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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 21.03.2006 06:00

Neues Agrarstruktur-Modell
Bergbauern vor unsicherer Zukunft

Mit ungewohnt hohem Detaillierungsgrad zeichnen Forscher ein Zukunftsbild der Berglandwirtschaft. Unabhängig vom Szenario lautet der Grundtenor: weniger Beschäftigte, weniger Betriebe und weniger bewirtschaftete Flächen. Das neue Modell sagt aber auch, welche Parzellen nicht mehr genutzt werden.

Peter Rüegg

Sechs Szenarien haben Wissenschaftler der Forschungsanstalt Agroscope FAT Tänikon und des Beratungsbüros Infras im Rahmen des Projekts SULAPS (1) mit einem neuen Agrarstruktur-Modell berechnet, und alle sagen der Berglandwirtschaft schwere Zeiten voraus. Im Falle einer weit reichenden Liberalisierung des Agrarbereichs mit einer Kürzung der Direktzahlungen um 50 Prozent und Preisen sowie Kosten auf EU-Niveau wird in den untersuchten Bergregionen Surses und Belfort in Mittelbünden ein Fünftel der heute landwirtschaftlich genutzten Fläche aufgegeben.

Unabhängig vom Szenario wird bis 2015 auch jeder fünfte Betrieb eingestellt. Zudem werden immer weniger Menschen in der Landwirtschaft tätig sein. Bleiben die Direktzahlungen auf dem aktuellen Stand, werden bis in zehn Jahren ein Viertel der in der Landwirtschaft Beschäftigten aus ihrem Beruf aussteigen. Ändert das System, wird sogar ein Drittel der Landwirte das Handtuch werfen.

Bald nur noch Hobby-Betriebe?

Viele Betriebe werden nur noch existieren, wenn sie gleichzeitig ein zweites Standbein ausserhalb der Landwirtschaft haben. Sind jedoch zu wenig andere Arbeitsplätze verfügbar, werden im Fall einer weit reichenden Liberalisierung vier von zehn Landwirtschaftsbetrieben dicht machen müssen.

Diese Strukturveränderung hat auch einen sichtbaren Einfluss auf die Landschaft. Je nach Szenario müssen die Bauern mehr oder weniger Flächen aufgeben. Am wenigsten bei gleich bleibenden Direktzahlungs-Ansätzen und -system. Im Fall einer Liberalisierung oder wenn Subventionen auf ökologisch beitragswürdige Zahlungen beschränkt werden, wird bis 2015 ein Fünftel der im Jahr 2002 genutzten Fläche aufgegeben – und ziemlich sicher wieder zu Wald werden.

Für den ETH-Doktoranden Stefan Lauber, Mitautor der Studie, ist es klar, welche dies sind: steile, unzugängliche oder ertragsarme Flächen, so genannte Grenzertragsflächen. „Damit gehen oft abgelegene südseitige Heuwiesen verloren, die zwar für die Landwirtschaft nicht besonders viel abwerfen, dafür aber eine grosse Vielfalt an Pflanzen und Tieren aufweisen“, sagt der Agrarökonom. Bisher intensiv genutzte Parzellen würden aber auch extensiviert, was den Verlust teilweise kompensiere.

Hohe Auflösung der Prognose

Dass es die Berglandwirtschaft schwer haben wird, überrascht nicht. Das Thema ist zurzeit in aller Munde. „Neu sind hingegen die räumlich-expliziten Aussagen“, betont Lauber. „Wir können nun die Szenarien auf den einzelnen Betrieb und einzelne Schläge, also homogen genutzte Teile von Grundbuchparzellen, übertragen.“


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Liberalisierung-Szenario für die Gemeinde Alvaneu (GR): Grüne Flächen verwalden, gelbe werden dafür umso intensiver bewirtschaftet. (Bild: S. Lauber/Agroscope - Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA067719) und Bewilligung ALSV GR vom 15.3.2006.) gross

Das Prognosemodell stützt sich unter anderem auf Informationen der einzelnen Betriebe. Die Daten wurden teilweise in Interviews mit den Betroffenen detailliert erhoben. Dank diesen Informationen kann das Berechnungsmodell die Entwicklungschancen einzelner Betriebe berücksichtigen. Es lässt auch Aussagen darüber zu, welche Grösse ein Betrieb haben muss, um eine Überlebenschance zu erhalten.

Die Daten wurden parzellengenau erhoben und können mit Hilfe eines Geografischen Informationssystems räumlich dargestellt werden. So werden die Veränderungen, welche der Strukturwandel auslöst, besser sichtbar.

Plausible Daten

Das Forschungsteam der Agroscope FAT Tänikon unter der Leitung von Stephan Pfefferli berechnete insgesamt sechs verschiedene Szenarien. Eines geht davon aus, dass der Rahmen so bleibt wie er heute ist, ein anderes von einer vollständigen Liberalisierung des Agrarsektors unter gleichzeitiger Verschlechterung der allgemeinen Jobsituation. Ein weiteres Szenario rechnet damit, dass die Bauern Direktzahlungen nur noch für ökologische Leistungen erhalten.

Stefan Lauber hat die an der Studie beteiligten Landwirte bereits mit den Ergebnissen konfrontiert. Diese hätten die Resultate als plausibel und spannend bezeichnet, sagt der ETH-Doktorand. Während die Älteren eher das Gefühl hätten, es gehe gleich wie bis anhin weiter, seien jüngere daran interessiert, die Herausforderung des Strukturwandels anzugehen.


Fussnoten:
(1) Weitere Infos über das Projekt: www.fat.admin.ch/sulaps/d/sulaps_index.html



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