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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 14.07.2006 06:00

Neue Klasse von Wurzelpilzen
Paradoxe Pilze

Dunkle septierte Wurzelpilze (DSE) geben ihre Geheimnisse trotz intensiver Forschung nur häppchenweise preis. Und sie überraschen auch ETH-Forscher Thomas Sieber immer wieder. Zuletzt mit der Erkenntnis, dass sie auf landwirtschaftlich genutzten Böden nicht vorkommen. Oder dass sie erst Sporen bilden, wenn man sie im Kühlschrank vergisst.

Peter Rüegg

Einfache Forschungsobjekte sind die dunklen septierten Endophyten (DSE) nicht. Im Labor geben sich diese Wurzelpilze wenig kooperativ, unter Feldbedingungen sind sie kaum zu untersuchen. Kein Wunder: Sie leben in verholzten, mehrjährigen Wurzeln von Bäumen und dort vor allem in der Rinde. Will man sie im Labor züchten, muss man sie mit einem speziellen Verfahren aus Wurzeln isolieren.

Verkannte Klasse

Lange Zeit standen die DSE im Schatten klassischer Wurzelpilze, der Mykorrhiza, denen sich die Forschung intensiv gewidmet hat. Ein Teil dieser Mykorrhiza lebt ebenfalls endophytisch innerhalb von Pflanzen, allerdings nur in unverholzten, jungen Würzelchen. Die dunklen septierten Endophyten wurden dagegen als eigenständige Klasse von Mykorrhiza erst spät entdeckt. Am besten sind sie anhand ihrer dunkel pigmentierten Zellwände zu erkennen, die den Pilzen ihren Namen gaben.

Dabei sind DSE, die am liebsten in Koniferen und Heidelbeergewächsen siedeln, nicht einmal selten. „In den Wäldern Mitteleuropas gibt es kaum eine Fichte, die nicht von ihnen besiedelt wird“, betont Thomas Sieber, Forstpathologe am ETH-Institut für Integrative Biologie. Lange Zeit wussten die Forscher aber nicht einmal, mit welchen Pilz-Arten sie es zu tun hatten. Erst molekularbiologische Untersuchungen zeigten, dass die allermeisten DSE dem Komplex Phialocephala fortinii entspringen. Aus dieser einen „Art“ haben die Pilzspezialisten mittlerweile mehr als zehn kryptische Arten identifiziert, die äusserlich nicht, genetisch aber sehr wohl zu unterscheiden sind. Im Bödmerenwald, einem der wenigen Urwälder der Schweiz, konnten die Forscher zudem kürzlich eine weitere Art von DSE, Acephala applanata, beschreiben.

Diese Vielfalt der DSE hat Sieber überrascht. Aus einer zwölf Zentimeter langen Fichten-Feinwurzel aus dem ETH-Lehrwald am Üetliberg konnte der Postdoktorand Christoph Grünig sechs verschiedene Genotypen aus drei kryptischen Arten von Phialocephala isolieren. In einer einzigen Wurzel können demnach mehrere Arten gleichzeitig vorkommen, auch wenn sie sich anhand ihrer Gestalt nicht unterscheiden lassen.

Sporen durch Zufall

Dennoch gibt Phialocephala kaum etwas von sich preis. „Der Pilz gehört zu den Schlauchpilzen“, sagt Sieber, „aber Forscher haben in Pflanzen noch nie die Namen gebenden Schläuche, also die sexuelle Formen dieser DSE, gefunden.“ Ein Zufall musste nachhelfen, um Phialocephala im Labor zur Sporenbildung anzuregen. „Sie bilden erst Sporen, wenn man sie ein Jahr im Kühlschrank vergisst“, schmunzelt der Forscher. Das sei amerikanischen Wissenschaftlern passiert. Nur diesem Zufall ist es überhaupt zu verdanken, dass die Wissenschaftler heute wissen, dass Phialocephala Sporen bilden kann.

Ob der Pilz jedoch Sporen braucht, um sich zu verbreiten ist noch immer unklar. Solche Sporen habe man unter kontrollierten Bedingungen noch nie zum Keimen gebracht.


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Sehen aus wie kleine Gehirne: Dunkle Septierte Endophyten in den Wurzelzellen eines Baumes (Bild: T. Sieber / Inst. für Integrative Biologie) gross

Phialocephala könne aber im Labor Boden durchwachsen. Sieber vermutet deshalb, dass die Pilzfäden durch Waldboden von Baum zu Baum wachsen, ohne je eine Spore in die Luft entlassen zu müssen. Das würde auch erklären, weshalb DSE nicht in landwirtschaftlich genutzten Böden vorkommen – selbst dann nicht, wenn auf Ackerland eine Baumschule angelegt wird.

DSE nützen dem Wirt

Welche Rolle die DSE für – oder gegen – ihre Wirtspflanzen spielen, ist ebenfalls nur in Bruchstücken bekannt. „Von Abwehr von Krankheitskeimen über höhere Keimungsraten bis hin zur Schädigung des eigenen Wirts ist einiges bekannt“, sagt Sieber. Verschiedene Versuche mit Nutzpflanzen hätten gezeigt, dass die DSE ihnen durchaus nützen, um andere Pilze oder Bakterien abzuwehren. Künstlich mit Phialocephala geimpfter Chinakohl sei viel resistenter gegen Wurzelfäule, eine Pilzerkrankung. „Natürlicherweise kommen DSE aber nicht auf Chinakohl vor“, gibt der Forstpathologe zu bedenken. Vorteile von diesen Pilzen haben möglicherweise auch Pflanzen, die oberhalb der Waldgrenze wachsen. Daneben helfen die DSE den Pflanzen auch, Phosphor und Stickstoff besser aufnehmen zu können.

Verschleppt oder gewandert?

Ein Puzzlespiel ist auch die heutige Verbreitung der Phialocephala-Arten. Einige Arten kommen nur im Baltikum vor, dann aber erst mit grosser Lücke wieder in der Schweiz. Möglich ist, dass sie mit Bäumchen aus Baumschulen hierher gelangten. Die Forscher wollen deshalb die Verbreitungsgeschichte der DSE besser verstehen lernen. Ein Doktorand von Thomas Sieber wird dazu in mehreren europäischen Urwäldern Proben sammeln und die Pilzflora analysieren. Dadurch können sie Rückschlüsse auf das Ausbreitungsverhalten ziehen.

Dazu hat Sieber auch eine Hypothese: in den Eiszeiten zogen sich die Bäume samt ihren Wurzelpilzen in ihre Refugien zurück. Die Pilze verschiedener Regionen kamen dadurch miteinander in Kontakt und hybridisierten. Es entstanden neue Arten, die sich nach der Eiszeit mit ihren Wirtspflanzen wieder ausbreiten konnten. „Indem wir nun die Pilzflora von europäischen Urwäldern untersuchen, erhalten wir eine Idee, was natürlich ist und was der Mensch zur Verbreitung von DSE beigetragen hat“, sagt Sieber.


Literaturhinweise:
Grünig, C. R., A. Duo, T. N. Sieber (2006). Population genetic analysis of Phialocephala fortinii s.l. and Acephala applanata in two undisturbed forests in Switzerland and evidence for new cryptic species. Fungal Genetics and Biology 43: 410-421.
Sieber, T. N. & Gr?C. R. (2006). Biodiversity of fungal root-endophyte communities and populations in particular of the dark septate endophyte Phialocephala fortinii s. l. In: Microbial Root Endophytes (Schulz, B., Boyle, C., Sieber, T. N. (eds)), Berlin: Springer, pp. 107-135.
Website Gruppe Forstpathologie: www.forestpathology.ethz.ch/englisch/welcome.html



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