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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 20.05.2005 06:00

ETH-Betonkanu auf dem Zürisee getauft
"Welcome Tomorrow" schwimmt

Vom 17. bis 18. Juni findet auf dem Neckar in Heidelberg zum zehnten Mal die "Deutsche Betonkanu-Regatta" statt, an der auch die ETH Zürich mit dem Kanu "Welcome Tomorrow" teilnimmt. Teambetreuer Kristian Schellenberg vom Institut für Baustatik und Konstruktion gibt über die Vorarbeiten Auskunft. Gestern Donnerstag musste das ETH-Betonkanu für die Regatta-Teilnahme aber erst einmal vor dem Bootssteg des Ruderklubs Aviron Romand Zurich seine Feuer-, beziehungsweise Bootstaufe überstehen. – Und: "Welcome Tomorrow" schwimmt!

Regina Schwendener

Ein Aufatmen ging durch die Gästeschar, die sich gestern Donnerstag zur Bootstaufe am Mythenquai versammelt hatte: Das schlanke, graue Betonkanu namens "Welcome Tomorrow" – von zwei Mann Besatzung im Wasser ausbalanciert – schwimmt. Das war denn auch der grosse Moment für das ETH-Konstruktionsteam und die Betreuer (1) vom Institut für Baustatik und Konstruktion (IBK) (2) und vom Institut für Baustoffe (IfB) (3).

Warum tauften die Konstrukteure ihr Boot "Welcome Tomorrow"? Kristian Schellenberg hat eine einleuchtende Erklärung: "Die ETH Zürich feiert dieses Jahr ihr 150-Jahr-Jubiläum unter diesem Motto. Diese Botschaft wollen wir in die Ferne tragen."

Taufakt mit Gästen und Sonnenschein

Am sonnigen Taufakt gestern Abend enthüllte das Team das Kanu unter dem Applaus der Gästeschar. Sekt war bei der Namensgebung dabei der zweite Kontakt von "Welcome Tomorrow" mit Flüssigkeit, denn den ersten hatte das Boot auf dem kleinen Teich auf dem Hönggerberg. Nachdem Professor Thomas Vogel die Gäste mit seinen Ausführungen in die Anfänge des Betonkanu-Baus entführt und von den ersten Regatten der ETH und den daran beteilgten Personen berichtet hatte, stellte ein Teammitglied Einzelheiten aus dem Kanu-Bau vor.

Anschliessend wurde es ernst. Gemeinsam trug das Konstruktionsteam das Boot zum Wasser. Den ersten Standhaftigkeits-Test machte Thomas Vogel. Kanutin Sarah Springman meinte beim Zuschauen, dass auch sie hier vertrauensvoll einsteigen würde. "Es wird aber sehr schwierig werden, die Balance zu halten, wenn das Boot Geschwindigkeit macht", vermutete die Fachmännin. Und sie hatte recht. Nachdem " Welcome Tomorrow" geschwommen und nach einigen vorsichtigen Paddelschlägen an den Steg zurückgekommen war, passierte es: Eine unvorsichtige Bewegung, und die beiden Kanuten lagen im Wasser.

Beton und Sport – geht das?

Kanus aus Beton, die nicht nur schwimmen können, sondern sich sogar ein hartes Rennen liefern - das geht nicht zusammen, so könnte man meinen. Doch weit gefehlt: Welch vielfältige Gestaltungs- und Einsatzmöglichkeiten der Baustoff auch ausserhalb seines alltäglichen Einsatzes besitzt, dies stellen seit fast zwei Jahrzehnten zahlreiche wettkampftaugliche Boote bei der mittlerweile zu einer Institution gewordenen Deutschen Betonkanu-Regatta (4) immer wieder neu unter Beweis. Die ETH beteiligt sich seit 1994 daran, setzte für das letzte Rennen (2002) aus und gönnte sich diesmal etwas mehr Luft für die Vorbereitung, wie Kristian Schellenberg erzählt.

Die genaue Arbeit zahlt sich aus, die Schalung nimmt Form an. gross

Was zeichnet ein gutes Betonkanu, das den Schweizern an der Regatta (5) den Erfolg bescheren soll, aus? – Schellenberg: "Es muss schnell, wendig, leicht und schön sein. Und in genau diesen Punkten wollen wir uns bei der zehnten Regatta gegenüber unseren Vorgängern klar verbessern." Um diese Ziele zu erreichen, habe man nicht nur die Erkenntnissen aus den Regatten seit 1994 analysiert, sondern sich auch im Rahmen zweier Semesterarbeiten die Grundlagen hierfür erarbeitet. Da der sportliche Wettkampf aus einer Kombination von gerader Rennstrecke und Slalomkurs bestehe, habe ein Ziel der Arbeit der vergangenen Monate darin bestanden, einen Kompromiss zwischen Schnelligkeit, Manövrierbarkeit und Stabilität zu finden.

Sechs Meter und 47 Kilo

Im Jahre 2000 wog das ETH-Kanu bei einer Länge von 4,5 Metern 95 Kilogramm. "Welcome-Tomorrow" wiegt dagegen nur 47 Kilogramm, ist 0,70 Meter breit und 6 Meter lang, was der maximal erlaubten Länge eines Wettbewerbbootes entspricht.


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Hält es stand oder nicht? Professor Vogel probierte es als erster aus... gross

...und "Welcome Tomorrow" überstand den ersten Test auf wackligen Betonplanken.

Die Form des Kanus – an Bug und Heck v-förmig, in der Mitte u-förmig - habe nicht nur hydraulischen Aspekten zu genügen, so Schellenberg. "Es wurde auch darauf geachtet, dass die Schale durch die Formgebung wenig beansprucht wird." Damit möglichst wenig Turbulenzen entstehen, müsse der Bootskörper zudem straken, das heisst, die Bootsform unter Wasser muss ein gleichmässig änderndes Gefälle aufweisen. Durch das etwas spitzere Ende am Bug werde das Wasser geschnitten, gleite am Boot vorbei und werde am Heck möglichst regelmässig zusammengeführt. Die Wandstärke des Kanus bewegt sich zwischen 3 und 4 Millimetern.

Neue Materialien verwendet

Wie haben die Konstrukteure erreicht, dass das Boot um so viel leichter als das letzte ist? Kristian Schellenberg verweist auf die neuen Technologien, die hier zum Zuge gekommen sind: "In erster Linie bestand die Arbeit darin, ein geeignetes Glasfasertextil und die richtige Betonmischung unter Berücksichtigung ihrer Wirkung als Verbundwerkstoff zu finden." Aus diesem Grunde sei ein spezielles Herstellungsverfahren gewählt worden: Eine Schalung aus Holz gibt die Form des Kanus vor, der Beton mit Liaver-Kügelchen statt Kies und Sand als Zuschlag und von klebriger Konsistenz und das Textil (ein alkaliresistentes, mehraxiales Textilgelege) werden lagenweise in die Schalung gestrichen und von Hand verdichtet. Schellenberg: "Die Verwendung von Liaver geht zwar zu Lasten der Druck- und Biegezugfestigkeit der Betonmatrix, kompensiert diesen Nachteil aber durch das viel geringere Gewicht bei weitem."

Die erste Betonieretappe wird erfolgreich beendet. gross

Platzierung unterbieten

Die Betonkanu-Regatta ist eine Mischung aus Beton- und Bootsbautechnik, sportlichem Wettkampf und vor allem viel Spass für alle Teilnehmenden, auch die, die nicht als erste über die Linie gehen. Bei Entwurf, Bau, Transport und Rennen sind Phantasie, Engagement und Teamwork gefragt. Mitmachen dürfen allerdings nur Mannschaften, deren Kanus und Wasserfahrzeuge nach dem 1. Oktober 2004 gebaut wurden.

Vergeben werden in Heidelberg laut Kristian Schellenberg neben der Rangierung im sportlichen Wettbewerb zwei Wanderpreise: Einer für die Konstruktion, wobei Kriterien wie das Gewicht des Kanus, der technische Bericht, die Konstruktionsidee, Ausführung und Detaillösungen bewertet werden. der zweite für die Gestaltung – Übereinstimmung von Form und Funktion sowie die handwerkliche Ausführung. - Belegte das Team der ETH an der Regatta im Jahr 2000 von 58 Mannschaften den 8. Platz, wollen die beiden in Heidelberg startenden Teams, die sich aus den Konstrukteuren rekrutieren, dieses Ergebnis unterbieten.


Warum ein Kanu aus Beton?

Der Bau des ersten modernen Betonkanus reicht in die Jahre 1968/69 zurück. Es kam in den USA als schwere Ferrocement-Konstruktion (Feinbeton mit Maschendrahtbewehrung) mit 180 kg Gewicht "zur Welt". Ende der siebziger Jahre griff der Bundesverband der Deutschen Zementindustrie die Idee der Betonkanus auf und realisierte sie schliesslich erstmals 1986 bei der 1. Deutschen Betonkanu-Regatta, informieren die Initianten der Regatta auf ihrer Website.

Aus Universitäten, Fachhochschulen, Berufsfachschulen und Ausbildungszentren - also überall dort, wo Betontechnologie und -technik gelehrt wird - sollte nach dem Willen der Initianten zukünftigen Architekten, Ingenieuren und Baufachleuten eine Plattform geboten werden, sich im Wettbewerb mit Betonkonstruktionen und mit den Baustoffen zu befassen, bei der Ausführung handwerklich mit dem Baustoff zu arbeiten und die theoretischen Überlegungen sowie Konstruktion und Ausführung zu dokumentieren.




Fussnoten:
(1) Das Konstruktionsteam: Remo Lüchinger, Reto Signer, Luis Looser, Nicola Tatti, Alessio Indemini und Steve Brocker, Studierende der Bauingenieurwissenschaften und der Umweltnaturwissenschaften im 4. und 6. Semester, deren Leiter, die Professoren Thomas Vogel und Jan G.M. van Mier, und die Betreuer des Teams, Heinz Richner, Thomas Jaggi und Kristian Schellenberg.
(2) Institut für Baustatik und Konstruktion: www.ibk.ethz.ch
(3) Institut für Baustoffe: www.ifb.ethz.ch/
(4) Deutsche Betonkanu-Regatta Heidelberg: www.betonkanu-regatta.de/
(5) Betonkanu-Regatta, ETH Zürich: www.ibk.ethz.ch/vo/betonkanu



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