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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 24.06.2002 06:00

Eiweiss-Identifizierung wirft neues Licht auf Alzheimer
Ein Clan, der spaltet

Alzheimer ist die häufigste Form einer degenerativen Krankheit des Gehirns. Charakteristisch für sie sind Plaques im Gehirn, die aus Beta-Amyloid-Peptid bestehen. Dieses entsteht durch die Spaltung eines Vorläufereiweisses in einer Membran. Erstmals konnten ETH-Forschende eine Spaltung in einer Membran biochemisch nachweisen und entdeckten zugleich einen ganzen Clan von Eiweissen, die möglicherweise zur Alzheimer-Erkrankung beitragen.

Von Christoph Meier

Die Alzheimer-Krankheit führt den Menschen drastisch vor Augen, wie stark geistige Leistungen durch ihre biochemischen Grundlagen bedingt sind. Obwohl immer wieder von Erfolgen bei der Bekämpfung von Alzheimer berichtet wird (1), sind immer noch grosse geistige Anstrengungen gefordert, um die biochemische Komplexität der Krankheit zu verstehen. So sind auch bei der Entstehung der schädlichen Plaques im Hirn von Alzheimer-Patienten noch einige Fragen offen. Bis jetzt weiss man, dass die Plaques dann entstehen, wenn das Eiweiss APP gespalten wird. Dies geschieht in einem zweistufigen Prozess, bei dem aber das Spaltungseiweiss, das zur fatalen Freisetzung von Beta-Amyloid führt, noch nicht definitiv bestimmt ist. Einen spaltenden Hauptverdächtigen hat man jedoch: das Eiweiss Presenilin. Zudem ist bekannt, dass die Spaltung innerhalb einer Membran stattfindet - etwas, das vor nicht allzu langer Zeit als unmöglich erschien.

Spaltung in Membran gezeigt

ETH-Forschenden ist es nun gelungen, ein Presenilin ähnliches Eiweiss, das SPP, zu identifizieren und erstmals zu zeigen, dass es eine Spaltung in einer Membran katalysiert. Mittels eines Affinitäts-Versuchs konnte SPP dingfest gemacht und danach gereinigt werden. Die Analyse einiger Bausteine des Eiweisses führte zum entsprechenden menschlichen Gen. Dieses schleusten die Biochemiker in der Folge in Hefe-Zellen ein, wo sie erneut die Spaltkraft von SPP demonstrierten. "Die proteolytische Funktion von Presenilin ist umstritten", meint Bruno Martoglio von Institut für Biochemie der ETH (2) und Autor der in Science publizierten Studie über SPP (3). "Doch die neuen Befunde sprechen dafür, dass Presenilin aufgrund seiner Ähnlichkeit mit SPP durchaus Beta-Amyloid abspalten könnte."

Martoglio Group
Untersuchen Spaltungen von Eiweissen innerhalb von Membranen, was auch für die Alzheimer-Forschung relevant ist: Marius Lemberg, Bruno Martoglio und Andreas Weihofen (v.l.) gross

Zudem fanden Martoglio und seine Mitarbeiter anhand eines Gendatenbank-Vergleichs heraus, dass es einen ganzen Clan von analogen Spaltungseiweissen zu SPP gibt. Diese sind so interessant, dass Novartis zusammen mit Martoglio abklären will, ob diese Eiweisse bei Alzheimer eine entscheidende Rolle spielen. Ein entsprechendes Testverfahren wollen die ETH- und Novartis-Forschenden aufbauen. Bruno Martoglio zum Zweck dieser Zusammenarbeit: "Wir wollen unter anderem auch potentielle Presenilin-Inhibitoren auf Hemmung von SPP testen, um mehr über unspezifische Nebeneffekte zu erfahren."

SPP als Ausgangspunkt

Zu SPP kam Martoglio aber nicht über die Alzheimer Forschung, sondern umgekehrt. Denn der Grundtenor seiner Forschung sind Signalpeptide. Diese kann man sich als Adressen an Eiweissen vorstellen, indem sie die auszuscheidenden oder in Membranen zu integrierenden Eiweisse zu ihrem Bestimmungsort in der Zelle führen. Doch mit dem richtigen Hinführen ist die Aufgabe der Signalpeptide nicht in jedem Fall erfüllt.


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Amyloid Plaques
Hirn mit amyloiden Plaques (dunkelbraune Flecken). Diese bestehen aus Beta-Amyloid-Peptiden, deren Entstehung ETH-Forschende auf der Spur sind. (Copyright: Roger Nitsch, University of Zurich) gross

Martoglio und seine Gruppe konnten in verschiedenen Arbeiten zeigen, dass Signalpeptide häufig weiterverarbeitet werden. SPP führt beispielsweise eine solche Weiterverarbeitung durch. "Glücklicherweise war unser erstes als Modell untersuchtes Signalpeptid - während meiner Zeit um 1995 als Postdoc in Heidelberg - ein Substrat von SPP gewesen", beschreibt der Biochemiker seinen ersten Kontakt mit SPP. Aber erst ab 1998 habe er das Projekt in Zürich neu aufgegriffen und die Charakterisierung und Identifzierung von SPP angestrebt.

Hemmstoffe gegen virale Lebererkrankungen

Die jetzt durchgeführte Identifizierung von SPP geht in ihrer Bedeutung über die Alzheimer-Forschung hinaus. Denn SPP spielt für den Menschen auch eine Rolle bei Leber-Erkrankungen durch das Hepatitis-C-Virus (HCV). Beim HCV scheint SPP ein guter Angriffspunkt für Medikamente zu sein, da ein für das Virus überlebenswichtiger Baustein auf die Prozessierung durch SPP angewiesen ist. Darum will Martoglio in Zusammenarbeit mit dem Medical Research Council (MRC) (4) in London Hemmstoffe für SPP suchen. "Hierzu haben ETH und MRC unsere SPP-Assays patentiert", berichtet der Biochemiker. Die "Technology Unit" von MRC passe nun ihre Assays für das automatisierte "high throughput screening" an, um systematisch potentielle HCV-Hemmstoffe zu suchen.

Falls den Testverfahren beim HCV wie auch bei den Alzheimer-Spaltungseiweissen Erfolg beschieden ist, besteht die Hoffnung, dass weitere Wissenslücken insbesondere in der Alzheimer-Forschung gefüllt und schlussendlich auch einmal die durch Alzheimer hervorgerufenen Gedächtnislücken verhindert werden können.


Morbus Alzheimer

Alzheimer ist eine Erkrankung des Gehirns und wurde erstmals 1906 vom deutschen Psychiater Alois Alzheimer in einem Fallbericht als "eigenartige Krankheit der Hirnrinde" beschrieben. Durch den fortschreitenden Verlust an Nervenzellen leidet der Patient zunehmend an Vergesslichkeit, Sprachstörungen, Konzentrationsschwäche und Orientierungsschwierigkeiten. Man nennt dies auch Demenz. Etwa 5 - 8 % aller Personen über 65 Jahre erkranken an Alzheimer. Man geht davon aus, das in der Schweiz etwa 70'000 bis 85'000 Personen betroffen sind.

Bei Alzheimer-Patienten treten Störungen an den Nervenzellen auf, die für das Gedächtnis zuständig sind. Es kommt zu Ablagerungen in und an den Nervenzellen (Fibrillen und Plaques). Diese Ablagerungen bestehen aus dem Beta-Amyloid Eiweiss und führen zu einer Funktionseinschränkung und schliesslich zum Absterben der Nervenzellen. Insgesamt gibt es bei Alzheimer-Patienten weniger Nervenzellen und Hirnmasse als bei anderen Personen. Dies führt ausserdem zu einer niedrigeren Konzentration des Botenstoffs Acetyl-Cholin, was sich negativ auf die Informationsverarbeitung bei Alzheimer-Patienten auswirkt.




Literaturhinweise:
Bericht in Science zur ETH-Studie: "Intramembrane Proteases--Mixing Oil and Water"; Science Jun 21 2002: 2156-2157.
Bericht im Alzheimerforum zur ETH-Studie: www.alzforum.org/members/research/news/index.html#guiltypres
Allgemeine Informationen zum Hepatitis C Virus: www.hepatitis-c.de
ETH-Life-Berichte zu Alzheimer: "Erkennen des Vergessens" ; "Gedächtnis: Gewaltiges Sparpotential"

Fussnoten:
(1) Nature 417, S. 231, "Small drugs lead the attack"
(2) Martoglio-Gruppe: www.bc.biol.ethz.ch/groups/martoglio/martoglio.html
(3) "Identification of Signal Peptide Peptidase, a Presenilin-Type Aspartic Protease"; Andreas Weihofen, Kathleen Binns, Marius K. Lemberg, Keith Ashman, and Bruno Martoglio Science Jun 21 2002: 2215-2218
(4) Medical Research Council: www.mrc.ac.uk/index/about.htm



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