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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 08.01.2004 06:00

Abschied von der ETH: Verkehrsfachmann Heinrich Brändli
Prononcierter Praktiker

Ob zur Flugverkehrsproblematik, zum Ausbau des VBZ-Tramnetzes oder zur Häufung der Unfälle bei den SBB, Heinrich Brändli vertritt bei Verkehrsfragen auch in der Öffentlichkeit dezidiert seine Meinung. Mit seiner Pensionierung verliert das ETH-Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme ein Aushängeschild.

Von Roberto Stefàno

Heinrich Brändlis Büro im HIL-Gebäude auf dem Hönggerberg zeugte bei unserem Besuch davon: Hier zieht jemand um. Offensichtlich wurden nun die letzten Akten gewälzt und die Unterlagen von 28 Jahren Professur an der ETH noch einmal gesichtet. Während die Umzugsvorbereitungen eine gewisse Hektik und Aufbruchstimmung verbreiteten, wirkte Heinrich Brändli geradezu gelassen. Man spürte seine Freude auf den bevorstehenden neuen Lebensabschnitt, aber auch die Unbeschwertheit eines emeritierten Professors. "Nun brauche ich kein Blatt mehr vor den Mund zu nehmen, schliesslich kann mich niemand mehr entlassen", scherzte er. Was bei ihm nichts Neues ist: Bereits als ETH-Professor vertrat Heinrich Brändli immer seine eigene Meinung, auch gegen starke Widerstände.

Fluglärmstreit: "EinTrauerspiel"

Aber Heinrich Brändli suchte und sucht nicht die Konfrontation. Entscheidend ist für ihn die sachliche Argumentation. Beim Fluglärmstreit zum Beispiel sei diese jedoch nicht mehr gewährleistet, weshalb die Fronten verhärtet seien. Als Bewohner von Oberglatt kennt der Verkehrsspezialist das Lärmproblem aus eigener Erfahrung. Trotzdem empfindet er es als Trauerspiel, wie sich die ganze Situation entwickelt hat und welche Argumente nun im Vordergrund stehen. "Eigentlich sollte man nicht über die Anzahl Landungen streiten, sondern über die Lärmbelastung. Denn würden die Flugzeuge keine Lärmemissionen verursachen, wäre die Anzahl der Landungen doch ziemlich irrelevant", gibt er zu bedenken.

"An den alten mechanischen Stellwerken lernt man am einfachsten", erklärt Verkehrsexperte Heinrich Brändli. gross

"Die Lehre hat an Stellenwert verloren"

Weniger gelassen beurteilt Heinrich Brändli die Situation an seinem ehemaligen Institut IVT(1), in welches er viel Herzblut investiert hat. Dass bei gleicher Lehrbelastung zur Erfüllung derselben Lernziele wie vor 20 Jahren mittlerweile nur noch eine volle Professur zu Verfügung steht, wurmt ihn besonders. Immerhin bestand früher das Professoren-Team aus vier Personen. "Eine Umorientierung ist legitim, solange dann auch die Ziele neu definiert werden", ist er überzeugt. Was die Lehre betrifft, ist Heinrich Brändli jedoch ziemlich ernüchtert. "Die Lehre hat an unserer Schule stark an Stellenwert verloren, obwohl sie eigentlich das Wichtigste wäre", bemängelt er. Zudem befürchtet Brändli, dass die Position der ETH und damit auch die finanzielle Unterstützung durch den Bund geschmälert wird, wenn die Ausbildung der Praktiker alleine den Fachhochschulen überlassen bleibt.


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Im Keller des HIL-Gebäude steht die wohl einzige Modellanlage, bei der, wegen des starken Gebrauchs, sämtliche Schienen ersetzt werden mussten. gross

Wissen schafft und denkt nicht nur

In seinem Gebiet, so Brändli, genüge die theoretische Basis allein eben nicht. "Wenn ich ein Projekt angehe, dann versuche ich zuerst, mit den Entscheidungsträgern ins Gespräch zu kommen. Schliesslich sind sie von den Problemen direkt betroffen", erklärt der Verkehrsexperte. Dieser Dialog ist bei seiner Arbeit genauso wichtig, wie der Kontakt zur Bevölkerung oder die theoretischen Grundlagen. Auf diese Weise hat er an Projekten des öffentlichen Verkehrs in Zürich, Luxemburg, aber auch in Manila oder Vietnam mitgewirkt. Während in Zürich oder Luxemburg die sinnvolle und zukunftsgerichtete Erweiterung des bestehenden Netzes im öffentlichen Verkehr ausgearbeitet wurde, mussten in Manila beispielsweise erst die Versäumnisse der Vergangenheit wettgemacht werden.

Schulungsanlage im Keller

Ein vordergründig eher kurioses Objekt steht im Keller des HIL-Gebäudes: Die Eisenbahninstruktionsanlage. Was an eine Modelleisenbahn für Hobby-Bastler erinnert, ist in Tat und Wahrheit ein ausgeklügeltes System zur Schulung Studierender sowie des SBB-Personals, mit dessen Hilfe Sicherheitssysteme getestet oder zuvor ausgearbeitete Fahrpläne auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft werden. Die ganze Anlage hat einen geschätzten Wert von rund einer Million Franken. Dabei funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Hochschule und den beteiligten Firmen ohne schriftliche Verträge. "Mit normalen Verträgen gäbe es die Anlage gar nicht. Ein solches Vorhaben klappt nur durch Geben und Nehmen", ist Brändli überzeugt.

Prototyp Polybähnli

Die Schulungsanlage gehört genauso zu Heinrich Brändli wie die Polybahn, bei deren Umbau er federführend war. "Das Polybähnli basiert auf der Eigenverantwortung der Passagiere. Obwohl kein Personal die Standseilbahn bedient, haben sich in den Jahren seit der Wiedereröffnung 1996 keine Unfälle ereignet", erklärt er. In dieser Form stellt die Polybahn quasi einen Prototyp für ein gelungenes Fortbewegungsmittel im öffentlichen Verkehr dar.


Zur Person

Heinrich Brändli (65) war seit 1975 Professor für Verkehrsingenieurwesen an der ETH Zürich und Leiter der Fachbereiche öffentlicher Verkehr und Eisenbahnbau. Bevor er an die Hochschule kam, arbeitete er bei den städtischen Verkehrsbetrieben in Zürich als Planer und Mitglied der Geschäftsleitung. Dabei leitete er unter anderem die Planung der Zürcher U-Bahn, die 1973 vom Stimmvolk jedoch abgelehnt wurde.

Ende 2003 hat Brändli sein Büro auf dem Hönggerberg geräumt. Als Mitglied oder Berater in zahlreichen nationalen und internationalen Gremien wird der pensionierte Professor jedoch weiterhin tätig sein.




Fussnoten:
(1) Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme: www.ivt.baum.ethz.ch/welcome_d.html



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