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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 14.11.2002 06:00

Neues Ratingsystem für Hausbesitzer
Renovieren, Abbrechen oder Verkaufen?

Wie ein Gebäude optimal genutzt wird, lässt sich im konkreten Fall oft nur schwer entscheiden. Ein neues Ratingsystem ermöglicht es nun den Hausbesitzern, ihr Immobilienportefeuille umfassend und zukunftsgerichtet zu analysieren.

Von Felix Würsten

Die Besitzer von Immobilien sehen sich immer wieder mit einer heiklen Frage konfrontiert: Ist die bisherige Nutzung wirklich optimal oder wäre eine Renovation oder Umnutzung nicht vorteilhafter? Oder ist am Ende gar ein Verkauf angezeigt? Will man diese Fragen unter wirtschaftlichen Aspekten seriös beantworten, muss die Bonität der Liegenschaft beurteilt werden. Der Besitzer muss also ermitteln, wie sich Ertrag und Substanzwert längerfristig entwickeln, überlegen, wann der Zeitpunkt für eine Instandsetzung günstig ist und abklären, welche Risiken und Chancen für das Gebäude auf dem Markt bestehen.

Zukunft ist entscheidend

Bisher standen den Hausbesitzern verschiedene Programme zur Verfügung, um die nötigen Grundlagen zu erarbeiten. Doch diese Instrumente ermöglichten keine umfassende und zukunftsgerichtete Bewertung der Immobilie, wie Kurt Christen von der Professur für Architektur und Baurealisation der ETH Zürich (1) ausführt. Die vorhandenen Instrumente berücksichtigen teilweise nur gewisse Aspekte und stützen sich zu stark auf die heutige Ertragslage ab. Zudem ist für den Anwender häufig nicht nachvollziehbar, auf Grund welcher Daten die Bewertung erfolgt. Die Forscher des Departements für Architektur haben nun zusammen mit Vertretern der ETH Lausanne, der EMPA Dübendorf sowie verschiedenen Immobilienfirmen ein neues Rechenmodell entwickelt, das diese Lücke schliessen soll.

Das Grundmodell, das dem neuen Ratingsystem für Immobilien zugrunde liegt. gross

Chance oder Risiko?

Kernstück des neuen Modells sind verschiedene Module, mit denen der voraussichtliche Ertrag und Aufwand während den nächsten 10 bis 15 Jahre berechnet werden kann. Auf der Ertragsseite berücksichtigt das Modell die heutigen Nutzungserträge sowie das absehbare Wachstum der Mietzinse. Auf der Aufwandseite werden die Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung sowie die laufenden Ausgaben für Betrieb und Verwaltung mit einbezogen.

Mit einem speziellen Modul können schliesslich zusätzliche Risikofaktoren berücksichtigt werden, welche die Rentabilität eines Objekts ebenfalls massgeblich beeinflussen. Zu diesen Faktoren gehören etwa die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, demographische und sozioökonomische Daten sowie die Entwicklung des Immobilienmarktes. Auch objektspezifische Elemente fliessen in die Berechnung ein. Der Standort des Bauwerks, die Nutzungsmöglichkeiten und der Mietermix sind Aspekte, die bei einer Beurteilung nicht vergessen werden sollten.


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Hausbesitzer können mit einem neuen Ratingsystem ihre Liegenschaften umfassend bewerten. gross

Wenn beispielsweise das Betriebsreglement des Flughafens geändert wird oder ein Gebäude unter Denkmalschutz gestellt wird, dann wirkt sich dies unmittelbar auf die wirtschaftliche Situation aus. Eine Stärke des Programms ist es, dass gerade solche Faktoren auch berücksichtigt werden können. Je nach dem, wie attraktiv das Gebäude ist und welche Wettbewerbsvorteile es bietet, berechnet das Programm das Risiko, das der Investor mit der Liegenschaft auf sich nimmt.

Aus den Resultaten der verschiedenen Module wird in einem nächsten Schritt mit Hilfe der Discounted-Cash-Flow-Methode (DCF) der eigentliche Liegenschaftswert ermittelt. Bei der DCF werden die zukünftigen Einnahmen und Ausgaben auf den heutigen Zeitpunkt zurück gerechnet - mit welchem Zins, das wird eben mit den verschiedenen Modulen berechnet. Auf diese Weise lässt sich der Wert einer Immobilie und die Rendite unter Berücksichtigung der zukünftigen Entwicklung zuverlässig berechnen.

Szenarien ermöglichen Vergleich

Ein grosser Vorteil des neuen Programms sei, dass verschiedene Szenarien durchgerechnet und miteinander verglichen werden können, wie Christen erklärt. Der Besitzer erhält so fundierte Entscheidungskriterien, was er mit der Immobilie machen soll und wann welche Veränderungen angezeigt sind. Der Besitzer kann beispielsweise abklären, ob es günstiger ist, ein bestehendes Wohnhaus sanft zu renovieren, zu einem Gebäude mit Luxuswohnungen umzubauen oder abzureissen und durch ein Bürogebäude zu ersetzen. Ein Vergleich von verschiedenen Szenarien ist vor allem für institutionelle Anleger von Interesse, die auf eine optimale Bewirtschaftung des Portefeuilles angewiesen sind.

Das Programm wurde während der Entwicklung bei verschiedenen Wohn- und Geschäftshäusern bereits versuchsweise angewendet. Die Resultate, so Christen, seien durchaus vielversprechend. Christen will nun zusammen mit seinen Partnern das Ratingsystem auf dem Markt als Dienstleistung anbieten. Nicht zur Diskussion hingegen steht, das Programm zu einer verkaufsfähigen Software auszubauen, da dies zu aufwendig wäre. Als mögliche Kunden sieht Christen in erster Linie Immobilienverwaltungen, die das Modell für die strategische Planung einsetzen könnten. Weniger interessant scheint das Programm hingegen für die Banken als Kreditgeber zu sein, da die Berechnungen doch recht aufwendig sind. Da zahlreiche Faktoren berücksichtigt werden, braucht es immerhin zwei bis vier Tage Arbeit, um eine Immobilie zu bewerten.


Literaturhinweise:
Ratingsystem für Immobilien. Professur P. Meyer-Meierling, HBT, ETH-Hönggerberg, 8093 Zürich, 2002, 38 Seiten, 19 Abb. SFr. 65.--

Fussnoten:
(1) Professur für Architektur und Baurealisation: www.arch.ethz.ch



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