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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 17.12.2004 06:00

Studie zur Blutgerinnung bei Angstzuständen
Angst in den Adern

Angstzustände können die Blutgerinnung beschleunigen und dadurch womöglich die Gefahr von Thrombosen steigern. Das geht aus einer Studie mit ETH-Beteiligung hervor. Die Zusammenhänge zwischen psychischen und physischen Symptomen werden unter Anderem mit Stressimpfungsprogrammen untersucht.

Von Claudia Naegeli

„Das Blut gefriert mir in den Adern.“ Diese Redewendung bringt nicht nur eine Erfahrung vieler Menschen zum Ausdruck, sondern sie beschreibt auch gut einen damit verbundenen physiologischen Prozess. So hat Roland von Känel vom Inselspital in Bern zusammen mit Forschern des Instituts für Verhaltenswissenschaft der ETH Zürich nachgewiesen(1), dass ausgeprägte Angstzustände oder Panikattacken tatsächlich die Blutgerinnung erhöhen können. Die Studie erschien in der letzten Ausgabe der Fachzeitschrift „Psychotherapy and Psychosomatics“(2). Die Grundaussage dabei ist, dass Menschen, die nach eigenen Angaben in der vergangenen Woche Angstzustände erlitten haben, über Blutwerte verfügen, die auf einen erhöhten Firbrinumsatz schliessen lassen. Fibrin ist ein Blutfaserstoff, der an der Blutgerinnung massgeblich beteiligt ist.

Angstgefühl und Blutgerinnung

Um den Zusammenhang zwischen dem erhöhten Fibrinumsatz und den Angstgefühlen aufzuzeigen, befragten die Wissenschaftler knapp 700 Mitarbeitende in zwei verschiedenen Firmen in Deutschland. Die Probanden waren im Durchschnitt 40 Jahre alt. Der Anteil an Männern betrug 83 Prozent. Mittels einer Vier-Punkte-Skala, die von „überhaupt nicht“ bis „wirklich sehr häufig“ reichte, gaben die Versuchspersonen an, wie oft sie in der vergangenen Woche an Angst- oder Panikgefühlen litten. Anschliessend nahmen die Forscher ihnen Blutproben ab, damit sie dessen Gehalt an verschiedenen Gerinnungsfaktoren untersuchen konnten.

„Die Gerinnungsfaktoren haben eine maximale Haltbarkeit von fünf Tagen“, erklärt Roland von Känel. Deshalb habe man die Probanden nur über Angstgefühle in der letzten Woche befragt. „Würde man die Personen über einen längeren Zeitraum befragen können, würde ich noch deutlichere Resultate erwarten“, führt er weiter aus. Eine noch deutlichere Korrelation von Angstgefühlen und einer erhöhten Blutgerinnung vermutet der Wissenschaftler ebenfalls, wenn man die Blutwerte unmittelbar nach der Angst auslösenden Situation hätte untersuchen können. Eine solche Untersuchung sei aber schon rein von den technischen Bedingungen her nicht möglich, erklärt der Forscher.

Tiefer Fibrinogen-Wert durch häufige Angst

Wie sich zeigte, war eine solch aufwendige Untersuchung auch gar nicht notwenig. Das angewendete Verfahren reichte aus, um den Zusammenhang zwischen Angstgefühlen und einer erhöhten Blutgerinnung deutlich aufzuzeigen. Die 38 Männer und 58 Frauen, die angaben, häufig Angstzustände erlitten zu haben, wiesen einen um 14 Prozent erhöhten D-Dimer-Wert und einen um 6 Prozent niedrigeren Fibrinogen-Wert auf als die 532 Männer und 63 Frauen, die nach eigenen Angaben keine Furcht einflössenden Erlebnisse gehabt hatten. Diese Daten weisen darauf hin, dass durch den Gerinnungsprozess Fibrinogen zu Fibrin umgewandelt wird, dessen vermehrte Bildung durch einen Anstieg der D-dimere erfasst wird.


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Angst könnte das Thromboserisiko erhöhen, wie eine Studie mit ETH-Beteiligung zeigt. Das Bild zeigt die Thrombose in einem Herzkranzgefäss eines an einem Herzinfarkt verstorbenen Patienten.

Geschlechtspezifische Unterschiede

Dass die Blutgerinnung nicht allein durch Angstsituationen beeinflusst wird, liegt auf der Hand. Deshalb haben die Forscher um Roland von Känel die Probanden ausführlich zu ihrer körperlichen Konstitution befragt. Nebst dem Bodymass-Index mussten die Versuchspersonen über ihr Sucht- und Genussmittelkonsum, Schlafgewohnheiten oder körperliche Aktivitäten Auskunft geben. Aus diesen Befragungen resultierte, dass sich die weiblichen Probanden von den männlichen grundlegend unterschieden: Die Frauen tranken im Vergleich zu den Männern weniger Alkohol, verbrannten weniger Kalorien durch Sport, stuften die Qualität ihres Schlafes geringer ein und nahmen vermehrt vom Arzt verschriebene Medikamente ein. „Solche Faktoren wie geschlechtsspezifische Unterschiede oder die körperliche Konstitution der Versuchspersonen galt es in der Studie natürlich zu beachten“, erklärt Roland von Känel.

Stressimpfungsprogramme helfen

Weniger relevant für die vorliegende Forschungsarbeit, aber dennoch interessant findet der Forscher die Frage nach Ursache und Wirkung. Was war zuerst: Das Angstgefühl oder die erhöhte Blutgerinnung? Wäre es beispielsweise denkbar, dass sich die Blutgerinnung eines Menschen erhöht und er als Folge davon Angst empfindet? Der Forscher winkt ab: „Der Vorgang findet im menschlichen Körper statt, ohne dass die Person dies spürt.“ Aus anderen Untersuchungen, welche eher in den Bereich der modernen Emotionsforschung fallen, seien derartige Phänomene jedoch bekannt. Hier wird heute angenommen, dass eine Person erst nach der Wahrnehmung eines rascheren Herzschlags merkt bzw. fühlt, dass sie Angst hat und nicht die Angst zu einem rascheren Herzschlag führt.

Bereits aufgezeigt worden sei ebenfalls, dass so genannte Stressimpfungsprogramme einen Lösungsansatz für das untersuchte Problem darstellen. In diesen Programmen wird aber nichts injiziert, sondern Fachleute zeigen den Probanden auf, wie sie mit Stress besser umgehen können. „Das Stresshormon Cortisol wird jeweils vor und nach dem Anti-Stressprogramm gemessen“, erläutert der Wissenschaftler. Die Werte fielen nach erfolgter Schulung deutlich besser aus. Ob ein Stressimpfungsprogramm den stress- oder angstvermittelten Anstieg der Blutgerinnung abzuschwächen vermag und ob dies mit der Cortisolantwort zusammenhängt untersucht Roland von Känel in einer laufenden Studie.


Fussnoten:
(1) Roland von Känel, Brigitte M. Kudielka, Renate Schulze, Marie-Louise Gander, Joachim E. Fischer: "Hypercoagulability in Working Men and Women with High Levels of Panic-Like Anxiety", Psychotherapy and Psychosomatics 2004;73:353-360
(2) Die Webseite des Instituts für Verhaltenswissenschaft: www.ifv.ethz.ch



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