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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 24.03.2003 06:00

50 Jahre DNA
"Eine sehr schöne Struktur"

Vor 50 Jahren entdeckten Francis Crick und James Watson die Struktur der DNA. Damit war ein Eckstein gesetzt, dank dessen die Biologie zu einer der bedeutendsten Wissenschaften werden konnte. Timothy Richmond, ETH-Professor für Molekularbiologie (1), äussert sich im Gespräch zum historischen Ereignis und seinen Folgen sowie zur modernen Strukturforschung an der DNA.

Von Christoph Meier

Sie hätten das Geheimnis des Lebens gelüftet. Nicht mehr und nicht weniger hatten zwei junge Wissenschaftler am Samstag den 28. Februar, 1953, zu erzählen, als sie um die Mittagszeit in den schäbigen Eagle-Pub in Cambridge (UK) gingen. Dem 37-jährigen Briten Francis Crick und dem 25-jährigen Amerikaner James Dewey Watson war es in einer einjährigen Zusammenarbeit gelungen, ein Modell für die DNA zu entwickeln, das die vorhandenen Daten widerspruchsfrei integrieren konnte. Somit hatten sie den Wettlauf, an dem sich in Amerika Linus Pauling und in London Maurice Wilkins sowie Rosalind Franklin beteiligten, gewonnen. Am 25. April veröffentlichten Watson und Crick ihr Modell in einem eine Seite umfassenden Artikel im Wissenschaftsmagazin "Nature". Der Bericht enthält auch den berühmten Satz: "Es ist uns nicht entgangen, dass die spezifische Paarung, die wir postuliert haben, unmittelbar einen möglichen Kopiermechanismus für das genetische Material nahe legt".

Herr Richmond, wie bedeutend war damals Strukturaufklärung der DNA?

Eine Einschätzung der damaligen Lage ist für mich schwierig, da die Entdeckung vor meiner aktiven Forscherzeit liegt. Auf jeden Fall war die Doppelhelix eine sehr schöne Struktur, die auch einen Mechanismus der Replizierung und damit der Vermehrung lieferte. Man muss aber auch sehen, dass damals strukturell über die Doppelhelix hinaus fast nichts bekannt war und folglich vor allem an der DNA als Informationsträger geforscht wurde.

Den Entdeckern gelang es, die Röntgenbeugungsdaten von Rosalind Franklin als zwei anti-parallele, spiralförmige Stränge richtig zu interpretieren. Franklin hatte über Wilkins das DNA-Material für ihre Röntgenaufnahmen vom Schweizer Chemieprofessor Rudolf Signer erhalten. Watson und Crick erkannten auch, dass die in der DNA vorhandenen Basen als Adenin-Thymin- und Guanin-Cytosin-Paare die gleiche Form aufweisen und an der Innenseite der Stränge liegen müssen. Daraus ergab sich die Doppelhelix, die aus zwei umeinander gewundenen Strängen besteht, die über paarweise angeordnete Basen miteinander verbunden sind. Für ihre Leistung erhielten James Watson, Francis Crick und Maurice Wilkins 1962 den Nobelpreis für Medizin.

Herr Richmond, wie gut sind für Sie als Röntgenkristallographen die Bilder von Rosalind Franklin?

Nun, sie zeigen das, was die Leute damals wissen mussten, um die Struktur zu lösen. Doch diese rein physikalischen Daten hätten Watson und Crick nicht genügt, um die Struktur der Doppelhelix zu finden. Sie brauchten zusätzlich Intuition und chemische Informationen. Im Vergleich zu den Bildern, die wir mit den heutigen Proben und Geräten machen können, bieten die Aufnahmen von Franklin verständlicherweise nur eine sehr rudimentäre Auflösung.

Wie weit entspricht die DNA-Struktur nach heutigem Wissen dem Model von Watson und Crick?

Das Bild der DNA hat sich stark geändert. Sie hat mehrere höhere Organisationsformen ausgehend von der Doppelhelix. Man weiss zum Beispiel, dass sich in höheren Organismen die DNA um Histonproteine wickelt, was zu sogenannten Nukleosomen führt, die ihrer Gesamtheit als Chromatin bezeichnet werden. Das Chromatin kann wieder in spezifischen Anordnungen vorliegen. Diese höheren Strukturen erweisen sich auch immer mehr als sehr dynamisches Gebilde.

Ihre Forschungsgruppe arbeitet strukturell an der DNA. Was ist denn heute der "State of the science" in der Strukturforschung?

Wir konnten gerade kürzlich zeigen, dass die DNA in einem Nukleosom signifikant von einer perfekten Watson-Crick-Helix abweicht. So ist die DNA auf der Kontaktseite mit den Histonproteinen stärker gebogen, was strukturelle Folgen für die Basenpaare der DNA hat. Da unsere Nukleosom Kristallstruktur mittlerweile eine Auflösung von 1.9 Angström (1 A = 10^-10m) hat, konnten wir auch demonstrieren, dass Wassermoleküle für Histon-DNA Wechselwirkung und damit die Stabilität des Nukleosoms entscheidend sind. Auf Grund unserer Strukturanalysen vermute ich, dass es möglicherweise eine ganze Klasse von Proteinen gibt, von denen wir heute noch nichts wissen, die aber ganz gezielt die erwähnten Unregelmässigkeiten ausnützen könnten. Hier könnten sich in bezug auf die DNA-Regulation neue Perspektiven eröffnen.

Crick und Watson waren auch in der Folge stark in der biologischen Forschung engagiert. Watson baute in Harvard das Biologie-Departement zu einer führenden Forschungsstätte aus, was ihm später noch einmal mit dem Cold Spring Harbor Laboratory gelang. Der Amerikaner wurde auch der erste Direktor des "Human Genome" Projekts. Francis Crick half massgeblich mit, den genetischen Code zu knacken. Nach 1966 wandte er sich den grossen biologischen Fragestellungen der embryonalen Entwicklung und der Bewusstseinsforschung zu. Seit 1975 ist er am "Salk Institute", wo er sich in letzter Zeit vor allem mit der Verarbeitung visueller Wahrnehmung im Gehirn beschäftigt.

Würden Sie Watson und Crick mit Darwin vergleichen?

Der Vergleich würde ich so nicht machen. Darwin hat eine ungeheure Denkleistung vollbracht, die man vielleicht mit der von Newton für die Physik vergleichen kann. Er hat etwas postuliert, das völlig quer zur damals gängigen Vorstellung war. Das war im Fall von Watson und Crick ganz anders. Sie forschten an einem damals aktuellen Problem, das "nur" noch der Lösung bedurfte.


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Eine moderne Sicht auf die Struktur der DNA: Das Bild zeigt ein Modell des Nukleosome-Kern-Partikels mit den DNA-Strängen in Braun und Türkis. Die Histon-Proteine sind blau, grün, rot und gelb gefärbt. Die goldenen Kugeln stehen für Wassermoleküle, die grünen und purpurnen für Chlorid- und Manganionen. (Bild: Timothy Richmond) gross

Basierend auf der Struktur und dem entschlüsselten Code der DNA entwickelte sich die Biologie zu einer der führenden Wissenschaften. Mittlerweilen sind schon eine ganze Reihe von Genomen entziffert, mittels DNA-Profilen werden Krankheitsanlagen identifiziert, Verbrecher entlarvt, Unschuldige entlastet, oder ganze Genealogien rekonstruiert. So erhielt zum Beispiel die Theorie, dass der Ursprung des Menschen in Afrika liegt, durch DNA-Analysen starke Unterstützung, oder es konnte gezeigt werden, dass eine Sklavin Thomas Jefferson einen Sohn gebar.

Doch die Arbeit mit der DNA zeigte sich nicht nur analytisch als gewinnbringend. Mittels der Gentechnik schufen Biologen Organismen, die Medikamente produzieren, oder Pflanzen, die gegen Schädlinge resistent sind. Bereits gibt es auch schon DNA-basierte Computer. Zudem hofft man, mittels Gentherapie Krankheiten des Menschen zu heilen zu können.

Herr Richmond, die Entdeckung der DNA ist der Ausgangspunkt für die molekulare Genetik. Hat man mit den Anwendungen jetzt das Ziel erreicht oder ist das erst ein Vorgeschmack dessen, was kommen wird?

Die vorhandenen und kommenden Anwendungsmöglichkeiten sind phantastisch. Es gibt aber auch noch sehr viel zu entdecken. Gerade in meinem Gebiet gibt es ja immer noch grössere Strukturen, die bestimmt werden können. So könnte ich mir vorstellen, dass man bei der Gentherapie für den Transport von DNA das erwähnte Chromatin chemisch stärker vernetzt. Solche Chromatinblöcke wären ausserhalb der Zelle stabil und würden dann im Zellmilieu geöffnet, so dass die gewünschte DNA zur Verfügung stünde. Ein erster Schritt ist uns mit der Stärkung der Verbindung von Nukleosomen bereits geglückt.

Das Potenzial, das in der Information und der Manipulation der DNA liegt, birgt auch Probleme. Die Gendatenbanken werfen Fragen bezüglich des Datenschutzes auf. Organismen können nicht nur zu friedlichen Zwecken, sondern auch zur Produktion von biologischen Waffen manipuliert werden. Das führte zumindest in den USA zu einer grösseren Diskussion über neue Regeln für die Laborsicherheit. Auch die vermeintlich überholte Frage, welches Leben lebenswert ist, wird mit den neuen Diagnosemöglichkeiten auf DNA-Niveau wieder neu diskutiert.

Herr Richmond, wie gross erachten Sie das Missbrauchspotenzial im Umgang mit der DNA?

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass irgend jemand einmal sein Wissen über die DNA anwenden könnte mit Absichten, die nicht zum Wohle der Menschheit sind, wie etwa biologische Waffen. Darum ist es sehr wichtig, dass wir Grundlagenforschung betreiben, damit wir gewappnet sind und nicht erpresst werden können. Es ist falsch, wenn Regierungen Forschung beschränken, ohne wissenschaftliche und ethische Standpunkte einzubeziehen.

In der Molekularbiologie gab es 1975 die Asimolarkonferenz, bei der sich wahrscheinlich zum ersten Mal Wissenschaftler selbst ein Moratorium auferlegten. Braucht es heute eine neue Asimolarkonferenz für eine Standortbestimmung der Biologie?

Grundsätzlich erachte ich die Forschenden in diesem Gebiet als sehr verantwortungsvoll. Was mir aber Sorge bereitet ist, mit welchem Tempo Forschungsergebnisse umgesetzt werden sollen. Alle reden sofort von praktischen Anwendungen, wenn Resultate vorliegen. Ich denke, es wäre wichtig, den Fokus der Forschung wieder mehr auf die Grundlagenforschung zu richten. Wir sollten die Prozesse in Zusammenhang mit der Erbsubstanz sorgfältig untersuchen und dann in Ruhe über Anwendungen diskutieren. Aber im Bereich Grundlagenforschung sollte es auf keinen Fall irgendwelche Beschränkungen geben.


Bücher zum Buch des Lebens

(mib) Das Molekül DNA feiert den 50. Geburtstag. Ein aktueller Anlass für Buchverlage. Könnte man meinen. Den Geburtstag der Erbsubstanz im Februar haben die Buchverlage verschlafen.Immerhin sollte in den nächsten Tagen "Dem Leben auf der Spur" erscheinen, eine "Biographie der DNA-Entdeckung", wie dessen Autor, Werner Bartens, schreibt (DVA-Verlag). Der studierte Arzt porträtiert in seinem Buch die beiden Forscher James Watson und Francis Crick, berichtet über die Hintergründe der Entdeckung und deren Folgen. Ebenfalls in den nächsten Tagen sollte James Watsons "Gene, Girls und Gamow - Erinnerungen eines Genies" in deutscher Sprache erscheinen (Piper-Verlag). Die "respektlose Erinnerung", wie das Buch vom Verlag selbst bezeichnet wird, hat im Vorfeld Entrüstung ausgelöst: Denn der Biochemiker zeichnet einen sehr eigenwilligen Rückblick.

Lesenswert ist auch Watsons Buch "Die Doppelhelix", das als Neuausgabe vorliegt (Rowohlt), Francis Cricks "Ein irres Unternehmen (Piper) oder Ernst Peter Fischers Biographie "Am Anfang war die Doppelhelix - James D. Watson und die neue Wissenschaft vom Leben" (Ullstein), die demnächst erscheint.




Fussnoten:
(1) Richmond Lab: www.mol.biol.ethz.ch/richmond/



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