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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 29.11.2001 04:00

Immunabwehr und ihre Folgen für die Fortpflanzung
Verteidigungskosten

Ein effektives Immunsystem ist zumindest kurzfristig eine wichtige Überlebenshilfe. Wird der Aufwand dafür aber gross, kann das längerfristig den biologischen Erfolg verringern. Die nicht immer direkt ersichtlichen Kosten und Folgen des eigenen Abwehrsystems zeigen zwei Studien mit Hummeln - eine davon heute im Wissenschaftsmagazin "Nature" - von der Gruppe des ETH-Evolutionsbiologen Paul Schmid-Hempel.

Von Christoph Meier

Eine effektive Verteidigung kostet. Auch wenn Insekten nicht eine so hoch aufgerüstete Abwehr besitzen wie die Wirbeltiere, so fanden die ETH-Forscher doch Hinweise, dass Hummeln (Bombus terrestris) ihren biologischen Preis für eine Aktivierung des Immunsystems zahlen. Die diesbezüglichen Aufwendungen lassen sich in Beziehung bringen mit der biologischen Grundwährung des Überlebenserfolges.

Latex und schnelles Verhungern

Dass eine Immunantwort Ressourcen verschlingen kann, die dann in anderen Bereichen fehlen, demonstrierte die Gruppe Ökologie und Evolution (1) des ETH-Evolutionsbiologen Paul Schmid-Hempel in einer bereits vor einem Jahr publizierten Studie im Wissenschaftsmagazin "Science" (2). Die Forscher stimulierten damals die Immunabwehr bei Hummelarbeiterinnen, indem sie diesen Latexkügelchen oder einen Bestandteil von Bakterienoberflächen verabreichten, das sogenannte LPS. Eine Analyse der Körperflüssigkeit ergab, dass die Insekten auf beide Stimuli mit der Produktion von antibakteriellen Substanzen reagierten. Wurden den Hummelarbeiterinnen die Nahrung entzogen, überlebten die zuvor immunologisch Geforderten schlechter als die Kontrolltiere. Das heisst, sie starben einige Stunden früher. Auf die Frage, wie weit einige Stunden relevant sind im Hummelleben, antwortet Paul Schmid-Hempel: "Entscheidend ist das Resultat, dass "infizierte" Tiere eine um 50 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit haben zu irgendeiner Zeit zu sterben als die Kontrolltiere." Eine Verkürzung um einige Stunden im Experiment entspreche draussen einigen Tage, was wiederum ins Gewicht falle, erklärt der Biologe weiter.

Crithidia bombi
Ein typischer Parasit, gegen den sich die Immunantwort der Hummeln richten könnte. Es handelt sich um den Einzeller Crithidia bombi (ein Trypanosome). Länge der Zelle ca. 4-5µ. (Bild: EM-Labor der ETHZ und Boris Baer) gross


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Hummelnest
Wird die Elterngeneration immunologisch herausgefordert, befinden sich in der Nachfolgegeneration weniger dafür besser gewappnete Hummeln im Nest. (Bild von P. Schmid-Hempel zur Verfügung gestellt) gross

Da Arbeiterinnen von sozialen Insekten sich nicht selbst fortpflanzen, sollte ihre Strategie darin bestehen, dass sie Kinder produzierende Verwandte, die ja auch ein Teil ihrer Gene tragen, unterstützen. Insofern ist ein früher Tod fatal, weil die Arbeiterinnen - ihrem Namen entsprechend - nur durch möglichst lange Arbeit im Dienste der Kolonie ihre biologischen Interessen gewahrt sehen.

Aufgerüstete Kinder

Können Wirbeltiermütter ihre Jungen durch den Transfer von spezifischen Antikörpern einen gewissen Schutz mitgeben, bleibt dies Insekten verwehrt. Diese besitzen nur eine relativ unspezifische Immunabwehr. Umso mehr überrascht es, dass die Forschenden um Schmid-Hempel jetzt in einem "Nature"-Artikel (3) Resultate präsentieren, dass auch Nachkommen aus einer Kolonie, in der die Arbeiterinnen wiederum mit Latexkügelchen und LPS gestresst wurden, eine aktiveres Immunsystem aufweisen als die Kontrolltiere. Da, wie oben erwähnt, Arbeiterinnen nicht mit eigenem Nachwuchs brillieren, können die Jungtiere ihre prophylaktisch erhöhte Abwehrbereitschaft nicht von den Eltern mitbekommen haben. Welche Faktoren die Junghummeln immunologisch vorsichtig werden lässt, konnte nicht festgelegt werden.

Eine Hypothese wäre aber, dass das verminderte Gedränge in der Hummelkolonie die kleinen Brummer darauf hinweist, in welch verseuchtem Nest sie da möglicherweise sitzen. Denn auch in dieser Studie führten die künstlich herbeigeführten Immunantworten zu einer verminderten Fitness. Dieses Mal drückte sich dies aber nicht durch das schnellere Ableben von Arbeiterinnen, sondern durch die kleinere Anzahl Jungtiere aus. Der eingeschränkte Reproduktionserfolg weist auf einen möglichen Kompromiss zwischen dem Fortpflanzungserfolg und der Immunantwort hin. Angesichts dieses Phänomens taucht auch die Frage auf, ob sich Insekten überhaupt ein besseres, den Wirbeltieren vergleichbares Immunsystem leisten können. Paul Schmid Hempel: "Das ist eine sehr umstrittene Frage. Eine populäre Theorie ist, dass Insekten kein ausgeklügeltes Abwehrsystem brauchen, weil sie so kurz leben." Allerdings würden zum Beispiel Ameisenköniginnen auch 20 bis 30 Jahre alt, relativiert der Ökologe und schliesst: "Die endgültige Antwort steht noch aus."


Fussnoten:
(1) Institut für Ökologie und Evolution: www.eco.ethz.ch/
(2) Science 290, "Survival for Immunity : The Price of Immune System Activation for Bumblebee Workers", 1166-1168
(3) Nature 414, "Immune defence in bumble-bee offspring",



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