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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 24.06.2003 06:00

ETH-Bibliothek: Gast aus Rumänien
Neugierig auf Neues

Die ETH-Bibliothek unterstützt die Zentrale Universitätsbibliothek "Lucian Blaga" (ZUB) der "Babes-Bolyai"-Universität Cluj-Napoca in Rumänien in ihrer Entwicklung und beim Aufbau einer zeitgemässen Infrastruktur. Teil dieser Hilfe ist, dass Liliana Miclaus, eine Mitarbeiterin der ZUB, an der ETH Erfahrungen sammeln kann. Sie tut das mit grosser Begeisterung.

Von Regina Schwendener

Angefacht wurde dieses Feuer durch eine Initiative von Bibliotheksdirektor Wolfram Neubauer und Alice Keller (Leiterin Bestandentwicklung), die sich stark für die Weiterentwicklung der rumänischen Uni-Bibliothek und ihrer Mitarbeitenden engagieren.

Aufbruch in die Zukunft

Rumänien ist eines der ärmsten Länder des ehemaligen Ostblocks. Es konnte nicht die Beziehungen wie zum Beispiel die ehemalige DDR nach dem Fall der sozialistischen und zum grossen Teil diktatorischen Regime im Ostblock nutzen. Wie viel Elend aus der Armut in Rumänien resultiert und von der Bevölkerung geduldig ertragen wird, haben die Westeuropäer aus den Medien erfahren. "Armut und Geduld begleiten uns seit Hunderten von Jahren", sagt Liliana Miclaus. Sie macht in erster Linie die Mentalität und das diktatorische Leben unter Nicolae Ceausescu für die harzige Entwicklung des Landes verantwortlich, wo nicht nur das Geld, sondern auch der Mut zur Initiative fehlten. In den letzten Jahren hat sich aber doch einiges bewegt, das Liliana Miclaus und viele Menschen Hoffnung schöpfen lässt.

Hilfe aus der ETH-Bibliothek

Hoffnung haben auch Alice Keller und Wolfram Neubauer nach Rumänien gebracht. Sie reisen regelmässig an die Zentrale Universitätsbibliothek "Lucian Blaga" nach Cluj, um die Neuorientierung und den Ausbau der dortigen Bibliothek zu begleiten und zu unterstützen. So halten sie an dieser Uni nicht nur Vorlesungen und bilden junge Leute zu kompetenten Bibliothekarinnen und Bibliothekaren aus. Sie helfen auch beim Systemaufbau und bei der zeitgemässen Einrichtung der Bibliothek mit an der ETH ausgedienten Computern. Was allerdings fehlt, seien Lizenzen. Die ETH-Bibliothek hilft aber auch mit der Übergabe ihrer doppelten Buchbestände weiter und unterstützt die rumänische Bibliothek beim Aufbau einer Sammlung an elektronischen Dissertationen, bei der Gründung eines nationalen Konsortiums zur Lizenzierung von Datenbanken und elektronischen Zeitschriften.

Die ZUB untersteht dem Ministerium für Forschung und Lehre und gilt auch als Landesbibliothek für Transsilvanien, vergleichbar mit einer deutschen Landesbibliothek. Liliana Miclaus erzählt in recht gutem Deutsch: "Bei uns steht in der Bibliothek mehr Hoffnung als Bestand. Wissen Sie, unsere Universitätsbibliothek ist sehr alt. Und so alt müssen Sie sich auch unsere Fenster, unsere Einrichtung vorstellen. Trotzdem hat die ZUB seit 1997 Internetanschluss, einen Multimediaraum und bietet auch elektronische Dienstleistungen an. 1999 wurde die Software Aleph 500 eingesetzt. Und auch unsere Bücher sind alt, und teilweise ist der alte Bestand sehr wertvoll - er umfasst viele Rara und auch alte deutsche Zeitschriften. Auf den Buchbestand an einheimischer Literatur können wir stolz sein. Jetzt gibt es die neue Literatur dazu - nur nicht genug, und die Bibliothek verfügt ausserdem über zu wenig ausländische Bücher und Fachzeitschriften."


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Mentoring in der Bibliothek: Alice Keller (links) betreut Liliana Miclaus, die während ihres Gastaufenthaltes an der ETH Leben und Arbeitweise der Schweizerinnen und Schweizer studiert. gross

Vieles sei dank der ETH-Hilfe inzwischen bereits vorhanden oder man wisse heute, wie man es besorgen kann, aber die Professorinnen und Professoren beziehen gewünschte Zeitschriftenaufsätze häufig noch über ausländische Kolleginnen und Kollegen, weil sie die Leistungsmöglichkeiten ihrer Bibliothek nicht kennen. Es scheint, dass viele Lehrkräfte nicht genug Vertrauen in das Potential und die Möglichkeiten der Bibliothek haben, so Miclaus. Es fehle an Kommunikation, aber auch an Enthusiasmus und an Visionen. "Das alles, so hoffe ich, werden wir in zehn Jahren haben", so die strahlende und optimistisch in die Zukunft schauende Bibliotheksmitarbeiterin - diplomierte Chemikerin und Mutter zweier Kinder, die jetzt, mit 42 Jahren nebenbei noch Psychologie studiert, was bis zum Fall der Diktatur nicht möglich war.

Wollen und Können

"Wir möchten und wollen uns weiter entwickeln und den Anschluss an die anderen Länder finden, aber wir müssen dazu immer auch nach Geld fragen, weil wir keines haben", bedauert die Rumänin. Mit den ordentlichen Bibliotheksmitteln könnten keine ausländischen Bücher gekauft werden. Dies und die Einrichtung eines Bibliothekssystems, wie es die ETH-Bibliothek habe, sei nur über Sondermittel möglich. Es gilt, noch unzählige Hürden zu überwinden, zu denen unter anderem der zu niedrige Lohn und die Bürokratie gehören, die Einstellung der Menschen zu Selbstverantwortung, Engagement und Initiative.

Miclaus ist sicher, dass die Zusammenarbeit mit den ETH-Bibliotheksverantwortlichen auf dem richtigen Weg ist. Gleichzeitig sei das eine grosse Ehre für die Universität und die Bibliothek von Cluj. Sie spüre bereits jetzt, dass - wenigstens in ihrer Bibliothek - eine positive Bewegung in Gang gekommen ist, die sie "mit grossem Eifer und Feuer" und vielen eigenen und neuen Ideen schüren will.

Eine Generation überspringen

Man könne in Rumänien in der Entwicklung der Bibliothek praktisch eine Generation überspringen und mit dem elektronischen Zeitalter beginnen, meint Alice Keller. Das Internet - in Rumänien sind Internet-Cafés stark verbreitet und das Interesse daran sehr gross - stellt hier eine grosse Chance dar. Was braucht es also noch? "Personen, die das System tragen, ein starkes Team, eine gute Organisation und eine kompetente Leitung", war die spontane Antwort Liliana Miclaus'. "Die ETH-Bibliothek schreibt an einem Konzept, das sich an der Realität in Rumänien orientiert. Es soll die rumänischen Kolleginnen und Kollegen bei den nächsten Schritten kräftig unterstützen", so Alice Keller.




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