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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 26.04.2007 06:00

Detaillierte Struktur des FAS-Komplexes
Die Fettsäurefabrik und ihr Klappmesser

In einem bisher unerreichten Detaillierungsgrad konnten ETH-Forscher die Struktur des riesigen Fettsäuresynthesekomplexes aus Pilzen aufklären. Das daraus resultierende atomare Modell und die Analyse des Substrattransportes erhellen die Funktionsweise dieser zentralen biologischen Maschine. Die Arbeiten führten diesen Monat zu zwei Publikationen in der Fachzeitschrift „Science“.

Christoph Meier

Viele Proteine arbeiten in Komplexen (1). Wenige sind aber so gigantisch und beinhalten einen ganzen, rund 40 Schritte umfassenden Syntheseweg wie der 2.6 Megadalton grosse FAS-Komplex bei Pilzen. Dieser besteht aus über 23’000 Aminosäuren und ist für die essentielle Synthese von Fettsäuren zuständig. Nachdem die Wissenschafter um ETH-Professor Nenad Ban vom Institut für Molekularbiologie und Biophysik (2) bereits letztes Jahr erstmals in zwei „Science“-Publikationen die Architektur der Fettsäuresynthase aus Pilzen und Säugetieren mit einer Auflösung von etwa 5 Ångström aufgeklärt haben(3), legen sie für den Komplex aus Hefe nun weitaus detailliertere Analysen bei 3.1 Ångström vor (4). Diese geben Aufschluss über den Aufbau der verschiedenen aktiven Stellen der einzelnen Enzymkomponenten, die Substratspezifität, die katalytischen Mechanismen und den Substrat-Transport im Komplex. Mit der genaueren Analyse der Gesamtarchitektur und der Aufklärung des Mechanismus, wie die entstehenden Fettsäuren während der Synthese zwischen den Produktionsstätten transportiert werden, gelang den ETH-Wissenschaftlern wiederum das Kunststück, zwei Artikel in derselben Ausgabe der Fachzeitschrift „Science“ zu publizieren (5).

Einblick in das Innenleben des FAS-Fass’

Betrachtet man die Fettsäuresynthase als Ganzes, erinnert ihre Form an ein Fass oder Ellipsoid (Abbildung 1). Dieses besteht wiederum aus zwei Kuppeln, deren Innenräume in der Mitte durch eine Scheibe voneinander abgetrennt sind. Das Fass ist jedoch nicht ganz dicht: So gibt es bei den Kuppeln mehrere Öffnungen nach aussen und auch die Scheibe enthält deren sechs. Diese Öffnungen ermöglichen die Diffusion der Substrate in die beiden Reaktionskammern innerhalb der Kuppeln, wo die Synthese abläuft.

Die atomare Struktur der Fettsäuresynthase, die noch viel detaillierter ist als die gerade erwähnte fassartige Grobstruktur, basiert auf Messungen mit der Swiss Light Source am Paul-Scherrer-Institut (6). “Aufgrund der Möglichkeit, unsere Kristalle der Fettsäuresynthase an einer der weltweit besten Röntgenstrahlenquellen messen zu können, gelang es uns nach fünfjähriger Arbeit, Elektronen-Dichte-Karten von exzellenter Qualität zu berechnen und ein atomares Modell der Fettsäuresynthase zu bauen”, erläutert Simon Jenni, Doktorand im Team von Nenad Ban. Dadurch konnte die Forscher beispielsweise die Ketoacyl-Synthase exakt beschreiben und vergleichen. Dieses Enzym ist eingebettet in der zentralen Scheibe und seine katalytischen Taschen öffnen sich gegen die beiden Kuppelräume, wo es die Kondensation der Substrate katalysiert. Im Gegensatz zu bestimmten Bakterien, die drei Varianten benötigen, genügt den Pilzen eine Version der Ketoacyl-Synthase.

Ein Substrat-Transporter, der mehrfach auf- und zuklappt

Insgesamt konnten die ETH-Wissenschaftler in solcher Weise den gesamten Komplex charakterisieren. Als besondere Struktur klärten sie separat das ebenfalls zum Komplex gehörende Acyl Carrier Protein (ACP) auf, welches für den Substrat-Transport innerhalb der Synthese-Fabrik verantwortlich ist. Sie hielten die Struktur dieses Transportproteins in Kontakt mit der Ketoacyl-Synthase fest, ein Schnappschuss innerhalb des Reaktionszyklus. “Jedes ACP ist durch flexible Verbindungen doppelt in der Reaktionskammer verankert, wodurch die freie Bewegung so kanalisiert wird, dass Interaktionen mit den einzelnen Enzymen bevorzugt auftreten und dadurch eine optimale Katalyse ermöglicht wird”, erklärt Marc Leibundgut, Postdoktorand in der Gruppe von Nenad Ban (Abbildung 2).

Augrund der Struktur und der festgehaltenen Situation konnten die Forscher auf einen speziellen Synthesemechanismus schliessen: Ein Vorläufer einer Fettsäure mit zwei Kohlenstoffatomen wird auf ACP geladen. Danach schwingt das Trägerprotein in der Reaktionskuppel umher und bringt damit seine Ladung zu den verschiedenen katalytischen Orten. Die Forscher vergleichen das ACP dabei mit einem Klappmesser, das bei jeder reaktiven Tasche aufklappt und die wachsende Fettsäure für die Verlängerungs- und Modifikationenreaktionen präsentiert. Mehrere Transportrunden führen schliesslich zu einer Fettsäure mit 16 bis 18 Kohlenstoffatomen. Da das ACP sein Substrat so genannt kovalent, also stark, bindet, wird die Effizienz des Prozesses erhöht, denn es gibt keinen Verlust an Zwischenprodukten durch Diffusion aus der Reaktionskammer.


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Abbildung 1: Das dreidimensionale Modell der Fettsäuresynthase von Pilzen in zehnmillionenfacher Vergrösserung. Die enzymatisch aktiven Proteinabschnitte sind verschiedenfarbig gekennzeichnet. (AT, Acetyltransferase, grün; ER, Enoylreduktase, gelb; DH, Dehydratase, orange; MPT Malonyl-/Palmitoyltransferase, rot; ACP, Acyl Carrier Protein, violett; KS, Ketoacylsynthase, hellblau; KR, Ketoacylreduktase, dunkelblau). (Bild: Marc Leibundgut und Simon Jenni) gross

Abbildung 2: Das Trägerprotein ACP (schematisch dargestellt als hellblaue Kugel) ist innerhalb der Reaktionskammer mittels flexibler Verbindungen (gelb) doppelt verankert (grüne Kugeln). ACP transportiert die Fettsäure zwischen den verschiedenen Reaktionszentren (rot), wo sie verlängert bzw. modifiziert wird. (© Science) gross

Mehr Details, mehr Therapiemöglichkeiten

Die detaillierte Struktur der Fettsäuresynthase stellt eine mögliche Basis dar, um gezielt Angriffspunkte gegen Pilzkrankheiten zu finden. Dies insbesondere, da sich die Struktur der Säuger-FAS von der der Pilze unterscheidet. Da zudem die Pilz-FAS vergleichbar ist mit der der Mycobakterien, welche Krankheiten wie Lepra und Tuberkulose verursachen, gibt es auch hier möglicherweise Ansatzpunkte für die Entwicklung von Antibiotika.


Fussnoten:
(1) Vgl. „ETH Life“-Bericht „Komplexe in den Griff bekommen“: www.ethlife.ethz.ch/articles/sciencelife/multibacberger.html
(2) Arbeitsgruppe von Nenad Ban: www.mol.biol.ethz.ch/groups/ban_group
(3) Vgl. „ETH Life“-Bericht „Die Architektur von Fettsäurefabriken“: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/banFAShumfung.html
(4) Die Forschung war Teil des nationalen Schwerpunktprogrammes "Strukturbiologie": www.structuralbiology.unizh.ch/
(5) Jenni S, Leibundgut M, Boehringer D, Frick C, Mikolasek B, Ban N: „Structure of fungal fatty acid synthase and implications for iterative substrate shuttling.”Science. 2007 Apr 13;316(5822):254-61. www.sciencemag.org/cgi/content/abstract/316/5822/254 UND Leibundgut M, Jenni S, Frick C, Ban N: “Structural basis for substrate delivery by acyl carrier protein in the yeast fatty acid synthase.” Science. 2007 Apr 13;316(5822):288-90. www.sciencemag.org/cgi/content/abstract/316/5822/288
(6) Swiss Light Source: http: //sls.web.psi.ch



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