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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 08.11.2001 06:00

Klare Geldforderungen an den Bund
Alarm für die Wissenschaft

Schwierige Situationen erfordern ungewohnte Massnahmen: Gestern richteten die politisch sonst eher zurückhaltenden Spitzenvertreter der Schweizer Wissenschaft mit dem "Manifest für den Denkplatz Schweiz" einen Appell an den Bund, die Forschung besser zu fördern - sonst drohe der Wissenschaft das Absinken ins Mittelmass. Angepeilt werden im Jahr 1,5 Milliarden Franken zusätzlich.

Von Norbert Staub

Erst Ende 2002 wird der Bundesrat seine Botschaft zur Bildungs- und Forschungsförderung der Budgetperiode 2004-2007 publizieren und damit auch finanziell Farbe bekennen. Aber schon jetzt schlagen Spitzenvertreter der Schweizer Wissenschaftsszene mit vereinten Kräften Alarm: Sie befürchten, dass der Bund, aber auch die Kantone, nach der seit zehn Jahren anhaltenden Stagnation beim staatlichen Forschungsbudget nicht genügend Gegensteuer geben. - Kein Wunder, denn unerwartete Budgetbrocken wie der Milliardenbetrag für die Swissair könnten - einmal mehr - zulasten von Bildung und Forschung gehen.

Absinken auf Provinzniveau droht

Für 2002 und 2003 hat der Bund einen Anstieg der Fördermittel um jeweils fünf Prozent gewährt - nach Ansicht der Schweizer Wissenschaftsgremien eindeutig zu wenig. "Die Schweiz droht, zur geistig-technologischen Provinz zu werden", sagte gestern in Bern Gottfried Schatz, Präsident des Schweizerischen Wissenschafts- und Technologierats. Dies zu verhindern, fordert das gestern auch in mehreren Tageszeitungen publizierte "Manifest für den Denkplatz Schweiz". Autoren sind neben Schatz Heidi Diggelmann, Präsidentin des Forschungsrats des Schweizerischen Nationalfonds (SNF), Christoph Schäublin, Rektor der Uni Bern und Präsident der Schweizer Rektorenkonferenz und ETH-Rats-Präsident Francis Waldvogel. Mitunterzeichner sind unter anderen die beiden ETH-Präsidenten, Expo-Chefin Nelly Wenger und die Wirtschaftsführer Alex Krauer und Franz Humer.

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Flammender Appell der sonst Ruhigeren im Lande: Ganzseitiges Inserat mit gekürzetem "Manifest für den Denkplatz Schweiz" gestern Mittwoch in der NZZ. gross

Zentrales Anliegen des Manifests ist es, die Forschungsbudgets ab 2004 um jährlich zehn Prozent zu erhöhen. Dadurch würde sich der jährliche Bundesbeitrag an Bildung und Wissenschaft von heute drei auf viereinhalb Milliarden erhöhen. "Diese Ausgaben sind eine Investition zugunsten der kommenden Generationen", heisst es im Text. Und weiter: "Gewiss gibt es auch andere Bedürfnisse. Diese können aber nur befriedigt werden, wenn die Schweiz ihren Spitzenplatz in der globalen Wissensgesellschaft erfolgreich verteidigt."

Nachwuchs wird vergrault

Länder von mit der Schweiz vergleichbarer Grösse und Wirtschaftskraft wie Finnland und Schweden hätten, so Gottfried Schatz, die Zeichen der Zeit erkannt und verfolgten eine viel ambitioniertere Forschungspolitik: dort würden momentan Jahr für Jahr bis zu zehn Prozent mehr staatliches Geld in Bildung und Forschung investiert.


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schaeublin schatz waldvogel diggelmann
Vereint für eine bessere Bildungs-Lobby auf Bundesebene: Christoph Schäublin (Uni Bern), Gottfried Schatz (Schweizerischer Wissenschfatsrat), Francis Waldvogel (ETH-Rat) und Heidi Diggelmann (SNF). gross

In der Schweiz werde es aufgrund ökonomischer Zwänge immer schwieriger, erstklassiges Personal zu bekommen, und besonders schmerzlich ist der "Brain drain" einheimischer Kräfte vor allem in Richtung USA: "Kürzlich scheiterte die Berufung einer hochqualifizierten Schweizer Aids-Forscherin an eine Schweizer Uni, weil für ihre aufwendige Forschung zuwenig Mittel in Aussicht standen", so Schatz. Und wenn Schweizer Institute bei der Infrastruktur etwa von chinesischen überholt werden, könne etwas nicht stimmen.

Heidi Diggelmann zeigte auf, dass in der Schweiz die Bundesbeiträge für die Grundlagenforschung im vergangenen Jahrzehnt - verglichen mit der anwendungsorientierten Forschung - deutlich langsamer stiegen. Folgerichtig darum ihre Forderung, vor allem die SNF-Forschungsbereiche I bis III (Sozial-, Natur-, Ingenieur- sowie Biowissenschaften) mit den erhofften zehn Prozent mehr Mitteln auszustatten, und hier speziell die langfristige "High-risk"-Forschung ohne Aussicht auf schnelle industrielle Umsetzbarkeit. Besonderen Handlungsbedarf sieht Frau Diggelmann bei den Doktorierenden: Nicht zum Leben reichende Entlöhnungen bewirken ein Abwandern von Talenten in die Wirtschaft, wo sie mit offenen Armen empfangen würden.

ETH wird durchleuchtet

"The race is on", sagte Francis Waldvogel und mahnte, keine Zeit zu verlieren: Angesichts der spät eintreffenden Dividenden in der Wissenschaft sei in der Schweiz bereits jetzt eine halbe Generation zum Opfer der Sparpolitik geworden. - Allerdings könne es nicht darum gehen, nur Ansprüche zu stellen: "Das Schweizer Universitätssystem muss auch seine Schwächen offenlegen", sagte Waldvogel. Der ETH-Bereich habe dazu mit dem Wechsel zum Leistungsauftrag eine Evaluationskultur eingeführt. Im Juni kommenden Jahres steht diesbezüglich eine Nagelprobe bevor. "Ein international zusammengestetzes Expertenteam wird den ganzen ETH-Bereich durchleuchten; und dessen Erkenntnisse werden veröffentlicht", so Waldvogel.

Das Manifest formuliert denn auch zwei Ziele, die als Hausaufgaben der wissenschaftlichen Institutionen selbst zu verstehen sind: Erstens: Der überall angelaufene Reformprozess mit seinen Konsequenzen "mehr Mobilität" und "bessere Nachwuchsförderung" müsse von den Hochschulen mit aller Kraft weiterverfolgt werden, und zweitens: die Wissenschaft solle mit der Gesellschaft einen "Pakt" eingehen und in einen offenen und intensiven Dialog treten. "Das Festival 'Science et Cité' im Mai 2001 war ein Schritt in diese Richtung", meinte Heidi Diggelmann, "aber es gilt jetzt, aus dem einmaligen Feuerwerk eine stetig brennende Flamme zu machen."

Berns Unirektor Christoph Schäublin skizzierte mit dem Stichwort "Bologna" die grossen Anstrengungen, die die Universitäten bei der Erneuerung der Lehre unternommen hätten - und dies bei stagnierenden Budgets. Die zusätzlich geforderten 1,5 Milliarden lägen aus seiner Sicht "eindeutig im unteren Bereich" des Notwendigen.




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