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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 29.11.2002 06:00

Proteinverzuckerung in Bakterien etabliert
Süsse neue Welt

Proteine zu verzuckern schien bis vor kurzem den höheren Organismen vorbehalten zu sein. ETH-Forschern gelang es nun, diese Fähigkeit auf das Bakterium Escherichia coli zu übertragen. Damit haben sie ein potentes Werkzeug in den Händen, um die noch wenig verstandenen Mechanismen der Verzuckerung zu untersuchen. Es ist auch ein erster Schritt zur Herstellung pharmazeutisch wichtiger Glykoproteine in E.coli.

Von Christoph Meier

Genomik und danach Proteomik - das sind zwei Begriffe, welche die Biologie der letzten Jahre prägten. Der erste bezeichnet die Forschung, die sich mit der Information auf der DNA beschäftigt, der zweite umschliesst Arbeiten, die den Genprodukten, also den Proteinen, Funktionen zuordnen. Damit vollzieht die Wissenschaft den Weg der biologischen Information vom Gen zum Protein nach. Doch der Weg ist hier noch nicht am Ende, denn bei den höheren Organismen, den Eukaryoten, werden viele Proteine noch modifiziert. Dieser Prozess wird posttranslationale Modifikation genannt und besteht vor allem im Anhängen von Mehrfachzuckern, der Glykosylierung. Die häufigste Form dieser Protein-Modifikation ist die sogenannte N-Glykosylierung, in der Zuckermoleküle an bestimmte Bausteine der Proteine gebunden werden. In dieser süssen Welt eröffnen sich insofern ganz neue Möglichkeiten, als die Mehrfachzucker im Unterschied zu der DNA oder den Proteinen nicht mehr aus linear angeordneten Bausteinen bestehen, sondern auch Verzweigungen aufweisen. Somit bieten sie eine gigantische strukturelle Vielfalt. Und genau diese Vielfalt wird für die verschiedensten Funktionen innerhalb und ausserhalb der Zelle verwendet.

Doch wie dringt man in dieses weite Feld vor und demonstriert die Funktion der verschiedenen Verzuckerungen? Die Frage ist brisant, da schon geringfügige Änderungen im Programm der Protein-Glykosylierung zum Tod von eukaryotischen Zellen führen können. Das weiss natürlich auch ETH-Professor Markus Aebi (1), der die Glykosylierung schon länger bei Bäckerhefe, dem einfachsten Modellorganismus für Eurkaryoten, untersucht. Jetzt ist seiner Forschungsgruppe aber ein Durchbruch gelungen. Michael Wacker, ein Doktorand am Institut für Mikrobiologie, konnte das Bakterium Escherichia coli (E. coli), also einen Prykaryoten, so verändern, dass dieser Organismus zu N-Glykosylierungen befähigt wurde.

Das unerwartete Gen im Bakterium Campylobacter jejuni

Begonnen hat die ETH-Forschungsgruppe ihre erfolgreiche Arbeit, die diesen Freitag in der Fachzeitschrift "Science" (2) vorgestellt wird, mit einer Suche in Gendatenbanken. Dabei stellte sich heraus, dass eine bereits bekannte, für die Glykosylierung entscheidende Gensequenz zu vielen Eukaryoten-Genen führt, aber auch zu einem Prokaryoten, dem Bakterium Campylobacter jejuni. "Damit bestand die Möglichkeit, dass diese Organismen etwas machen, dass Bakterien sonst nicht können, die N-Glykosylierung", umreisst Aebi die damalige Situation. Der ETH-Forscher, der überzeugt ist, dass ein moderner Forscher sich nicht stur an einen bekannten Modellorganismus klammern, sondern das System nach der Fragestellung ausrichten soll, konnte Michael Wacker von diesen Ideen und zu Arbeiten mit Campylobacter überzeugen.


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Die beiden ETH-Forscher Michael Wacker (rechts) und Markus Aebi (links) bei der Untersuchung von Zuckermolekülen. (Bild: zVg) gross

Der Doktorand demonstrierte in der Folge, dass Campylobacter wirklich entsprechende Glykoproteine herstellt. Durch diese Arbeit kam man in Kontakt mit zwei englischen Forschungslabors, die auch an der Glykosylierung in diesem Bakterium arbeiteten. Die englischen Forscher kamen von der medizinischen Seite her, denn Campylobacter ist ein Pathogen, das beim Menschen Durchfall auslöst. Das gemeinsame Wissen nutzte man für eine Zusammenarbeit.

Schwierigster Schritt bereits gemacht

Der entscheidende Durchbruch gelang, indem die Gene für die N-Glykosylierung von Campylobacter jejuni auf den Modellorganismus E. coli übertragen wurden, wo sie auch wirksam wurden. Obwohl eine weitere Analyse ergab, dass die in E.coli an die Proteine angehängten Zuckerreste nicht denen von Eukaryoten entsprechen, ist Markus Aebi optimistisch: "Die Zucker an den richtigen Ort in den Proteinen zu hängen ist der schwierige Schritt, und genau dies können jetzt diese veränderten E.coli-Stämme. Die Zucker nachher zu verändern, sie in die richtige Form zu bringen, das dürfte einfacher sein." Für weitere erfolgreiche Forschungen mit E.coli spricht, dass dieses Bakterium einen der best beschriebenen Organismen darstellt und dass Glykosylierungen nicht essentiell sind für E.coli. Werden also Zucker in E.coli nur als "Luxus" angehängt, wird der Modellorganismus der Mikrobiologen und der Biotechnologen auch weniger empfindlich auf diese Änderungen reagieren.

Zürich, ein Zentrum für Glykomiks

Anwendungen für gezielt manipulierte Glykoproteine gibt es viele. Aebi erwähnt eine naheliegende, die Produktion von Impfstoffen gegen Campylobacter. In weiterer Zukunft vielleicht auch die Herstellung pharmazeutisch interessanter Glykoproteine. Doch dem Forscher geht es nicht nur um Anwendungen. Er will auch grundsätzlich verstehen, was für Prozesse bei der Glykosylierung ablaufen und als Biologe auch deren molekularen Ablauf erkennen. Mit seinen zur Glykosylierung befähigten E.coli hat der ETH-Professor vielleicht das Werkzeug in der Hand, um im Verzuckerungsbereich neue Standards zu setzen. An der ETH und der Universität Zürich forschen verschiedene Gruppen an der Chemie und der Biologie der Glykosylierung. Wenn nach Genomik und Proteomik die Glykomik eines der neuen grossen biologischen Forschungsgebiete wird, dann ist die ETH und der Forschungsplatz Zürich dafür bestens gerüstet.


Fussnoten:
(1) Forschungsgruppe von Markus Aebi: http://www.micro.biol.ethz.ch/gr/gr_aebi/index.htm
(2) M. Wacker et al., N-Linked Glycosylation in Campylobacter jejuni and Its Functional Transfer into Escherichia coli, Science 298 (2002)



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