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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 05.02.2002 06:00

Nobelpreisträger F. S. Rowland zur Ozonschicht und dem Klima
"Es bräuchte so etwas wie das Ozonloch"

Prominenter Besuch letzte Woche an der ETH Zürich: F. Sherwood Rowland, Nobelpreisträger und Entdecker der ozonabbauenden Wirkung der Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe (FCKW), debattierte im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit Studierenden über den Schutz der Ozonschicht (1). ETH Life konnte mit dem Nobelpreisträger über seine Arbeit und die politischen Folgen des Ozonlochs sprechen.

Interview: Lukas Denzler

Im Juni 1974 veröffentlichte das Wissenschaftsmagazin "Nature" ihre Thesen über den Abbau der Ozonschicht durch Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe (FCKW). Was waren ihre Gedanken, als sie diese Publikation einreichten?

Ich wusste damals: Wenn wir mit unserer Einschätzung richtig liegen, dann haben wir etwas Wichtiges entdeckt. Und wir waren überzeugt, dass wir richtig liegen. Wir hatten alle denkbaren Überprüfungen durchgeführt.

War die zerstörende Wirkung der FCKW auf die Ozonschicht für Sie eine Überraschung?

Eigentlich schon. Wir wollten primär die Wirkung der FCKW erforschen. Die Frage des Ozons war in unserem Forschungsplan nicht einmal aufgeführt. Die FCKW-Moleküle sind sehr langlebig und gelangen deshalb in die Stratosphäre, wo sich das Ozon befindet. Die Menge der freigesetzten FCKW genügte nach unserer ersten Einschätzung aber nicht, um global zu wirken. Das änderte sich, als wir die Kettenreaktion entdeckten. Die Kettenreaktion multipliziert die Wirkung eines FCKW-Moleküls um ein Vielfaches. Somit wurden die FCKW zum globalen Problem.


Ozonschicht und Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe (FCKW)

Die Ozonschicht in der Stratosphäre spielt für das Leben auf der Erde eine entscheidende Rolle. Ozonmoleküle absorbieren den für die Lebewesen gefährlichen Teil der Sonnenstrahlung. Ozon wird in der Stratosphäre laufend gebildet und auch wieder abgebaut. Dieses Gleichgewicht wurde durch die Freisetzung von FCKW empfindlich gestört. Insbesondere Chlor wirkt als Katalysator für ozonzerstörende Reaktionen: ein einziges Chloratom kann sehr viele Ozonmoleküle zerstören.

Die internationale Gemeinschaft einigte sich 1987 im so genannten Protokoll von Montreal über die Reduktion von ozonzerstörenden Substanzen. Zuvor entdeckten britische Wissenschaftler 1985 völlig überraschend das Ozonloch über der Antarktis. Später wurde klar, dass dieser saisonale Effekt durch polare stratosphärische Wolken verursacht wird. Gross war die Überraschung bei der NASA, die seit 1979 die Ozonschicht mit einem Satelliten überwachte. Auf das Ozonloch war man nicht aufmerksam geworden, weil der Rechner abnormal tiefe Ozonwerte als Fehlmessungen einstufte und in der Auswertung unterdrückte.



Wie reagierte die Öffentlichkeit?

Kurz nach der Publikation geschah nicht viel, obwohl "Nature" eine Pressemitteilung herausgab. Dann verfassten wir einen Artikel für die American Chemical Society, der ein grosses Medienecho auslöste. In Michigan arbeitete eine andere Forschergruppe auch an diesem Thema. Und plötzlich wurde es eine grosse Story. Die New York Times berichtete auf der Frontseite. Dann ging es Schlag auf Schlag. Im April 1975 erschien ein grosser Bericht im damals angesehenen New Yorker. Ich verbrachte sehr viel Zeit am Telefon. Ich kann mich an einen Tag erinnern, an dem ich Journalisten acht Stunden lang Auskunft gab. Sogar das Rock and Roll Magazin "Rolling Stone" wollte eine Interview haben.


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sherwood rowland
"In der Klimadebatte bräuchte es so etwas wie das Ozonloch", meint Nobelpreisträger F. Sherwood Rowland. gross

Und wie reagierten die Politiker?

Schon bald nach unserer Publikation starteten im Repräsentantenhaus in Washington die Hearings. In Wissenschaftskreisen wurde diskutiert, ob die Produktion von FCKW nun ein Problem sei oder nicht. Die Antwort war ja, und es folgten weitere Studien. Bereits zwei Jahre nach der Publikation in "Nature" führte die USA ein Produktionsverbot für FCKW ein.

Ihre Publikation erschien 1974, das Ozonloch über der Antarktis wurde aber erst zehn Jahre später entdeckt. Weshalb?

Anfangs der 70iger Jahre war das Ozonloch über der Antarktis noch nicht gross. Ozonmessungen können von der Bodenoberfläche oder mit Hilfe von Satelliten durchgeführt werden. Satelliten liefern aber erst seit 1979 Daten. Die ersten Messungen in der Antarktis waren schwierig zu interpretieren. Ab 1980 war aber klar, dass etwas nicht stimmte. Als wir 1974 unseren Artikel publizierten, gab es keinen Grund an so etwas wie das Ozonloch zu denken. Unsere Modelle und Computer waren noch sehr bescheiden. Als ich 1974 für ein Sabbatical nach Europa kam, nahm ich zum ersten Mal einen Rechner mit und liess meinen Rechenschieber zu hause. Bis zu diesem Zeitpunkt waren Rechenschieber nämlich besser als Taschenrechner.

Mit dem Protokoll von Montreal ist es gelungen, die ozonzerstörenden Substanzen zu reduzieren. Wie ist dieser Erfolg zu erklären, und weshalb tun wir uns mit dem Klimaschutz so schwer?

In den USA gab es in den 70iger Jahren sechs Konzerne, die FCKW produzierten, wovon nur zwei wirklich wichtig waren. Auf der ganzen Welt gab es etwa 20 Konzerne. Der Entscheid, die FCKW-Produktion zu stoppen, konnte deshalb rasch umgesetzt werden. Beim Kohlendioxid ist das anders. Seit Jahrtausenden benutzen Menschen kohlenstoffhaltige Brennstoffe zur Energiegewinnung und zum Heizen: zuerst Holz, dann Kohle und heute vor allem Gas und Erdöl. Aus diesen Gründen ist es viel schwieriger, dieses Problem zu lösen. Wir stellen heute zwar einen globalen Temperaturanstieg fest. Das alleine erzeugt aber nicht genügend politischen Druck. Es bräuchte so etwas wie das Ozonloch - zum Beispiel eine dramatische Änderung des Klimas.

Wo sehen Sie die zukünftigen Herausforderungen in der Ozon- und Klimaforschung?

Beim Ozon wissen wir ziemlich genau, was passiert. Es gibt allerdings offene Fragen, wenn sich das Klima ändert. Eine Klimaerwärmung könnte bewirken, dass sich die Ozonschicht in polaren Gebieten langsamer erholt als erwartet. In der Klimaforschung wird es vor allem um die komplexen Wechselwirkungen zwischen der Atmosphäre und den Ozeanen gehen.


Zur Person

F. Sherwood Rowland (geb. 1927) ist seit 1964 Professor für Chemie an der University of California in Irvine. Er entdeckte zusammen mit Mario Molina 1974 die ozonschädigende Wirkung der Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe (FCKW). Für diese Arbeit erhielten die beiden Wissenschaftler 1995 den Nobelpreis für Chemie. Rowland nahm 1997 im Weissen Haus an der Klimawandel-Diskussion mit Bill Clinton und Al Gore teil.




Fussnoten:
(1) Von der Wissenschaft zur Politik: www.ethlife.ethz.ch/tages/show/ozoneholepanel.html



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