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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 08.10.2003 06:00

Weinbau in der Schweiz: Weinqualität und die Risiken durch Stressfaktoren
Weinreben im Stress

Mehrere Pilze machen die Rebstöcke krank und nehmen überall auf der Welt zu. Doch über die Krankheiten – Eutypiose und Esca – ist noch wenig bekannt. An einer Tagung in Wädenswil informierten sich kürzlich Weinbauern und Fachberater über diese Pilzkrankheiten und andere Stressfaktoren. Den Anlass organisiert hat der Nationale Forschungsschwerpunkt „NCCR Plant Survival“ der Universität Neuchâtel (1), die ETH Zürich (2), die Hochschule Wädenswil und die Landwirtschaftliche Beratungszentrale Lindau.

Von Michael Breu

„Die Schweiz ist einer der interessantesten Weinmärkte in Europa, 45 Liter Wein werden pro Jahr und Kopf konsumiert“, sagt Dietrich Marbé-Sans von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Agrarwirtschaft und Landtechnik in Tänikon. „Trotzdem wird es für die Schweizer Weinproduzenten immer schwieriger, ihre eigenen Gewächse auf dem Inlandmarkt abzusetzen.“ Grund dafür sind vor allem die hohen Lohnkosten, die auf den Preis schlagen. Dennoch kann der Weinanbau in der Schweiz lukrativ sein. Eine nicht repräsentative Untersuchung von Dietrich Marbé-Sans zeigt, dass Spitzen-Weinbaubetriebe pro Familienarbeitskraft ein Jahresdurchschnittseinkommen von 52’100 Franken erzielen, der Verdienst somit doppelt so hoch liegt wie in der Milchlandwirtschaft. „Damit nehmen die Schweizer Weinbaubetriebe im EU-Vergleich eine Führungsposition ein“, findet der Agrarökonom. „Wichtiges Ziel des Weinbaus muss sein, den Arbeitsaufwand in den Steil- und Terrassenanlagen deutlich zu senken.“

Die Traube als "Blackbox"

„Von grosser Bedeutung ist auch die Qualitätssicherheit des Schweizer Weins“, ergänzt Wolfgang Patzwahl, Direktor des Fachgebietes Weinbau an der Hochschule Wädenswil. Im Labor habe man eine ganze Reihe verschiedener Stoffe ausfindig gemacht, welche die Qualität beeinflussen; die wichtigsten sind Alkohol, Zucker und Säure sowie Farb-, Gerb- und Aromastoffe. Trotz dem enormen Wissensfortschritt seien aber erste wenige Parameter bekannt, die Wein zum kostbaren Saft machten; Patzwahl bezeichnet die Traube deshalb als „Blackbox“. „Wie sensibel die Rebe auf Stressfaktoren reagiert, hat unser Gewächshausversuch gezeigt“, sagt Patzwahl. Einzelne Pflanzen wurden einem künstlichen Mangan-Mangel ausgesetzt, was sich prompt in negativer Photosynthese-Leistung bemerkbar machte. Auch auf intensive UV-Bestrahlung und höhere Temperaturen reagierten die Pflanzen. So konnte mit Fluoreszenz-Messungen nachgewiesen werden, dass das Chlorophyll weniger Aktivität zeigte.

70 Prozent der untersuchten Rebbau-Gebiete am Genfersee sind von der Pilzkrankheit Esca befallen. Die Krankheit richtet grossen wirtschaftlichen Schaden an. gross

Die Gewächshausversuche hat Sabrina Lanz im Freiland bestätigt. Auf der Halbinsel Au hat die Diplomandin untersucht, wie Reben auf unterschiedliche Strahlungsintensität reagieren. Neben einer Kontrollgruppe untersuchte sie Pflanzen, die mit einem Sonnenschutzfilter besprüht wurden und so schädliche UV-B- in unschädliche Wärmestrahlung umwandelten. Noch ungeklärt ist, weshalb die Aminosäurenwerte bei der UV-B-geschützten Rebe sehr


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Der ETH-Pflanzenwissenschafter Danilo Christen zeigt eine neue Methode der Früherkennung: Mit einem feinen Bohrer wird eine Probe aus dem Rebholz gewonnen und später im Labor analysiert. gross

tief waren und nur wenige hochwertige Alkohole im Saft gemessen werden konnten.

Mit zwei Pilzkrankheiten befasst sich der ETH-Doktorand Danilo Christen vom Institut für Pflanzenwissenschaften. „Beide – Eutypiose und Esca – nehmen überall auf der Welt zu und richten grossen wirtschaftlichen Schaden an“, sagt der Westschweizer. In einer Untersuchung am Genfersee – einem Chasselas-Gebiet – hatten 70 Prozent der beobachteten Parzellen einzelne Pflanzen mit Symptomen. In der Deutschschweiz hingegen seien die Krankheiten wenig verbreitet – „Riesling x Silvaner und Blauburgunder sind mässig empfindlich“ –, das Tessin wurde sogar davor verschont (Merlot ist tolerant).

Mit Biokontroll gegen die Pilze

Die Krankheit Esca war schon den Römern und Griechen bekannt, doch erst 2002 wurden in der Schweiz erstmals die beiden Erreger Phaeomoniella chlamydospora und Fomitiporia mediterranea isoliert und identifiziert. Die Eutypiose trat erstmals 1940 auf australischen Aprikosen auf, 1955 wurde sie auch auf der Rebe beschrieben. 1973 wurde der Erreger identifiziert: Eutypa lata. In der Schweiz wurde er zum ersten Mal 1977 identifiziert. „Seit dem Verbot von Natriumarsenit gibt es gegen beide Pilzkrankheiten kein wirksames Fungizid mehr auf dem Markt“, sagt Christen. Auch mit der so genannten Biokontrolle – mit nützlichen Mikroorganismen wie Fusarium lateritium oder Bacillus subtilis – wurden nur mässige Erfolge erreicht.

Die Wissenschafter der ETH forschen deshalb an neuen Biokontroll-Mechanismen. Die Erreger dieser Holzkrankheiten produzieren Toxine, die an den Blattsymptomen mitbeteiligt sind. Das Ziel ist, diese Toxine durch potentielle Biokontrollpilze abzubauen – was die tolerante Rebsorte Merlot natürlicherweise tut. Es gäbe noch eine weitere Möglichkeit: gentechnisch veränderten Pflanzen ein Resistenzgen gegen diese Toxine einzubauen. „Versuche hat man schon durchgeführt. Sogar erfolgreich. Aber sie wurden nie publiziert. Man ist zu skeptisch, weil die Bevölkerung keine Gentech-Pflanzen will“, sagt Geneviève Défago, Professorin für Phytopathologie am Institut für Pflanzenwissenschaften der ETH.

Frühdiagnose wird getestet

Danilo Christen versucht auch, mit neuen Methoden eine Frühdiagnose zu ermöglichen. Drei Ideen schienen besonders interessant: die Bohrwiderstands-Messung, die Schallausbreitung im Holz und die Computertomographie. Doch alle scheiterten, weil sie wenig praktikabel oder zu teuer sind. „Neben der klassischen Identifikation der Pilzsporen mit dem Mikroskop, sind auch molekulare Methoden sehr gut geeignet“, sagt Christen. Dazu wird mit einem nur ein Millimeter dicken Bohrer eine Probe aus dem Holz gezogen. Die darin enthaltenen Krankheitserreger werden anschliessend auf einem Agar-Nährboden vermehrt, die Erbsubstanz aus der Zelle extrahiert, mit der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) vervielfältigt und schliesslich mittels Agarose-Gelelektrophorese identifiziert.


Fussnoten:
(1) Nationaler Forschungsschwerpunkt, NCCR Plant Survival, Universität Neuchâtel: www.unine.ch/nccr/
(2) Biocontroll-Group, Institut für Pflanzenwissenschaften der ETH Zürich: www.pa.ipw.agrl.ethz.ch/



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