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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 28.09.2005 06:00

Computersimulation ergibt Hub-Struktur
Virtuelles Stoffwechselnetz

Das Stoffwechselnetz einer Zelle zeichnet sich durch einige wenige stark verbundene Knoten aus. ETH-Forscher zeigen an einem Computermodell, wie eine solche Struktur entstehen kann.

Christoph Meier

Jeder, der einmal den Biochemieunterricht besucht hat, kennt die Karten, auf denen die Stoffwechselvorgänge der Zelle eingezeichnet sind. Obwohl eine verwirrende Vielfalt vorhanden ist, erkennt man bei genauerer Betrachtung doch eine gewisse Struktur. So gibt es die einen Moleküle, die sehr stark verknüpft sind, und die anderen, welche die Mehrheit bilden, die nur schwach in das Netz integriert sind. Da stellt sich natürlich die Frage, wie es zu einer solchen Organisationsform kommt. Warum gibt es einerseits Hub-Moleküle mit ihren vielen Kontakten und andererseits die auf eine Aufgabe beschränkten Akteure?

Nullen und die Zahl 7

Dieses Problem beschäftigt auch den ETH-Biologen Thomas Pfeiffer zusammen mit Sebastian Bonhoeffer, Professor für theoretische Biologie (1)(2).Um es zu lösen, gingen die Forscher nicht ganz wie James Bond vor, doch spielten in ihrem Erklärungsversuch Nullen und die Zahl 7 eine wichtige Rolle. Die Wissenschaftler vereinfachten für eine Computersimulation die Situation in einer ursprünglichen Zelle nämlich so, dass sie die einzelnen Stoffwechselmoleküle oder Metaboliten einfach als eine Einheit mit sieben Plätzen beschrieben. Diese Plätze wurden von je einer biochemischen Gruppe besetzt oder leer gelassen. Beim Metabolit 0010011 waren also die Gruppen 3, 6 und 7 vorhanden. Das ganze Arsenal an Metaboliten umfasste also 2^7, also128 Typen, was auch als Ausgang gewählt wurde.

Weiter ging das Modell davon aus, dass es Enzyme gab. Diese konnten biochemische Gruppen entfernen beziehungsweise anfügen, oder sie von einem Metaboliten auf einen anderen übertragen. Zudem gab es noch Transportermoleküle, welche zwei Ausgangsmetaboliten in die Zelle hineinbrachten. Den Grundstock zu Beginn der Simulation bildeten sieben relativ unspezifische Enzyme. Das heisst, diese Urenzyme waren wohl spezifisch für eine biochemische Gruppe, unterschieden aber nicht zwischen verschiedenen Metaboliten. Die Enzyme konnten dupliziert werden und ihre Eigenschaften aufgrund von Mutationen ändern, so dass aus einem multifunktionellen Enzym viele spezialisierte entstehen konnten.

Ziel: günstig Biomasse produzieren

Der Erfolg eines Netzwerkes zeigte sich in der Wachstumsrate. Diese hing davon ab, wie viel Biomasse zu welchen Kosten produziert wurde. Es wurde angenommen, dass Biomasse aus einem zufällig ausgewählten Set von 16 Metaboliten gebildet wird. Die Kosten errechneten sich aus der Anzahl der Enzyme, die notwendig war, um diese 16 Metaboliten aus den zwei in der Umwelt vorhandenen Metaboliten zu produzieren.

Als die Forscher nach all diesen Annahmen die Computer die Netze entwickeln liessen, entstanden Strukturen, die vom Bild her den bekannten Stoffwechselkarten ähnelten. In einem typischen Beispiel der 40 durchgeführten Simulationen resultierte eine Formation, die nur noch 33 der ursprünglich 128 Metaboliten enthielt. Die Anzahl der Enzyme erhöhte sich hingegen von 7 auf 28. Die meisten Metaboliten nahmen an nur zwei Reaktionen teil. Es gab aber einige wenige, die besser vernetzt waren und an zehn oder mehr Reaktionen teilnahmen. Die gemittelte Verteilung der Verknüpfungshäufigkeiten entsprach annäherungsweise einem Power-Law, wie man es auch von vielen nicht-biologischen Netzwerken wie beispielsweise dem World-Wide-Web her kennt.


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Gleicht einem natürlichen; das virtuell erzeugte Stoffwechselnetz der ETH-Forscher Thomas Pfeiffer und Sebastian Bonhoeffer. gross

Subnetz von E.coli mit ähnlicher Verknüpfung

Um aber zu klären, ob diese gefundene Art der Vernetzung einer natürlichen Situation entspricht, verglichen die Forscher ihr Netz mit Teilen des Stoffwechselnetzes des Bakteriums E.coli. Wenn die Anzahl der Metaboliten in diesen Teilnetzwerken und den Simulationen vergleichbar war, ergab sich in der Tat eine sehr gute Übereinstimmung. Das Modell könnte also durchaus einen Anhaltspunkt geben, wie ein natürliches Stoffwechselnetz entsteht. Zudem fanden die Forscher heraus, dass die am Computer generierten Netze nur dann natürlichen glichen, wenn bimolekulare Reaktionen möglich waren. Das heisst, biochemische Gruppen mussten von einem Metabolit zu einem anderen übertragen werden. Wurden sie nur entfernt oder angehängt, entstand eine viel simplere baum- und keine netzartige Struktur.

Trotz ihres Erfolges, eine mögliche Evolution von Stoffwechselnetzen nachgebildet zu haben, sind sich Pfeiffer und Bonhoeffer der Limiten ihres Modells bewusst. Beispielsweise entspreche es kaum einer natürlichen Situation, dass es Metaboliten gibt, die sich darauf spezialisiert haben, eine bestimmte biochemische Gruppe nur aufzunehmen oder abzugeben. ATP/ADP oder ähnlich zentrale Moleküle seien viel eher dadurch charakterisiert, dass sie als Donor-Akzeptor-Paare Gruppen von vielen Metaboliten aufnehmen und an viele andere Metaboliten weiterreichen können. Damit solche Donor-Akzeptor-Paare entstehen, sei es vielleicht nötig, dass man die angenommene Umwelt zu Beginn der Simulation von zwei einfachen Metaboliten variiere, meint Pfeiffer. Darum wird er in nächster Zeit die entsprechenden Berechnungen durchführen.

Auf die Frage hin, wieso sie gerade sieben Enzyme und sieben Positionen für biochemische Gruppen bei den Metaboliten angenommen haben, verneinen die Forscher einen Hang zu symbolischen Zahlen. Der Grund sei einfach gewesen: Diese Annahmen hätten es erlaubt, brauchbare Vergleiche mit natürlichen Strukturen zu machen, und gleichzeitig habe man die Rechenkapazität der Computer nicht überfordert. Schon so mussten nämlich Pfeiffer und Bonhoeffer von ihren Computer auf den Asgard Computer-Cluster der ETH Zürich ausweichen (3), damit sie ihre virtuellen Netzwerke überhaupt entstehen lassen konnten.


Fussnoten:
(1) Professur für Theoretische Biologie: www.eco.ethz.ch/portraits/bonhoeffer/
(2) Thomas Pfeiffer, Orkun S. Soyer, Sebastian Bonhoeffer: "The Evolution of Connectivity in Metabolic Networks", PLoS Biology Vol. 3, No. 7: http://biology.plosjournals.org/perlserv/?request=get-document&doi=10.1371/journal.pbio.0030228
(3) Der Ascard-Computer-Cluster: www.asgard.ethz.ch/



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