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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 19.10.2001 06:00

Lautgebung von Schweinen und Umgebungstemperatur
Je lauter desto ungemütlicher?

Das, was die Konsumenten landläufig als "Saulärm" wahrnehmen, ist für die Doktorandin Edna Hillmann Thema ernsthafter Forschung. Sie versucht herauszufinden, in welchen Lauten bei welchen klimatischen und haltungsüblichen Umgebungsverhältnissen Schwein seine Bedürfnisse artikuliert.

Von Regina Schwendener

Neun Schweine schrecken beim Besuch des Versuchsstalles in ihrer Bucht lauthals auf. Die Berliner Biologin Edna Hillmann und diese Tiergruppe kennen einander noch nicht sehr gut. Es ist die elfte Gruppe, mit der sie seit Beginn ihrer Doktorarbeit vor 20 Monaten in der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Agrarwirtschaft und Landtechnik (FAT) Tänikon/Thurgau zu tun hat, erzählt sie. In der ETH-Forschungsstation "Chamau" könnten die Versuche wegen der fehlenden Infrastruktur nicht durchgeführt werden. Zudem könne sie in der FAT auf eine vorhergehende Forschungsarbeit von Dr. Claus Mayer vom Zentrum für tiergerechte Haltung aufbauen. - Neugierig rangeln die Schweine inzwischen um die besten Plätze in der Bucht, beschnuppern die ihnen hingehaltenen Hände der Wissenschaftlerin. Die Rücken der Tiere sind in verschiedenen Farben und mit einem bis zu drei Strichen auf dem Rücken gezeichnet. Es ist laut.

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Ein Tuch, festgehalten mit einer Zange, dient zur Speichelentnahme. gross

Der Bedeutung der Lautgebung auf der Spur

Kann man Lauten Bedeutungsinhalte zumessen? - Die "Lautgebung von Schweinen als Indikator für ihre Anpassungsfähigkeit an Umgebungstemperaturen" heisst das "hörfällige" Thema ihrer Doktorarbeit bei den Nutztierwissenschaften unter Doktorvater Professor Wolfgang Langhans und Betreuung von Dr. Lars Schrader. Edna Hillmann versucht anhand verschiedener Methoden - Aufzeichnung der Laute übers Mikrofon, Verhaltensbeobachtung per Video und Cortisolanalysen im Speichel bei für Schweine extremen Temperaturen im Sommer und im Winter - dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Die Tiere werden im Winter Temperaturen von unter neun Grad Celsius ausgesetzt, im Sommer von über 25 Grad. Temperaturen, denen die Tiere oft auch in der Praxis ausgesetzt sind. Als grundsätzliches Ziel ihrer Arbeit nennt sie die objektive Beurteilung von Haltungsbedingungen.

Das kennt man: Murmeli warnen ihre Artgenossen mit einem Pfiff vor Feinden. Wie ist das bei den Schweinen? - "Man weiss, dass es Laute gibt, die Schweine äussern, wenn sie einander begegnen. Kontaktgrunzen sagt man dazu", erklärt Edna Hillmann. Dagegen sei bisher der entsetzliche Schrei eines Ferkels, den es beim Kastrieren oder aber auch beim Hochheben ausstösst, nicht vollständig geklärt. Er ist vom normalen Gehörempfinden her gleich. Nur über ein Spektrogramm ist ein Unterschied feststellbar. Schreit das Ferkel, wenn man es auf den Arm nimmt, weil es Schmerzen hat oder weil es ihm unangenehm ist, von der Mutter getrennt zu werden? Oder warum schreien die Schweine derart ohrenbetäubend, wenn es ums Füttern geht, so dass die Bauern heute einen Gehörschutz dazu anlegen? Ist es Freude oder Futterneid, vielleicht der Hunger?


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Die Meisterin mit ihren Versuchstieren: Edna Hillmann im Schweinestall der Forschungsanstalt Tänikon. gross

Vergleiche der Videoaufnahmen

Das Verhalten der Schweine ist unterschiedlich, wenn sie den tiefen oder den hohen Temperaturen ausgesetzt sind. Im Sommer holen sie sich Erleichterung durch das Suhlen im Kotbereich der Buchten; im Winter rücken sie nahe an- und übereinander - einer bestimmten Rangordnung folgend. Erforscht wird, inwieweit sich die Tiere noch anpassen können, bei welchen Temperaturen es zu Stress-Reaktionen kommt. Die Videokamera zeichnet das Verhalten der Tiere Tag für Tag auf. Diese Aufnahmen müssen miteinander verglichen werden, um Rückschlüsse auf Veränderungen des Verhaltens ziehen zu können, erklärt Edna Hillmann. "Man weiss, dass die Schweine im Stall bei normalen Temperaturen etwa 80 Prozent des Tages liegen und dieses Verhalten gestört wird, wenn es kalt wird", so die Wissenschaftlerin. Bei der Haufenbildung werde es einerseits laut und andererseits unruhig, bis alle wieder am Platz liegen. "So stellt sich uns die Frage, inwiefern dieses Verhalten eine Stressreaktion darstellt." Hillmann vermutet stark, dass es da Unterschiede je nach Rang der einzelnen Tiere gibt, die es zu beweisen gelte.

Das Halten von Schweinen im Freiland sei im Grunde optimal. Ein Hausschwein passe sich sehr schnell seiner Umgebung und den äusseren Gegebenheiten an, stellt Edna Hillmann fest. Beispielsweise bauen sich Schweine im Freiland Schlafnester, die sie den jeweiligen Witterungsbedingungen anpassen. Sie betont: "Wir haben (essen) aber viel zu viele Schweine, als dass wir alle unter diesen idealen Bedingungen halten könnten."

Halbzeit ist angebrochen

Im Projekt ist die Halbzeit angebrochen. "Wir sind jetzt dabei, die Lautanalyse zu etablieren und haben dafür eine Software entwickelt", beschreibt die Doktorandin das weitere Vorgehen. Zur Lautgebung können deshalb im Moment keine konkreten Aussagen gemacht werden. Vom Cortisol-Speicheltest sind bereits einige Daten vorhanden, die aber noch ergänzt und ausgewertet werden müssen. Diese Auswertungen und Schlussfolgerungen liegen in den nächsten Monaten vor Edna Hillmann, die noch die eine oder andere Testreihe starten wird. "Wenn wir es schaffen, das Befinden der Schweine anhand der Laute zu beurteilen, dann ist dies eventuell in der Praxis der Nutztierhaltung viel einfacher und weniger zeitaufwändig als das Liegeverhalten der Tiere zu analysieren", so Hillmann. Ein wichtiger Aspekt ihrer Arbeit sei und bleibe jedoch die Grundlagenforschung, um zu erfahren, welcher Zusammenhang zwischen Lautäusserung und Umgebung bestehe, das heisst, wie die Tiere ihre Bedürfnisse artikulieren. Und sie betont, dass es für sie als Biologin absolut wichtig ist, im Interesse einer tiergerechten Haltung weiter zu forschen. "Das Tier muss dabei das Wichtigste sein", fordert Edna Hillmann. Nur fürchte sie, in der Realität der Schweineproduktion werde das nicht immer so sein.




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