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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 07.10.2005 06:00

Schmelzen und Flüssigkeiten in Subduktionszonen
Nicht unterscheidbar, aber aufschlussreich

In einer nur einige Millimeter grossen Kapsel können ETH-Forscher simulieren, was in 120-180 Kilometer Tiefe geschieht, wenn eine ozeanische Platte in den Erdmantel versenkt wird. Dabei zeigt sich, dass in grosser Tiefe eine Schmelze von einer wässrigen Lösung nicht mehr unterschieden werden kann und deswegen Spurenelemente nicht mehr geeignet sind, um diese zu diskriminieren. Dieser Befund, der im Wissenschaftsmagazin „Nature“ publiziert wurde, wirft auch ein neues Licht auf die Interpretation von vulkanischer Lava in Subduktionszonen.

Christoph Meier

Am Rande der grossen Meere laufen gigantische Prozesse ab. Hier schieben sich nämlich in den so genannten Subduktionszonen die wassergesättigten ozeanischen Platten unter die kontinentalen. Da dies alles andere als reibungslos abläuft, kommt es zu Vulkanismus. Dabei spucken die Vulkane Lava aus, die einerseits aus geschmolzenem Erdmantel besteht, andererseits aber auch Anteile der ozeanischen Platte enthält. Eine Frage dabei ist, in welcher Form die ozeanische Platte ihren Beitrag liefert. Gibt sie ihre Krustenbestandteile, wenn sie immer tiefer unter die kontinentale Platte gedrückt wird als wässrige Flüssigkeit oder als Schmelze mit Wasser ab? Und wie lässt sich das feststellen?

Diesen Fragen gingen Forscher um Peter Ulmer und Max Schmidt, ETH-Professoren für magmatische Petrologie und Kristallingeologie, nach (1). Sie fanden anhand der Analyse von Spurenelementen wie Beryllium, Thorium oder Uran heraus, dass in 120 Kilometer Tiefe die Spurenelementsignatur darüber Aufschluss gibt, ob die ozeanische Platte in Form einer Schmelze oder wässrigen Lösung Stoffe abgibt. In 180 Kilometer ist diese Zuordnung nicht mehr möglich, da die Signaturen für Schmelze und Flüssigkeit gleich sind. Dieser überraschende Befund der Studie, die im Wissenschaftsmagazin „Nature“ publiziert wurde (2), hat zur Folge, dass das Vukanmagma in Subduktionszonen bezüglich Herkunft neu interpretiert werden muss.

Die Falle in der Kapsel

Doch wie gingen die ETH-Forscher vor, um zu ihren Schlüssen zu kommen? Bohrungen in 120 bis 180 Kilometer-Tiefe sind dabei kein probates Mittel, sondern Simulationen. Diese finden, gerade weil sie Aufschlüsse über Prozesse im grossen Massstab geben sollen, im Kleinen statt. Denn je kleiner die Oberfläche, desto leichter lassen sich die relevanten Drucke von 4 bis 6 Giga-Pascal erzeugen. Diese werden durch hydraulische Pressen erzeugt (siehe Bild unten), die auf 3 auf 2 Millimeter grosse Kapseln (siehe Bild rechts oben) aus Edelmetall – im beschriebenen Falle aus Gold – wirken. In den Kapseln befindet sich eine Falle. Diese besteht aus einem porösen Diamant als mittlere Schicht in der Kapsel.

Multi-anvil Apparat: Die Kraft einer hydraulischen 600 Tonnen Presse wird über verschiedene Stempelsysteme auf die etwa ein Kubikzentimeter grosse Druckmatrize fokussiert, in deren Zentrum sich die Kapsel befindet. Um die Flüssigkeit, die in die Diamantfalle segregiert, im chemischen Gleichgewicht mit den Mineralien zu halten, wird die gesamte Presse während der Heizphase des Experiments ständig vor- und rückwärts rotiert. gross


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Gold- und Gold-Palladiumt-Kapseln der typischen Groesse für Experimente bei Drucken von 4-10 Giga-Pascal. Die mittlere Kapsel ist noch auf einer Seite offen um das synthetische Gesteinspulver sowie die Diamantfalle einzufuellen. Die Kapseln werden dann verschweisst, zu Zylindern verpresst, und dann in die Druckmatrize mit Wiederstandsheizung eingebaut. (Bilder: Max Schmidt) gross

Die äusseren Schichten entsprechen in ihrer Zusammensetzung einem durchschnittlichen Basalt des ozeanischen Rückens. Wird nun der Druck – von ihm aus kann direkt auf die reale Tiefe der ozeanischen Platte geschlossen werden – und die Temperatur variiert, werden aus den Randschichten die wasserreiche Schmelze oder wässrige Lösung mit ihren gelösten Spurenelementen aus der Gesteinsschicht in die Poren der Diamantschicht hinausgepresst.

Damit hat man Spurenelemente eingefangen, aber noch nicht gemessen. Am Ende des Experiments bilden die noch homogene Schmelze oder Lösung nämlich einen wässrigen Brei von (Quench-) Kristallen, der zudem durch die Kapsel noch unter leichtem Überdruck steht. Um diesen Brei korrekt messen zu können, wendeten die Forscher einen weiteren Trick an. Sie froren die Kapseln ein, damit beim Aufschneiden kein Wasser entweicht. Die gefrorenen Diamantfallen wurden anschliessend mittels Laserablation, bei der mittels Laserstrahlen feinste Schichten abgedampft werden, auf ihre Zusammensetzung hin untersucht.

Bei grossem Druck superkritisch

Diese Untersuchung ergab dann die bereits kurz erwähnten Resultate. Beispielsweise konnte man bei 4 Giga-Pascal, was einer Tiefe von 120 Kilometer entspricht, für den Anteil des Thoriums in Lösung zwischen 800 und 900 Grad Celsius einen klaren Sprung erkennen. Das Verhältnis von gelöstem Thorium zu dem in den Mineralien enthaltenen ändert von einem Wert von kleiner als 1 zu einem grösser als 1. Das lässt den Schluss zu, dass über 800 Grad eine Schmelze vorkommt, darunter aber eine wässrige Lösung. Der erwähnte Sprung findet bei 6 Giga-Pascal beziehungsweise 180 Kilometer Tiefe nicht mehr statt. Das Verhältnis des gelösten Thoriums zu dem in der soliden Phase bleibt immer grösser als 1, entspricht also bei jeder Temperatur der Signatur einer Schmelze.

Insgesamt, so Ulmer, ist nun klar, dass bei einer Tiefe unter 160 Kilometer die Spurenelement-Signaturen mit Schmelzcharakteristik nicht unbedingt von klassischen Schmelzen stammen müssen. Die flüssige Phase verhält sich dann so genannt superkritisch, indem ein Kontinuum zwischen einer wässrigen Lösung und Schmelze entsteht. Diese für den Stofftransport in der Geologie wichtige Einsicht ist gemäss Ulmer nur möglich gewesen, da an der ETH technisches Know-how für die gekühlte Laserablation wie auch für die Kapselsimulationen kombiniert werden konnte.

Die Implikationen der experimentellen Resultate sind gemäss Max Schmidt weitreichend: Bis jetzt wurde aufgrund der Geochemie eruptierter Laven argumentiert, dass die ozeanische Kruste bei ihrer Versenkung aufgeschmolzen werden muss – was mit thermomechanischen Modellen von Subduktionszonen nur schwer in Einklang zu bringen ist. Die neuen Resultate erlauben, dieselbe geochemische Signatur bei sehr viel kälteren und auch tieferen Bedingungen – ohne Aufschmelzung - zu erzeugen. Das wiederum vereinfacht zum einen den Mechanismus von Erdbeben in einer Tiefe von mehr als 200 Kilometet, zum anderen trägt es zum Verständniss des explosiven wasserreichen Subduktionszonen-Vulkanismus' bei.


Fussnoten:
(1) ETH-Institut für Mineralogie und Petrologie: www.imp.ethz.ch/default.htm
(2) R. Kessel et al: "Trace element signature of subduction-zone fluids, melts and supercritical liquids at 120–180 km depth", Nature 437, 724-727 (29 Sep 2005)



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