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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 03.06.2005 06:00

Publikation und Fachtagung zum Thema Bioterror
Eine unheimliche Gefahr

Die "Anthrax-Krise" im Herbst 2001 zeigte exemplarisch, dass westliche Gesellschaften durch Bioterror massiv gestört werden können. Eine Publikation der Forschungsstelle für Sicherheitspolitik (CSS) der ETH zeigt auf, wie sich die Schweiz besser schützen könnte. An einer internationalen Tagung des CSS diskutierten Experten zudem über die weltweite Bedrohungslage.

Von Felix Würsten

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 tauchten kurz darauf in den USA mysteriöse Briefe auf, die mit Anthrax-Sporen verseucht waren. Fünf Menschen starben, weil sie sich mit dem Milzbranderreger infiziert hatten. Ähnliche, wenn auch harmlose Briefe wurden in der Folge von Nachahmertätern verschickt. Auch in der Schweiz tauchten solche Briefe auf. Obwohl sie keine Anthrax-Erreger enthielten, verursachten sie beachtliche wirtschaftliche Schäden. So musste beispielsweise ein Teil des Flughafens Zürich vorübergehend geschlossen werden. Die Schweiz sah sich damals vor eine ungewohnte Situation gestellt, welche sie im Rückblick nicht optimal bewältigte.

Die Situation hat sich verbessert

Michael Guery von der Forschungsstelle für Sicherheitspolitik (CSS) (1) der ETH Zürich hat nun in einer kürzlich publizierten Studie (2) aufgezeigt, wie sich die Schweiz gegen bioterroristische Anschläge besser schützen könnte. "Die Situation in der Schweiz hat sich im Vergleich zu 2001 deutlich verbessert", erklärt er. "Insbesondere wurde das Netzwerk der Experten verstärkt. Man kennt sich heute und trifft sich regelmässig zum Informationsaustausch."

Obwohl sich die Verantwortlichen bemühen, die Vorsorgemassnahmen weiter zu optimieren, hat Guery in seiner Arbeit verschiedene Schwachstellen aufgezeigt und Verbesserungsvorschläge gemacht. Ein grundsätzliches Problem sind etwa die unklaren Zuständigkeiten zwischen Bund und Kantonen. "Bioterroristen verbreiten absichtlich gefährliche Krankheiten. Da der Bund für die Bekämpfung solcher Krankheiten zuständig ist, würde ihm eigentlich die Koordination der B-Abwehr zukommen. Gleichzeitig geht es beim Bioterror auch um die innere Sicherheit, und diese wiederum ist Sache der Kantone", erklärt Guery.

Kantone müssen zusammenarbeiten

Dass diese Situation im konkreten Fall unbefriedigend ist, zeigte sich 2001. Die Post war damals mit über Tausend potenziell verseuchten Briefen und Paketen konfrontiert. Das von Kanton zu Kanton leicht unterschiedliche Vorgehen erschwerte es dem Unternehmen, die Krise optimal zu bewältigen. "Ziel müsste es sein, in den Kantonen gleichwertige B-Schutzkonzepte zu erarbeiten", erklärt Guery. Interkantonal sind bereits Modelle für ein einheitlicheres Vorgehen der Kantone vorhanden.

Wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen sind auch beim B-Schutz die finanziellen Mittel limitiert. So wurde beispielsweise das Institut für Klinische Mikrobiologie und Immunologie in St. Gallen, das als Referenzlabor für Bioterror-relevante Viren diente, Anfang 2004 aus Spargründen aufgelöst. Die Lücke konnte bis jetzt nicht geschlossen werden. Zur Zeit wird nun geplant, als Ersatz am Labor Spiez (3) ein neues Hochsicherheitslabor einzurichten. "Dies würde allerdings Investitionen in der Grössenordnung von 30 Mio. Franken erfordern", meint Guery.

Umstrittene Umlagerung der Mittel

Im Vergleich zu vielen anderen Ländern steht die Schweiz gut da, fügt Guery hinzu. Bedeutend umfangreicher sind die Vorsorgemassnahmen hingegen in Grossbritannien und in den USA. Ob die umfangreichen finanziellen Mittel von den USA effizient eingesetzt werden, ist allerdings umstritten. Ein internationales Expertentreffen in Fürigen (Kt. NW), das vom CSS Ende April organisiert wurde, zeigte jedenfalls, dass auch in den USA selbst die Meinungen auseinander gehen. Verschiedene Gesundheitsexperten monieren etwa, dass seit den Terroranschlägen im Jahr 2001 für die Bekämpfung der wirklich schlimmen Krankheiten deutlich weniger Geld zur Verfügung stehe. Krankheiten wie AIDS, Malaria oder Tuberkolose fallen jährlich Millionen Menschen zum Opfer, während bei den Anthrax-Anschlägen "nur" fünf Personen starben. Die massive Umlagerung der Mittel sei daher nicht gerechtfertigt.


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Im Herbst 2001 wurden solche mit Anthrax-Sporen verseuchten Briefe an Politiker und Medienschaffende verschickt. (Bild: FBI) gross

"Es ist sehr schwierig, das Gefährdungspotential biologischer Waffen richtig einzuschätzen", meint dazu Reto Wollenmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am CSS und Organisator des Expertentreffens. Gerade die Gentechnologie eröffne ungemütliche Perspektiven. "Es könnte sein, dass Terroristen künftig Antibiotika-resistente Anthrax-Erreger einsetzen oder aggressive Viren mit viel kürzeren Inkubationszeiten", meint er. "Denkbar sind auch Kampfstoffe, bei denen ein an sich harmloses Bakterium mit aggressiven Charakteristiken anderer Bakterien versehen wird. Für das Krisenmanagement wären insbesondere solche neuen Kampfstoffe problematisch, die schlecht nachzuweisen sind und die Behörden deshalb lange im Dunkeln tappen lassen."

Gefährdung durch Abwehr

Anthony Cordesman vom Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington (4) wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass verschiedene Gruppierungen aktiv versuchen, sich Zugang zu B-Waffen zu verschaffen. Nach dem Afghanistan-Krieg habe man entdeckt, dass das entsprechende Programm der Terrororganisation al-Kaida weiter fortgeschritten ist, als man vor dem Krieg dachte. Für die Nachrichtendienste sei es zudem schwierig, gefährliche Aktivitäten rechtzeitig zu erkennen. Denn in diesem Bereich würde häufig mit Gütern hantiert, die sowohl für militärische als auch zivile Zwecke verwendet werden können.

Für die westliche Staatengemeinschaft stellt sich zudem das Problem, dass die intensive Beschäftigung mit dem Thema gleichzeitig auch die Gefahr vergrössert. "Durch den Ausbau der B-Waffen-Abwehr erhalten mehr Personen Zugang zum Fachwissen", erklärt Wollenmann. "Es gibt mehr gefährliche Güter und mehr Laboratorien, in die eingebrochen werden kann oder aus denen gefährliche Stoffe entweichen können. Das Risiko, dass ein Insider etwas anstellt, nimmt zu." Kritische Stimmen weisen denn auch darauf hin, dass es sich beim Anthrax-Stamm, der im Herbst 2001 Tote forderte, um einen Kampfstoff aus einem US-Labor handelte. "Etliche Experten", so Wollenmann, "vertreten heute die Ansicht, die Antwort der USA sei inzwischen selbst Teil des Problems."


Fussnoten:
(1) Homepage der CSS: www.css.ethz.ch
(2) Michael Guery: Biologischer Terrorismus in Bezug auf die Schweiz. Zürcher Beiträge zur Sicherheitspolitik und Konfliktforschung, Nr. 74. Die Studie kann auf der folgenden Seite heruntergeladen werden: www.isn.ethz.ch/crn/publications/publications.cfm
(3) Homepage des Labors Spiez: www.labor-spiez.ch/
(4) Homepage des CSIS: www.csis.org/



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