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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 09.03.2001 06:00

ETH-Ocean-Drilling-Projekt am Ziel
Schluss-Tribut an König Neptun

Die Ocean-Drilling-Kampagne unter der wissenschaftlichen Leitung des ETH-Geologen Flavio Anselmetti hat nach zweimonatigem Kreuzen vor dem Barrier Reef eine reiche Ernte eingefahren: die Bohrungen haben eine riesige Datenmenge zutage gefördert, deren Verarbeitung noch Jahre dauern wird. Wichtige Erkenntnisse stehen bereits fest: so hat sich der Meeresspiegel sich am Ende des mittleren Miozäns um 100 Meter abgesenkt. - Wir danken Flavio Anselmetti an dieser Stelle ganz herzlich für seine immer spannenden und farbigen Berichte aus "Downunder".

Von Flavio Anselmetti

Nach zwei Monaten auf See sind wir auf unserem letzten Transit. Wir haben bereits Papua Neuguinea passiert. Dort konnten wir einen aktiven Vulkan bewundern, sahen zahreiche Delphine, und jetzt, drei Tage später, sehen wir unser Ziel am Horizont : Guam, eine Insel mitten im Pazifischen Ozean. Ziemlich müde von der hektischen Bohrkampagne schauen wir uns von Ferne die Insel an und lassen den Januar und Februar nochmals Revue passieren.

Delphine
Nach der anstrengenden Bohrkampagne ist endlich auch Zeit für Beobachtungen der Meeresfauna: Springende Delphine. gross

Nachzeichnung einer gigantischen Klimaveränderung

Fast alle Berichte sind geschrieben - Tausende von Seiten haben wir gedruckt, zahlreiche Festplatten mit Daten und Interpretationen gefüllt. Obwohl wir die Riesenmenge von Daten bisher kaum in Ruhe betrachten konnten, können wir bereits mehrere Ergebnisse sehen: Eines unserer Hauptziele war zu eruieren, um wieviel der Meerespiegel am Ende des mittleren Miozäns sich abgesenkt hatte. Unsere ersten Auswertungen zeigen nun, dass sich der Meeresspiegel um gut 100 Meter absenkte. Dies geschah etwa vor 11 Millionen Jahren. Als Folge einer Klimaveränderung muss sich also damals eine riesige polare Eiskappe gebildet haben, wahrscheinlich in der Antarktis, die den Ozeanen das Wasser entzog.

Vulkan
Aktiver Vulkan bei der Passage vor Papua-Neuguinea. gross

Diese Meeresspiegelabsenkung hatte weitreichende Folgen für das Marionplateau. Ganze Plattformen wurden trockengelegt, es bildeten sich riesige Karstflächen. Wir konnten auch genau feststellen, wann der Meeresspiegel wieder anstieg und dann die Karstfläche flutete.


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Dquator-Taufe
Auch ein Chief Scientist kommt nicht darum herum: dank diesem Schlammbad wurde das erste Überqueren des Äquators zur bleibenden Erinnerung. gross

- Doch der Meeresspiegel war nicht der einzige Faktor, der die Entwicklung des Marion Plateaus bestimmte. Meereströmungen, heute wie damals ein wichtiges Element, bestimmten wo und wieviel Sediment abgelagert wurden. Diese Meeresströmungen bestimmten auch die Morphologie der Karbonatplattformen. Auch dies ist eine wichtige Erkenntnis, denn bisher dachte man immer, dass die Windrichtung entscheidend sei.

Der Traum der Geologen

Überraschend waren auch die Porenwassermessungen an erbohrten Sedimenten: Normalerweise verändern sich die Porenwässer im Untergrund sehr schnell, weil zahlreiche chemische Prozesse stattfinden. An einer Bohrstelle fanden wir in einer Tiefe zwischen 200 und 400 m unter dem Meeresboden reinstes Meereswasser - das heisst, wir erbohrten einen submarinen Aquifer. Irgendwo am Meeresboden muss also Meerwasser ins Sediment eindringen, um dann in einer geologischen Formation weiterzufliessen: Nur so können wir uns diese Beobachtung erklären.

Die Auswertungen der nächsten Monate und Jahre werden diese und andere Beobachtungen und Messungen ins richtige Licht rücken. Im Moment sind wir alle zufrieden, als Geologen bei so einem Projekt dabei gewesen zu sein. Normalerweise sind Tiefbohrungen von dieser Grössenordnung nur in der Ölprospektion und -Förderung angewandt. Das Ocean Drilling Program ermöglicht es aber, dieselbe Technik für die Forschung anzuwenden; es ist sozusagen der Traum jedes Geologen.

Zum Schluss gedemütigt von König Neptun

Fast hätte ich es vergessen: Auf unserem Transit mussten wir ja noch den Äquator passieren - und jeder, der dies noch nie auf einem Schiff erlebt hat, oder das nicht mit einem Zertifikat bestätigen kann, musste also vor König Neptun, der Königin und ihrem Baby erscheinen. Und da rächt es sich dann, wenn man sich auf See nicht gut aufführte. - Vor dem König werden die Urteile verlesen: die Strafen sind happig. Gefesselt und geknebelt musste ich die ganze Zeremonie zu Füssen Neptuns verfolgen, mit Schande und Spott für jeden der etwa dreissig Angeklagten wurde nicht gespart. Die Urteilsvollstreckung fand dann auf Deck statt. Das Schlammbad (siehe Photo) war nur die letzte Station von zahlreichen Demütigungen. Auf alle Fälle haben wir alle jetzt unser Zertifikat, das wir besser als jeden Pass hüten werden. Und alle freuen wir uns so auf die nächste Zeremonie, denn dann werden wir glücklicherweise auf Neptuns Seite stehen.


Literaturhinweise:
Weitere Logbucheinträge von Flavio Anselmetti: www.ethlife.ethz.ch/tages/show/ODPAnselmettiLog1.html
www.ethlife.ethz.ch/tages/show/Anselmetti3.html
www.ethlife.ethz.ch/tages/show/AnselmettizweiterUp.html
www.ethlife.ethz.ch/tages/show/AnselmettiODPWoche4.html
www.ethlife.ethz.ch/tages/show/AnselmettiWoche5.html
www.ethlife.ethz.ch/tages/show/Anselmetti6.html
Weiterer Bericht über das Ocean Drilling Program: www.ethlife.ethz.ch/portraet/show/ETHaufSee.html
Homepage des ODP: http://www-odp.tamu.edu



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