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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Science Life
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Publiziert: 24.06.2005 06:00

Die Empa feiert ihren 125. Geburtstag
Vom Prüfapparat zum Wissensgenerator

Letzten Freitag beging die Empa, die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, ihren 125. Geburtstag. Entstanden ist sie am Polytechnikum, der späteren ETH: Aus einem Kellergeschoss mit Prüfapparaten ist eine renommierte Forschungsanstalt mit rund 800 Mitarbeitern geworden, die alle nur erdenklichen Aspekte von Materialien und Materialsystemen erforschen und neue Lösungen entwickeln. Wohin er die Empa steuern will, sagt im Gespräch mit „ETH Life“ ihr CEO Louis Schlapbach.

Norbert Staub

Alles begann mit der Entwicklung eines findigen Schlossers aus Küsnacht: Johann Ludwig Werder, 1808 geboren, konstruierte 1852 einen universell nutzbaren Apparat zur Prüfung der Festigkeit von Baumaterialien. Sein geradezu genialer modularer Aufbau ermöglichte es, Materialproben zusammenzupressen, auseinander zu ziehen und zu zerreissen. Im Zuge der stürmischen industriellen Entwicklung nach der Schweizer Bundesstaatsgründung entstanden im 19. Jahrhundert immer grössere und komplexere Infrastrukturen. Bei deren Bau wurden zum Teil erhebliche Risiken eingegangen, wie das Beispiel Gotthardbahn zeigt. „Die Empa hat sich damals als die dringend nötige Prüfinstanz profiliert. Sie hat quantitative Verfahren entwickelt, um den Bau von Brücken und Gebäuden im Vornherein sicherer zu gestalten“, sagt der heutige Empa-Direktor Louis Schlapbach. Wie wertvoll Werders Erfindung bald wurde, zeigt der Umstand, dass der Bundesrat 1865 ihr eine offizielle Botschaft widmete. Bald darauf wurde sie als „eidgenössische Festigkeitsmaschine“ bezeichnet.

Ein Unglück als Nagelprobe

1880 dann der Grundsatzentscheid: Der Bundesrat ernannte Ludwig von Tetmajer, einen ehemaligen Assistenten von Carl Culmann, dem berühmten Leiter der Ingenieurschule am Polytechnikum, zum Direktor der neuen „Anstalt zur Prüfung von Baumaterialien am Schweizerischen Polytechnikum“. Wenig später erfolgte der Transfer des Instituts ins Kellergeschoss des Polytechnikums. Bald kamen ein Gas- und ein hydraulischer Motor hinzu, eine Diamanthobelmaschine, Formmaschinen, ein Zerkleinerungsapparaat für Mineralien, eine Bohrmaschine und Präzisions-Druckapparate. Die Nachfrage für Prüfungen aus der Industrie stieg stetig an: 1888 zählte man bereits 13'522 Vorgänge.

Ein Empa-Nukleus: die bahnbrechende Werdersche Prüfmaschine in einer Aufnahme von 1892. gross

1891 erfolgte der Umzug in einen Neubau an der Leonhardstrasse 27 – wo man bis 1962 blieb. Ein tragisches Ereignis bildete eine erste wichtige Nagelprobe für die Empa. Als ein Zug der Jura-Simplon-Bahn bei Münchenstein die Birs-Brücke überquerte, stürzte diese ein. 78 Menschen starben, 131 wurden verletzt – dies war das bis dahin grösste kontinentale Eisenbahnunglück. Tetmajer wurde mit der Untersuchung des Unfalls beauftragt. In seinem Bericht hielt er fest, dass die Ursache „in den zu schwachen Mittelstreben (lag); durch die excentrische Befestigung der Streben und durch die geringe Qualität des Eisens wurde der Einsturz wesentlich befördert.“ Akademisch nachhaltig bis heute war Tetmajers Feststellung, dass die bisher verwendete Eulersche Hyperbel nur im elastischen Bereich des zur Diskussion stehenden Stahles verwendet werden darf. Dieser Beitrag rückte die Empa erstmals ins internationale Interesse.

Neue Materialien und Lebensqualität

Es folgten Jahrzehnte weiteren starken Wachstums. 1928 wurde die Eidgenössische Prüfungsanstalt für Brennstoffe integriert, 1937 die Schweizerische Versuchsanstalt St. Gallen. Seit 1988 liegt das Schwergewicht der Empa nicht mehr auf der Prüftätigkeit. Aus der „Versuchsanstalt“ wurde die „Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt“. Die Gewichte verschoben sich zur anwendungsorientierten Forschung und Entwicklung. 1994 kam neben Dübendorf und St. Gallen mit Thun ein weiterer Standort dazu.


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Offen für Einblicke: Schülerinnen und Schüler besuchen die Empa Dübendorf. (Bilder: Empa) gross

Heute habe die Empa zwei Missionen, sagt Louis Schlapbach. Zum einen generiere sie Wissen in Bezug auf Materialien und Systeme und sorge für den Transfer dieses Wissens in die Industrie. „Die Empa-Entwicklung kohlenstofffaserverstärkter Strukturen zum Beispiel ermöglicht im Bauwesen weltweit völlig neue technische Lösungen“, so Schlapbach. „Die andere Aufgabe zielt auf das Interesse der Menschen an hoher Lebensqualität. Ich denke etwa an die Optimierung der Oberfläche von medizinischen Implantaten, an Schutzsysteme wie flammhemmende Textilien oder an zuverlässigere Datenspeicher“, erklärt der Empa-Direktor.

Lebensqualität aber auch in Bezug auf Räume: Hier setze die Empa auf integrierende Lösungen für Klima, Luftqualität, Lichthaushalt, Schall, Brandverhalten und Zutrittskontrolle. Der CEO: „Wir wollen zum Beispiel erreichen, dass das immer wichtigere Bauelement Glas besser die Regelung von Licht und Energie übernehmen kann.“ Auch bei den grossen Themen Mobilität und Kommunikation mischt die Empa mit: Sie arbeitet zum Beispiel an besonders schadstoffarmen Gasmotoren und an der Herstellung sicherer Datenspeicher.

ETH-Bereich: gemeinsam auftreten

Das Verhältnis Empa-ETH, respektive Empa-ETH-Bereich muss laut dem Empa-Direktor aus nationaler Optik gesehen werden. Angesprochen auf die unterschiedlichen Ansichten zur Zukunft der Empa – ins Spiel gebracht wurde unter anderem das Szenario einer Verlegung nach Lausanne – sagt Schlapbach: „Der ETH-Bereich muss erkennen, dass die Konkurrenz in Asien und den USA sitzt, aber sicher nicht in Lausanne, Zürich oder Dübendorf.“ Aus seiner Sicht muss der ETH-Bereich vermehrt als Einheit auftreten: „Zu tun gibt es für alle mehr als genug. In diesem Sinn wirkt ein mögliches Schweizer Kompetenznetzwerk für Materialforschung auf mich mehr als attraktiv, wenn die Vertrauensbildung gelingt.“

Wo steht die Empa in 25 Jahren? Louis Schlapbach ist überzeugt, dass für die Empa die jetzt schon fokussierte Mikro- und Nanoskala noch viel wichtiger wird. „Einen Boom erleben werden insbesondere Materialien, die sich an natürliche Vorbilder bezüglich und Selbstorganisation und Funktion anlehnen. Aber bei der Nanotechnologie müssen wir auch die Risiken im Auge behalten, die damit verbunden sein können“, gibt der Empa-Chef zu bedenken. Seine Institution engagiere sich schon heute in der Abklärung der Folgen dieser Technologie, in Zusammenarbeit mit Buwal und BAG, mit Medizinern und Sozialwissenschaftern.

Global verbunden

Im Bereich Energie sei unbedingt bei der effizienten Umwandlung und Nutzung anzusetzen, erklärt Schlapbach. „Gebäude und motorisierter Verkehr verfügen beim Energieverbrauch über ein gewaltiges Reduktionspotenzial ohne Komfortverlust. Hier hat die Empa gute und wichtige Karten.“ Und nicht zuletzt werde sich die Empa international noch enger vernetzen: verstärkt mit gewissen Fraunhofer-Instituten oder mit dem VTT, dem finnischen Netzwerk der technischen Institutionen. Eines von Louis Schlapbachs persönlichen Anliegen ist der Ausbau der Beziehungen zu asiatischen Partnern. Gute Kontakte bestehen bereits zum National Institute for Materials Science NIMS in Tsukuba (Japan) und zur Chinesischen Akademie der Wissenschaften.


Fest- und Besuchstag in Dübendorf

Der heute Freitag in Dübendorf stattfindende Festakt zum 125. Geburtstag der Empa steht unter dem Titel „Zukunft der Empa“. Es sprechen unter anderen Bundesrat Couchepin, Nationalrätin Barbara Haering und ETH-Ratspräsident Alexander Zehnder. Die Empa Dübendorf öffnet morgen Samstag dem Publikum die Tore. Mehr dazu siehe: www.empa.ch/




Literaturhinweise:
Lesen Sie zur Geschichte der Empa auch den Text von Monika Burri im Rahmen des Jubiläumsprojekts der ETH-Technikgeschichte „ETHistory“: www.ethistory.ethz.ch/besichtigungen/orte/empa



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