-VI dazu führt, dass nach Animpfen mit dieser Form hauptsächlich die von der Gitterstruktur her ähnlichen Beta-V-Kristalle entstehen. Genau um diese Form ringen nämlich die Schokoladenhersteller, denn sie erzeugt mit einem Schmelztemperaturbereich von rund 29-33°C beim Aufschmelzen im Mund den erwünschten "zarten" Schmelz. Liegt die Schmelztemperatur höher, schmeckt die Schokolade wachsig, liegt sie darunter, besitzt sie bei Raumtemperatur kein "knackiges" Bruchverhalten. Bis anhin bestand das Problem darin, dass die bei der konventionellen Vorkristallisation erzeugten Beta-V-Kristalle im Bereich der Verarbeitungstemperatur schmelzen; sodass bereits kleine Temperaturschwankungen zu unterschiedlicher Vorkristallisationsqualität aufgrund unerwünschter wilder Kristallkeime und damit zu Schwankungen in der Produktqualität führten. Der Schmelztemperaturbereich der neuen Beta-VI Impfkeime liegt höher als die Verarbeitungstemperatur der Schokolade, womit der Anteil an Kristallkeimen fix eingestellt und beibehalten werden kann.


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kaefer
Die sechs Schokoladenkäfer links glänzen länger und bilden keinen Fettreif. Sowohl die "ETH-impfvorkristallisierten" links wie auch die konventionell vorkristallisierten Käfer rechts wurden sieben Monate bei 18°C gelagert gross

Mobile Impfstation

Um die Industrie zu überzeugen, bauten Windhab und seine Leute eine mobile Impfstation, mit der sie durch die Schweiz fuhren. In den Betrieben der vier Industriepartner koppelten sie diese an die Produktion. "Das war einer der wichtigsten Schritte", blickt Windhab zurück, denn Firmen glaubten nicht wirklich an das, was in Labors im Kleinen funktioniere. "Es muss im echten, rauhen Produktionsprozess funktionieren". Der Erfolg war so durchschlagend, dass die Firmen mit der ETH zusammen den Impfvorkristallisator zum Patent anmeldeten und von der Maschinenfabrik Bühler in Lizenz herstellen liessen. Die Lizenzgebühren fliessen nach Abzahlung der Patentkosten als Forschungsgeld zurück in Windhabs Laboratorium.

In Zukunft wohltemperiert

Hier wird fleissig weiter an der Schokoladenproduktion gearbeitet. Mit dem Impfvorkristallisator besteht die Möglichkeit, auch den Kühlungsprozess zu verbessern. Denn Vorversuche haben gezeigt, dass die Beta-VI-Kristalle eine schärfere und somit schnellere Kühlung erlauben. Windhab könnte sich sogar vorstellen, dass einst für den Temperierungsprozess eine "kleine Kühlbox" mit Stickstoffkühlung an Stelle des herkömmlichen bis zu 50 Meter langen Kühltunnels zu stehen kommt. Auf jeden Fall bewilligte die KTI das Projekt, bei dem Windhab die Kühlungsprozesse in Zusammenarbeit mit Schweizer-Firmen optimieren will.

Die Industrie scheint auf den Geschmack gekommen zu sein. Denn dieses Mal sind bereits zehn Firmen beteiligt. Das ist nicht verwunderlich, denn die Schokoladenkäfer von Maestrani werden dank der neuen Vorkristallisations-Methode nicht mehr so schnell grau von Fettreif, und wieso sollen sie nicht auch noch schneller und günstiger auf den Markt fliegen.


Schokoladenherstellung

Ausgangspunkt für die Schokolade sind die Kakaobohnen. Die Bohnen werden nach der Ernte einem zwei bis acht Tage langem Fermentationsprozess ausgesetzt, damit wichtige Vorkomponenten der Geschmacksstoffe entstehen. Danach kommt es zur Reinigung, Röstung und dem Zerkleinern. Die entstandene Kakaomasse wird nach Vermahlung mit der aus der Kakaopulverherstellung anfallenden Kakaobutter vermischt. Durch Mischen und Kneten wird die Masse homogen und plastisch und durch Walzen erreicht man die richtige Partikelgrösse.

Danach erfolgt das Endveredeln, auch Conchieren genannt, mit Eintrag von Wärme, sowie mechanischer Energie (Kneten, Rühren). Vor der Formgebung erfolgt die Vorkristallisation (Temperierung) der Schokolade, um die richtige Fettkristallstruktur zu initiieren. Von dieser hängen die ideale Bruchfestigkeit (Knackigkeit), die Fettreifstabilität, das Schmelzverhalten und der Glanz ab. Nach der Vorkristallisation erfolgt das Giessen zum Beispiel in Tafelformen. Der Kühlprozess in einem auf konventionell rund 12-14°C gehaltenen Kühltunnel schliesst sich an. Danach erfolgen das Austafeln der gegossenen Formen und die Verpackung.




Fussnoten:
(1) Lebensmittelverfahrenstechnik der ETH: www.vt.ilw.agrl.ethz.ch/



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