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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 01.12.2004 06:00

Auswirkungen von Elektrosmog: Studiendesign muss eindeutige Resultate erlauben
Es strahlt im Handymeer

Bis heute liegen keine wissenschaftlich anerkannten Feldstudien über die Strahlenbelastung durch den Mobilfunk vor, obschon das Thema seit Jahren diskutiert wird und politisch brisant ist. Die Forschungsstiftung Mobilkommunikation (1) der ETH Zürich hat nun die Frage abklären lassen, ob Feldstudien über eine allfällige gesundheitliche Beeinträchtigung überhaupt möglich sind.

Von Michael Breu

Das Mobilfunknetz GSM deckt in der Schweiz mittlerweile den kleinsten Winkel im Land ab, über 80 Prozent der Bevölkerung nutzt die Vorteile des Handys. Inzwischen wird weiter tüchtig ausgebaut: die drei Mobilfunkanbieter Swisscom Mobile, Sunrise und Orange erstellen derzeit das Netz der dritten Generation (UMTS) und investieren in den Aufbau der Netze W-LAN und Bluetooth. Die Zukunft, so verspricht Fulvio Caccia, Präsident der ComCom, werde effizientere Netze bringen, welche eine deutlich geringere Strahlenbelastung mit so genanntem Elektrosmog aufweisen.

Heute überschreiten nur wenige Mobilfunkanlagen den strengen Grenzwert von 4 (900 MHz) bzw. 6 (1800 MHz) Volt pro Meter. Zum Vergleich: Wer sich während 24 Stunden in der Nähe einer Mobilfunk-Basisstation aufhält, die mit einer Feldstärke von 1 V/m strahlt, ist einer ähnlichen Strahlendosis ausgesetzt, wie wenn er während drei Minuten telefoniert oder sich eine Stunde lang einen Meter von einem eingeschalteten Handy entfernt aufhält. Trotzdem besteht bei vielen Frauen und Männern die Angst, dass Mobilfunk negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben könnte. Die Angst wird von zahlreichen halbwissenschaftlichen Studien genährt, die Tumore, Migräne und Konzentrationsstörungen als Folgen von Elektrosmog beschreiben. Bernhard Aufdereggen, Vorstandsmitglied der Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz und seit 17 Jahren praktizierender Mediziner in Visp, warnt: „Es bestehen ernst zu nehmende Hinweise für Beeinträchtigungen der Gesundheit durch Basisstationen.“ Konkrete Studien, die wissenschaftlich allgemein anerkannt sind, liegen bis heute allerdings keine vor, zu viele Fragen über das Studiendesign sind noch offen.

Die Strahlung wird im Labor untersucht - hier das Beispiel von Nokia. gross


Was denken Laien?

(mib) Vier Projekte hat die Forschungsstiftung Mobilkommunikation im vergangenen Jahr ausgewählt und finanziell gefördert, ebenfalls vier Projekte wurden im 2003 abgeschlossen. Das berichtet Gregor Dürrenberger im aktuellen Jahresbericht. Aus diesen Forschungsaktivitäten resultierten im Berichtsjahr 13 Publikationen, davon vier in peer-reviewed Journals. Mit den aktuellen Projekten soll untersucht werden, welche Bedeutung Vorsorgemassnahmen und wissenschaftliche Unsicherheiten auf die Risikoeinschätzung bei Laien haben, ob epidemiologische Studien über mögliche Gesundheitseffekte durch Basisstationen machbar sind, ob elektromagnetische Felder die Stabilität des menschlichen Genoms beeinflussen und welche Effekte Elektrosmog auf den zerebralen Blutfluss und auf das Blutvolumen haben.




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Mobilfunk-Basisstation im Test: Die Strahlenbelastung wird ausgemessen. Bilder: Nokia gross

Mit einem Science Brunch (2) versuchte kürzlich die Forschungsstiftung Mobilkommunikation, die von der ETH Zürich und den drei Mobilfunkanbietern Swisscom Mobile, Sunrise und Orange gegründet wurde, die Diskussion anzuregen: „Sind Feldstudien zur Gesundheit überhaupt möglich?“, fragte Gregor Dürrenberger von der Forschungsstiftung die rund 40 anwesenden Experten. Um die Frage unabhängig zu klären, startete ein Team um Georg Neubauer von Seibersdorf Research, einem Unternehmen der Austrian Research Centers, vor zwei Jahren eine Untersuchung. Am Science Brunch stellte Neubauer seine Resultate erstmals einem breiten Publikum vor (den Fachleuten wurden sie Ende Juni 2004 am 26. Jahrestreffen der Bioelektromagnetischen Gesellschaft in Washington DC vorgestellt).

Eine Feldstudie zur Gesundheit sei prinzipiell möglich, folgerte der studierte Elektroingenieur aus den Resultaten. Allerdings müssten einige Eckpunkte im Studiendesign so definiert werden, dass eindeutige Aussagen abgeleitet werden können. Hier liege jedoch das Hauptproblem: „Wie kann man das Wohlbefinden messen?“, fragte Neubauer. Reichen dafür Messgrössen aus EEG und EKG? Oder braucht es dafür auch Blutwerte? Und wie sollen die Auswirkungen den verschiedenen Strahlenquellen zugeordnet werden? Denn neben dem Handy und der Mobilfunkantenne strahlen auch drahtlosen Telefone, Polizei- und Amateurfunk sowie Richtstrahler von Radio- und Fernsehstationen. Georg Neubauer empfiehlt deshalb, in einem ersten Schritt kontrollierte Laborstudien durchzuführen und erst später auf Feldstudien auszuweiten.

Im Auftrag der Forschungsstiftung Mobilkommunikation soll nun in einem ersten Schritt eine Studie der TNO-Labore wiederholt werden, die vor einem Jahr für Aufsehen sorgte (3). Darin wurde festgestellt, dass die GSM-Strahlung – im Unterschied zu jener des UMTS – keinen konsistenten Einfluss auf kognitive Fähigkeiten und auf das Wohlbefinden hat.


ETH-Doktor aus dem Wunderland

(mib) Mit Kunststoff- und Holzfiguren, behauptet der ägyptische Architekt und ETH-Absolvent Ibrahim Karim, könne er schlechte Mobilfunkstrahlung in positive umwandeln (4). Der Gründer der Biogeometrie sorgte vor einem Jahr im St.Gallischen Hemberg mit seiner „göttlichen Designsprache“ für Aufsehen; in den Medien wurde er anschliessend als „Karim aus dem Wunderland“ (St.Galler Tagblatt) bezeichnet. Die Vorgeschichte: Im Juni 2002 liess Swisscom Mobile im Turm der katholischen Kirche eine Mobilfunkanlage installieren. Unmittelbar nach der Inbetriebnahme klagte die Bevölkerung kollektiv „über ein vibrierendes Rauschen im Kopf, über Schlaffheit, Schlafstörungen, Augenprobleme, Angst oder Depressionen und unerklärbare Aggressionen“ (Beobachter). Karim brachte anschliessend die „Erlösung“, als er seine Figuren in Wohnungen und Kirche anbrachte und damit den Elektrosmog in ein „harmonisches Energiefeld“ umwandelte. Von Wissenschaftern – etwa vom Berner Psychologieprofessor Hansjörg Znoj – wurde Karims Biogeometrie als Humbug bezeichnet. Nun soll die Methode genauer unter die Lupe genommen werden. Das bestätigte die St.Galler FDP-Ständerätin und Präsidentin der „Ombudsstelle Mobilkommunikation und Umwelt“ Erika Forster-Vannini am Science Brunch gegenüber ETH Life. Allerdings gibt es da ein grosses Problem: Ibrahim Karim, der sich in den Medien gerne als ETH-Doktor der Naturwissenschaften zitieren lässt, stemmt sich gegen ein wissenschaftliches Studiendesign. Insbesondere wehr er sich gegen die Befragung durch Psychologen.




Fussnoten:
(1) Forschungsstiftung Mobilkommunikation: www.mobile-research.ethz.ch/
(2) Referate des ersten Science Brunch: www.mobile-research.ethz.ch/dienstleistungen.htm#sci_brunch1
(3) ETH Life berichtete am 29. September 2004 über die TNO-Studie unter dem Titel „UMTS: Kein Effekt?“: www.ethlife.ethz.ch/articles/umts_replikation.html
(4) Der Autor berichtete über den „Wunderheiler aus Ägypten“ im Juni 2004 im Frankfurter Politikmagazin „novo“ (Nr. 70, S. 23): http://www.novo-magazin.de oder www.ratio2000.de/downloads/NOVO70_breu.pdf



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